1 ...6 7 8 10 11 12 ...19 Die Schwierigkeiten nahmen vorerst kein Ende, als sich die Familie plötzlich mit steuerlichen Problemen konfrontiert sah. „Irgendwie begann alles auseinanderzufallen“, berichtete Tina im Rolling Stone. „Wir mussten unser Haus für viel weniger als das, was wir mit ausreichend Zeit dafür bekommen hätten, verkaufen. Es war sehr emotional, weil meine Kinder in diesem Haus aufgewachsen waren und sie nun überhaupt nicht glücklich waren.“ Als Mathew herausfand, dass der Vormieter ihres neuen Apartments im Badezimmer Selbstmord begangen hatte, machte das die chaotische Lage nicht gerade besser. LaTavia erinnerte sich später an die neuen Lebensumstände der Knowles: „Mathew und Tina teilten sich ein Zimmer und Beyoncé, ihre Schwester Solange und Kelly teilten sich das andere. Sie hatten zwei Einzelbetten mit einem Ausziehbett darunter. Rückblickend war das alles sicher sehr stressig für die Familie.“
Um zu etwas mehr Geld zu kommen, ließ Tina ihren Haarsalon länger offen, während Mathew sich für ein paar Monate verabschiedete, um eine Fortbildung in puncto Künstler-Management zu machen – womit er den Grundstein für seine eigene Multi-Millionen-Dollar-Firma, Music World Entertainment, legte. Mathews Entscheidung, seine Tochter und ihre Freundinnen als Manager zu betreuen, war inspiriert gewesen von einer Geschichte, die er über Berry Gordon, den Präsidenten von Motown Records, gehört hatte. Berry hatte unvorstellbaren Erfolg, indem er praktisch alle Geschäfte von seinem eigenen Studio in Detroit aus abwickelte – er managte seine Acts, nahm sie auf und veröffentlichte und vermarktete sie selbst. Er behielt die Fäden in der Hand. Er bemühte sich außerdem, seinen Künstlern zu zeigen, wie sie sich benehmen, kleiden und bewegen sollten. Tatsächlich erklärte er ihnen, wie sie Superstars werden würden.
Der Kampf, Beyoncés Karriere in Gang zu kriegen, war höchst beschwerlich und hatte zur Folge, dass Mathew und Tina sich eine Zeit lang trennten. Tina erzählte CBS: „Wir gingen damals auseinander, weil mir vorkam, dass er ein wenig zu besessen war. Ich hatte nie Zweifel daran, dass sich der Erfolg einstellen würde, aber ich sagte ihm, dass er nicht einfach so die Welt auf den Kopf stellen könnte, sich auf diese Sache stürzen und sich nicht länger um seine Familie kümmern könnte.“ Als sie im Rolling Stone noch detaillierter auf die damalige Situation einging, fügte sie noch hinzu: „Zum damaligen Zeitpunkt kamen wir einfach nicht miteinander aus. Ich hatte das Gefühl, dass Mathew besessen war und sich besser einen Job hätte suchen sollen … Es ging uns einfach elend.“
So wie für jedes Kind war auch für Beyoncé die Trennung ihrer Eltern ein traumatisches Erlebnis. Später sagte sie dazu: „Es war eine so schmerzhafte Zeit, dass ich viele Erinnerungen daran aus meinem Kopf gelöscht habe.“ Sie suchte Halt bei ihrer Kirchengemeinschaft und man sah sie oft in der St. John’s Kirche, wie sie weinend ins Gebet versunken war. Als ihr alles zu viel wurde, legte sie sich ein Mantra zu, das sie immer und immer wiederholte, um mit ihrer Situation zurechtzukommen: „Gott hat einen Plan und Gott hat alles unter Kontrolle.“ Es half ihr, sich zu beruhigen, und wurde zu einem Motto, das sie seitdem durch ihr Leben begleitet.
Ihr christlicher Glaube half ihr auch dabei, die gelegentlichen Höhen und Tiefen ihrer Band zu verarbeiten. COSMOgirl erzählte sie vom ersten Mal, als sie die Gegenwart Gottes gespürt habe: „Ich war innerhalb der Gruppe so etwas wie die ‚Mutti‘ – wenn es Spannungen gab, jemand log oder jemandes Gefühle verletzt wurden, ging mir das sehr zu Herzen. Ich stand unter Stress, weil ich wusste, dass die Band durchdrehte. Ich konnte nicht mehr schlafen und ich bekam einen Ausschlag im Gesicht. Eines Tages in der Kirche weinte ich und mit einem Mal ließ ich einfach alles los. Es war, als würde Gott sagen: ‚Überlasse es einfach mir.‘ Der ganze Druck fiel von mir ab … Nachher war ich 20 Minuten lang im Reinen mit allem. Als würde ich schweben.“
Obwohl sie die Trennung ihrer Eltern sehr bekümmerte, wurde sie dadurch nur noch entschlossener, für Destiny’s Child die Anerkennung, nach der sie sich so sehnten, zu erringen. Ein Trip nach San Francisco, wo sie 1996 ein paar Demos aufnehmen wollten, läutete schließlich ihren finalen Durchbruch ein. Nachdem sie die Tapes an Dutzende einflussreiche Personen verschickt hatten, meldete sich bei ihnen ein Musiker namens D’wayne Wiggins aus Oakland, Kalifornien, dem das Gehörte zusagte, was ihn schließlich dazu veranlasste, die Band im Handumdrehen für seine Firma, Grass Roots Entertainment, unter Vertrag zu nehmen. In einem späteren Interview mit der Website von Soul Train sprach er über die so wichtige Entscheidung, der Band eine Chance zu geben: „Die größte Erfahrung meines Lebens in Bezug auf das Geschäft war es, Destiny’s Child unter Vertrag zu nehmen und sie zu entwickeln. Diese jungen Ladys waren ein paar erwachsene Damen in den Körpern von jungen Mädchen. Sie waren fokussiert und hatten Weitblick.“
Als Teil seines Investments in die Band ließ D’wayne sie in ein Haus mit sechs Schlafzimmern in Oakland in der Nähe seines Studios einziehen, um ihnen damit zu ermöglichen, ihre Musik zu schreiben und aufzunehmen. Erneut war Schule kein Thema und Privatlehrer kamen ins Spiel, damit sie ihren Stundenplan um die Musik herum arrangieren konnten.
Beyoncé blühte in dieser Umgebung auf und es gelang ihr, D’wayne schwer zu beeindrucken. „Ich kann mich daran erinnern, dass ich gerade den Gesang arrangierte und Beyoncé hinterm Mikro stand. Ich schlug ihr eine Harmonie vor und sie antwortete darauf mit einer Vielzahl von Harmonien und Melodien, die mich umhauten. Sie tanzte und warf ihre Haare herum, als würde sie gerade ein Konzert geben.“ Er fügte hinzu: „Ich war für die Produktion zuständig und ich war ein Fan. Es war eine wunderbare Erfahrung, die Familie kennenzulernen – Tina, Mathew und Solange –, und ich spürte das Vertrauen und den Respekt. Ich dachte mir stets: ‚Wow, sie vertrauen mir ihre Kinder an, damit ich nach ihnen sehe und sie produziere und mich außerdem darum kümmere, dass ihr Unterricht nicht auf der Strecke bleibt.‘“
Obwohl D’wayne sich darum kümmerte, dass Beyoncé brav lernte, hat sie nie ihren Highschool-Abschluss gemacht, da die Band ihr Leben beherrschte. Dennoch war das nur ein geringer Preis für das, was ihr noch bevorstand. Da das Interesse, das D’wayne der Gruppe entgegenbrachte, ihnen noch mehr Credibility verlieh, flogen Destiny’s Child 1997 nach New York, um erneut für Terese LaBarbera Whites vorzusingen, die immer noch für Columbia Records, wo auch Bruce Springsteen, Michael Jackson und Mariah Carey unter Vertrag standen, tätig war. Wie Beyoncé später in Soul Survivors, der Autobiografie von Destiny’s Child, zugab, war das ihre letzte Chance, und sie konnten es sich einfach nicht leisten, sie noch einmal ungenutzt zu lassen.
Es verhieß eigentlich nichts Gutes, dass der Konferenzraum, der für das Vorsingen zur Verfügung gestellt wurde, nicht groß genug für die Begleitmusiker und ihre Instrumente war, was zur Folge hatte, dass die vier Mädchen sich auf die einschüchternde Herausforderung einlassen mussten, a cappella zu singen. Es gelang ihnen jedoch zum Glück, perfekte Versionen von Bill Withers’ „Ain’t No Sunshine“ sowie ihres eigenen Tracks „Are You Ready?“ abzuliefern. Allerdings ließ Teresa die Mädchen in puncto Feedback erst einmal im Dunkeln. Sie reisten zurück nach Houston und hatten keinen Schimmer, wie es nun weitergehen würde. In Wahrheit aber war Teresa ganz hin und weg, wie sie viele Jahre später betonte: „Beyoncé ist eine unglaubliche Künstlerin, Songschreiberin, Produzentin und Performerin – sie hat einfach alles drauf. Ich kenne sie bereits seit ihrer Kindheit und habe ihr dabei zugesehen, wie sie zu der legendären musikalischen Urgewalt, die sie heute ist, heranreifte. Ich weiß nicht, ob es irgendetwas Cooleres gibt.“
Читать дальше