Heike Wolf - DSA - Rabenerbe

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Sie haben gelitten, geblutet und ihre Wunden geleckt. Aber die mächtigen Granden Al'Anfas haben auch unter der Herrschaft Oderin du Metuants nicht aufgehört, die Fäden zu spinnen, die hinter den Kulissen die Geschicke der Schwarzen Perle lenken. Als der Schwarze General einen Feldzug plant, der Al'Anfa neue Größe und neuen Ruhm verspricht, setzen sie alles daran, ihre Figuren in Stellung zu bringen. Doch vieles hat sich verändert in der Stadt, seit die Terrorherrschaft der Duumvirn ein blutiges Ende gefunden hat. Neue Bündnisse werden geschlossen, neue Feindschaften entstehen, und während man im Geheimen bereits den Sturz des Generals vorbereitet, ringt die Brut der Raben um ihr Erbe.
Rabenerbe bildet den Auftakt eines Zweiteilers um Intrigen, Macht und Dekadenz und führt in die wohl sinnlichste wie auch gefährlichste Stadt Aventuriens – Al'Anfa.
Die Geschichte wird im Roman Rabenbund fortgesetzt.

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Heike Wolf

Rabenerbe

Ein Roman in der Welt von

Das Schwarze Auge©

Originalausgabe

Impressum Ulisses Spiele Band US25707 Titelbild Nikolai Ostertag - фото 1

Impressum

Ulisses Spiele

Band US25707

Titelbild: Nikolai Ostertag

Aventurien-Karte: Daniel Jödemann

Lektorat: Eevie Demirtel

Korrektorat: Nora Tretau

Umschlaggestaltung und Illustrationen: Nadine Schäkel, Patrick Soeder

Layout und Satz: Mirko Bader, Michael Mingers

Copyright © 2021 by Ulisses Spiele GmbH, Waldems. DAS SCHWARZE AUGE, AVENTURIEN und DERE, MYRANOR, RIESLAND, THARUN und UTHURIA sind eingetragene Marken der Significant GbR. Alle Rechte von Ulisses Spiele GmbH vorbehalten.

Titel und Inhalte dieses Werkes sind urheberrechtlich geschützt. Der Nachdruck, auch auszugsweise, die Bearbeitung, Verarbeitung, Verbreitung und Vervielfältigung des Werkes in jedweder Form, insbesondere die Vervielfältigung auf photomechanischem, elektronischem oder ähnlichem Weg, sind nur mit schriftlicher Genehmigung der Ulisses Spiele GmbH, Waldems, gestattet.

Ebook-ISBN 978-3-95752-653-3

Danksagung

Wenn man ein Buch schreibt, ist man erst einmal allein mit dem weißen Blatt und der Geschichte, die noch viele Irrwege und Fehler aufweist. Um diese zu finden und sich nicht ganz einsam zu fühlen, braucht man kritische Leser, die bereit sind, gnadenlos den Finger auf die Wunden zu legen und dafür sorgen, dass mancher krude Einfall niemals den Weg ins fertige Buch findet. Ich schätze mich glücklich, dass ich solche Testleser habe. Armin Abele, Jessica Jüngel, Benjamin Kowalski, Henning Mahr, Stephanie Mehl, Deniz Nitt, Philipp Steinbach und Andreas Wolf, vielen Dank für eure Zeit und Hilfe. Und ganz besonders danke ich Anja Jäcke, die den Roman in jeder Phase seiner Entstehung begleitet hat und ohne deren ständige Rückmeldung ich wohl so manchen Irrweg mehr gegangen wäre. Danke!

I

Esmeraldo

Ein Kitzeln am Bauch weckte ihn aus dem Dämmern. Neben ihm regte sich die Sklavin und schob träge ein Bein über seinen Oberschenkel. Ihr Gesicht ruhte auf seiner Schulter, während ihre Fingerspitzen die Konturen der Muskeln unter seiner Haut nachzeichneten. Ihre Wangen waren gerötet und die Haare zerzaust vom ausgiebigen Liebesspiel, dessen Geruch noch in der Luft hing.

»Ihr seid wundervoll, Herr.« Ihre Stimme war ein dunkles Gurren, rauchig von dem Rauschkraut, das sie genommen hatten. »Aber vermutlich bin ich nicht die Erste, die Euch das sagt.«

»Das bist du nicht.« Esmeraldo gähnte, während er in das schummrige Licht der Öllampen blinzelte, die über dem Bett an der Decke befestigt waren. Die See war ruhig, sodass sie nur sacht im Rhythmus der Dünung hin und herschaukelten und gedämpfte Schatten an die Wände der Kajüte warfen. Draußen schrie ein Seevogel, und das Poltern schwerer Stiefel verklang unter dem gleichmäßigen Trommelschlag, der die Rudersklaven in den Takt zwang. Esmeraldo fuhr nicht gerne zur See, trotz der zweifellos komfortablen Unterkunft, die man ihm an Bord der Paligana Septima zur Verfügung gestellt hatte. Aber Goldos Nachricht war zumindest in diesem einen Punkt eindeutig gewesen – er hatte sich zu beeilen.

Esmeraldo seufzte stumm, während er an seinen Präfektenpalast in Sylla dachte, den er zurückgelassen hatte. Nicht, dass er viel Verlangen danach verspürte, sich länger mit aufsässigen Freibeutern und Piraten aus Charypso herumzuschlagen, aber die Macht seines Amtes hatte ihm durchaus gefallen. Als Präfekt und Statthalter hatte er die Interessen des Imperiums mit harter Hand durchgesetzt. Das war auch nötig in dieser Stadt, die erst seit einigen Jahren unter dem Rabenbanner stand und sich nur schwer an Ketten und Geißel gewöhnen mochte. Er hatte seine Sache durchaus gut gemacht, wie er fand, sodass ihn Goldos Nachricht unvorbereitet erreicht hatte. Er sollte sich unverzüglich in Al’Anfa einfinden, hatte das Oberhaupt des Hauses Paligan geschrieben, als reichte das als Erklärung vollkommen aus. Nicht, dass Esmeraldo eine solche erwartet hätte. Ein Goldo Paligan bat nicht, er befahl. Vielleicht hätte er beunruhigt sein sollen, aber es war nicht seine Art, sich Sorgen über Dinge zu machen, die er nicht beeinflussen konnte. Was immer sein Großonkel von ihm wollte, es war wichtig genug, ihm den Nachfolger im Präfektenamt gleich mitzuschicken, sodass Esmeraldo keine Erwartungen hegte, nach Sylla zurückzukehren. Nein, seine Zukunft lag in der großartigsten aller Städte – in Al’Anfa.

Ein zufriedenes Lächeln strich über seine Züge, was die Sklavin dazu veranlasste, ihre Finger ein wenig tiefer wandern zu lassen. Khaya hieß sie. Goldo hatte sie ihm geschenkt, als er sein Amt in Sylla angetreten hatte. Fünf Jahre waren eine ungewöhnlich lange Zeit, um bei einer Sklavin zu verweilen, aber Khaya war besonders, sodass er kein Verlangen verspürt hatte, sie zu ersetzen.

»Was würde Euch nun gefallen, Herr?« Wie dunkler Samt glitten die Worte über ihre Lippen. »Ich habe neulich ein paar Dinge gelernt, die ich Euch noch gar nicht gezeigt habe. Interessante Dinge. Ihr werdet mich um Erlösung anflehen, das verspreche ich Euch.«

»Mach keine Versprechungen, die du nicht halten kannst.« Esmeraldo hob die Hand, um durch ihr duftendes Haar zu streichen. »Sonst könntest du es bereuen.«

Die Sklavin lachte leise, ohne das Spiel ihrer Finger zu unterbrechen. »Ihr wisst, ich bereue nie, was Ihr mit mir tut, Herr.« Bei den letzten Worten hatte sie die Stimme zu einem Raunen gesenkt, und auch wenn Esmeraldo wusste, dass sie lediglich gut schauspielerte, gefiel ihm die sehnende Unterwürfigkeit, die sie an den Tag legte. Es gab viele perfekt ausgebildete Sklaven, die wussten, wie sie ihren Herren zu gefallen hatten, aber nur wenige, denen es gelang, darüber hinaus den Anschein echter Hingabe vorzugaukeln. Seine Hand grub sich in ihr Haar und packte es grob, sodass sie einen ergebenen Seufzer ausstieß. Sie hatte schönes Haar, samtweich und hell wie das Sonnenlicht auf der Goldenen Bucht.

»Wir werden sehen«, ließ er sie wissen und schloss mit einem zufriedenen Brummen die Augen. »Zeig mir, was du gelernt hast, und ich werde darüber befinden, ob es mir gefällt.«

Sie lachte erneut, ein verführerisches Lachen, ebenso bewusst gesetzt wie die Berührung ihrer Schenkel, als sie sich aufrichtete. »Entspannt Euch, Herr.« Sie beugte sich vor, sodass die Spitzen ihres Haars über seine Haut strichen. »Ihr hattet eine anstrengende Zeit.«

Esmeraldo ließ den Kopf zurücksinken. Es war ein guter Gedanke gewesen, sie mitzunehmen, damit er nicht an die endlosen Tiefen unter dem Rumpf der Galeere nachdenken musste.

Ihre Berührungen begannen gerade, ihm ein leises Stöhnen zu entlocken, als eine harte Stimme und ein energisches Klopfen ihn unsanft aus den wohligen Gedanken rissen.

»Don Esmeraldo? Seid Ihr da?«

Esmeraldo atmete tief ein und öffnete die Augen. Unter anderen Umständen hätte er die Störung geflissentlich ignoriert und den Verantwortlichen zu einem späteren Zeitpunkt seinen Unmut spüren lassen, aber die Stimme gehörte der Capitana, der einzigen Person an Bord, die er zu seinem Leidwesen nicht übergehen konnte.

»Was gibt es?«, rief er ungehalten. »Ich hoffe sehr für Euch, dass es wichtig ist.«

»Ich sollte Euch mitteilen, wenn wir Al’Anfa erreichen. Der Visra ist bereits in Sicht. In einem knappen Stundenglas laufen wir im Hafen ein.«

In einer Stunde ...

Esmeraldo stieß einen Fluch aus und schob die Sklavin zur Seite, die mit einem erschrockenen Laut vom Bett rutschte. Er rechnete nicht damit, dass man ihm einen triumphalen Empfang bereitete, dazu war Goldos Nachricht zu knapp, zu kurzfristig und vor allem nicht förmlich genug gewesen. Aber er sollte sich an Deck zeigen, wenn sie einliefen. Falsche Bescheidenheit hatte noch niemanden nach oben gespült, am allerwenigsten in der Stadt des Raben. Man nannte Goldo schließlich auch deshalb den Großartigen, weil er sich mit Gold und nicht mit Asche bestäuben ließ.

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