Jetzt musste alles sehr schnell gehen. Der Mann durfte keine Chance haben, einen Warnruf auszustoßen. Roberto hielt in jeder Hand eine Waffe. Er konzentrierte sich auf den Angriff, der dann in der nächsten Sekunde erfolgte. Für den Gangster musste es den Eindruck erwecken, Roberto Tardelli käme aus dem Boden geschossen.
Roberto sprang auf. Der Mann drehte sich. Er ließ die Zigarette fallen und wollte zur MPi greifen, aber es blieb beim Wollen, denn ein harter Schlag holte den Verbrecher von den Beinen.
Roberto fing den Mann auf. Er ließ ihn langsam zu Boden gleiten und nahm ihm die Maschinenpistole ab. Auch den Colt Diamondback, den der Gangster im Gürtel trug, nahm Roberto an sich. Nun war er bis an die Zähne bewaffnet. Er steckte die Faustfeuerwaffen weg. Die Luger kehrte an ihren angestammten Platz - in die Schulterhalfter - zurück. Roberto nahm die MPi in beide Hände und eilte auf eine rostzerfressene Eisentür zu, hinter der er die Stimme Brian Cusacks vernahm.
Mit der MPi im Anschlag wollte er dem König von Brooklyn und seinen Komplizen entgegentreten. Sollte es einer wagen, zur Waffe zu greifen, würde er sein blaues Wunder erleben.
Roberto hatte die Tür schon fast erreicht. Unwillkürlich blickte er nach rechts, und im selben Moment entdeckte er zwei Männer, die gleichfalls mit Maschinenpistolen bewaffnet zu Brian Cusack unterwegs waren. Jedoch nicht in friedlicher Absicht. Roberto sah es in ihren Gesichtern. Diese Männer waren gekommen, um Cusack zu töten!
Es ging Roberto gegen den Strich, dass der König von Brooklyn sterben sollte, deshalb geriet er in die fatale Lage, Brian Cusack und seine Gangsterfreunde warnen zu müssen.
Doch ehe er den Warnschrei ausstoßen konnte, brach die Hölle los ...
Maria und Jossip Wassinski fühlten sich wohl in Samantha Fords Apartment. Das Gästezimmer gefiel ihnen. Sie hatten noch nie in einem so schönen Raum gewohnt.
Bei einem Drink saßen sie im Livingroom. Jossip Wassinski schüttelte den Kopf und sagte: „Wie das Schicksal manchmal spielt. Wir hatten das größte Glück unseres Lebens, an Roberto Tardelli geraten zu sein.“
Maria lächelte ihn vorwurfsvoll an.
„Und du hast versucht, ihn niederzuschlagen.“
„Ich bin froh, dass ich es nicht geschafft habe. Schade, dass Roberto mich nicht mehr verprügelt hat. Ich hätte es verdient. Er kann sehr beherzt kämpfen.“
Samantha nickte.
„Es gibt nichts, wovor Roberto Angst hat. Jedenfalls macht er auf mich diesen Eindruck.“
„Wir haben vollstes Vertrauen zu ihm“, sagte Jossip.
„Das können Sie haben.“
„Zu Ihnen auch.“
„Ich helfe gern.“
„Ein Wunschtraum wird für uns in Erfüllung gehen“, sagte Jossip. „Wir werden amerikanische Staatsbürger.“
„Kann Roberto das für uns wirklich erreichen?“, fragte Maria leise.
„Wenn er es Ihnen versprochen hat, können Sie sich darauf verlassen“, sagte Samantha Ford.
„Er ist ein bemerkenswerter Mann“, sagte Maria.
Jossip lachte.
„He! Vorsicht! Du hast dich doch nicht etwa in ihn verliebt.“
Maria lächelte. „Nein. Aber er wäre der Mann, in den ich mich verlieben könnte.“
„Und der Mann, den ich als dein großer Bruder neben dir akzeptieren würde“, sagte Jossip Wassinski.
Samantha Ford seufzte.
„Roberto Tardelli ist schon ein seltenes Exemplar. Ich hätte gern mehr von ihm, aber sein Beruf ... Roberto ist ein Mann, den alle brauchen. Es wäre schlecht um unser Land bestellt, wenn es nicht Männer wie ihn geben würde. Obwohl ich mir das immer einrede, bin ich traurig, wenn er nicht bei mir ist, und ich lebe in ständiger Sorge, dass er eines Tages zu viel wagen könnte.“
Jossip sagte überzeugt: „Er wird immer wieder zu Ihnen zurückkehren, Samantha. Ich glaube, niemand weiß genauer als er, wieviel er riskieren darf.“
Die junge Ärztin seufzte wieder.
„Hoffentlich haben Sie recht, Jossip. Obwohl er nicht oft bei mir ist, wäre ich doch untröstlich, wenn es ihn eines Tages nicht mehr geben würde.“
Pietro Gravina und Tony Tornado sahen Brian Cusack aus dem Wagen steigen und eröffneten sofort das Feuer auf ihn. Ihre automatischen Waffen hämmerten laut. Das Krachen der Schüsse hallte zwischen den Hallen der aufgelassenen Lokomotivfabrik. Auch Cyril Murray und die beiden Hitmen waren ausgestiegen. Als die Maschinenpistolen zu hämmern begannen, stieß Murray einen wüsten Fluch aus und ließ sich augenblicklich fallen.
Tornados und Gravinas Geschosse trommelten gegen den Wagen. Sie zertrümmerten die Heckscheibe, hackten schräg über das Blech, ratschten über das Fahrzeugdach und näherten sich Cusack, doch bevor ihn die Projektile erreichen konnten, warf auch er sich auf den Boden.
Hastig robbte er hinter das Auto. Sobald er in Deckung war, riss er seinen Revolver aus der Schulterhalfter. Cyril Murray schoss bereits zurück. Auch die beiden Hitmen erwiderten das Feuer.
Trotzdem rückten Gravina und Tornado näher. Ihre Kugeln klatschten auf die Granitsteine und jaulten als gefährliche Querschläger durch die Luft. Brian Cusack und seine Komplizen waren nicht in der Lage, die Angreifer zurückzutreiben.
„Verdammt, das ist Gravina!“, zischte der König von Brooklyn. Er hatte sich schon lange nicht mehr in einer solchen Situation befunden. Normalerweise beteiligte er sich an keinen Schießereien mehr. Das überließ er seinen Gunmen. Doch diesmal war er gezwungen, sich selbst seiner Haut zu wehren. „Gravina und Tony Tornado!“, sagte Cusack zu Murray.
„Dann weiß Gravina also Bescheid“, sagte Murray.
„Anzunehmen.“
„Aber von wem?“
„Keine Ahnung.“
„Vielleicht hat Gordon Keel nicht dichtgehalten.“
„Das glaube ich nicht. Auf Keel kann man sich verlassen.“
„Und wenn Copeland umgefallen ist?“
„Der hat viel zu viel Angst vor mir“, sagte Cusack. Er zielte auf Tornado und drückte ab. Doch der große Mafioso wechselte blitzschnell schießend die Position und entging so einem Treffer.
Roberto Tardelli wollte nicht dabei zusehen, wie sich die Gangster gegenseitig abknallten. Er wusste nicht, weshalb der König von Brooklyn und seine Männer so unverhofft angegriffen wurden. Ihm war aber klar, dass er ein Blutbad verhindern musste.
Aber die Lage war für ihn nicht ungefährlich. Er konnte sehr leicht zwischen die Fronten geraten. Wenn sich die beiden Parteien entschlossen, zuerst ihn fertigzumachen und sich erst dann wieder gegeneinander zu stellen, würde er keinen leichten Stand haben.
Trotzdem wagte er es und griff in das Geschehen ein. Mit der erbeuteten Maschinenpistole betrat er die Szene. Er zog den Stecher durch und trieb die kämpfenden Parteien auseinander.
„Das ist der Kerl, den wir erwischt haben!“, rief Murray verblüfft aus, und als er sah, dass Roberto seine MPi in Gravinas und Tornados Richtung schwenkte, stellte er fest: „Er ist auf unserer Seite!“
Doch er sollte Augenblicke später eines Besseren belehrt werden. Gravina und Tornado zogen sich zurück, und nun drehte sich Roberto und ließ seine Waffe erneut hämmern. Diesmal in Cusacks Richtung.
„Hat der Kerl den Verstand verloren?“, brüllte Cyril Murray wütend auf.
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