In dieser Norm sind zusätzlich Möglichkeiten beschrieben, den realen Einbauzustand von Dämmstoffen in der SBI-Prüfung zu simulieren und zu bewerten (z. B. Dämmstoff hinter Gipskarton). Die einzelnen europäischen Länder können damit im Baurecht auf Basis der reinen Materialdaten, aber auch auf Basis des Produkts im Einbauzustand bewerten, welche Produkte für die verschiedenen Anwendungsbereiche eingesetzt werden dürfen. Die Bewertung im Einbauzustand wird allerdings im aktuellen deutschen Baurecht nicht angewendet. Derzeit wird diskutiert, ob z. B. für Fassadenbekleidungs- und –Dämmsysteme die Bewertung der Schwerentflammbarkeit nicht auf Basis der Dämmstoffeigenschaften sondern auf Basis von Systemprüfungen im SBI zugelassen werden kann, wenn die zusätzlich geforderte Prüfung im Großbrandversuch nach DIN 4102 Teil 20 erfolgreich bestanden wird.
6.2 Anwendung des SBI für Wandund Deckenverkleidungsprodukte
Für Bauprodukte, die als Wand- und Deckenverkleidungen benutzt werden, wie z. B. Tapeten, Deckensichtplatten etc. ist eine Prüfung im SBI sinnvoll und kann anwendungsgerecht durchgeführt werden. Die direkte Flammenbeanspruchung im SBI entspricht der Realität, denn diese Produkte werden als Verkleidungsprodukte für Innenräume fertig auf den Markt gebracht. In den Produktnormen wurden Festlegungen getroffen, wie die Produkte im SBI einzubauen und zu befestigen sind. Ein Beispiel ist die Produktnorm EN 15102 für dekorative Wandbekleidungen. Bei der Prüfung im SBI muss berücksichtigt werden, auf welchem Untergrund diese Produkte verwendet werden, und welche Klebstoffe eingesetzt werden.
6.3 Stahl-Sandwichelemente
Ein Beispiel für die Einführung eines sinnvollen Prüfund Bewertungssystems mithilfe der europäischen Baustoff-Normen sind die Festlegungen in der Norm EN 14 509 für selbsttragende Stahl-Sandwichelemente, die häufig mit einem brennbaren Dämmstoffkern aus PUR/PIR hergestellt werden. Ähnlich wie bisher in Deutschland ist in der neuesten Fassung dieser Norm festgelegt, dass für die Klassifizierung als Baustoff die Elemente mit offener Schnittkante im Kleinbrenner zu prüfen sind, wenn eine der Klassifizierungen A2, B, C, D oder E erreicht werden soll. Für die SBI-Prüfung werden die Fugen zwischen den einzelnen Elementen, entsprechend dem späteren Einbau, sowohl in der Innenecke als auch in der Fläche im Prüfaufbau nachgestellt. Diese Fugen haben auch in der Realität wesentlichen Einfluss auf die Brandentstehung und –ausbreitung bei solchen Elementen. Damit kann dann die Brandausbreitung sowohl im Fugenbereich als auch durch Versagen der Deckschichten und eine daraus resultierende Entzündung des Dämmstoffs beurteilt werden. Viele in Deutschland verwendete Sandwichelemente mit einem Dämmstoffkern aus Polyurethan oder anderen Schaumkunststoffen und mit Stahldeckschichten sind so ausgelegt, dass sie bei der Prüfung nach EN 13823 die Anforderungen der Baustoffklasse B oder C erreichen. Dafür müssen die Fugen gut verschlossen sein, geeignete Dichtmaterialien verwendet werden, und auch die Oberflächenbeschichtung der Stahldeckschichten darf nur einen geringfügigen Beitrag zur Brandweiterleitung leisten.
7 Anwendung der europäischen Klassifizierungen von Baustoffen im deutschen Baurecht
Im deutschen Baurecht wurden in der Vergangenheit Baustoffe entsprechend den Vorgaben der Norm DIN 4102 als nichtbrennbar, schwer entflammbar, normal entflammbar oder leicht entflammbar eingestuft. Diese Einstufung erfolgte auf Basis der bisher in der DIN genormten Baustoff-Prüfungen. Diese Begriffe werden im Baurecht (Musterbauordnung und Landesbauordnung etc.) verwendet.
Tabelle 5.Zuordnung der bauaufsichtlichen Begriffe zu den europäischen Klassifizierungen
Bauaufsichtliche Anforderungen |
Mindestens erforderliche Leistungen |
Bauprodukte, ausgenommen lineare Rohrdämmstoffe und Bodenbeläge |
Lineare Rohrdämmstoffe |
Bodenbeläge |
Nichtbrennbar 1) |
A2-s1,d0 *) |
A2 L-s1,d0 *) |
A2 L-s1 |
Schwerentflammbar und nicht brennend abfallend oder abtropfend sowie geringe Rauchentwicklung |
C-s1,d0 *) |
C L-s1,d0 *) |
- |
Schwerentflammbar und nicht brennend abfallend oder abtropfend |
C-s2,d0 *) |
C L-s2,d0 *) |
- |
Schwerentflammbar und geringe Rauchentwicklung |
C-s1,d2 *) |
C L-s1, d2 *) |
Cfl-s1 |
Schwerentflammbar |
C-s2,d2 *) |
C L-s2, d2 *) |
Cfl-s1 |
Normalentflammbar und nicht brennend abfallend oder abtropfend |
E |
El |
- |
Normalentflammbar |
E-d2 |
El -d2 |
Efl |
|
Angabe: Schmelzpunkt von mindestens 1000°C |
Angabe: Schmelzpunkt von mindestens 1000°C |
- |
1) soweit erforderlich zusätzlich Schmelzpunkt > 1000 °C *) soweit erforderlich Glimmverhalten
Die baurechtlichen Anforderungen mussten nun den neuen europäischen Klassifizierungen zugeordnet werden. In der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB 2019, veröffentlicht im Januar 2020) sind die in Tabelle 5 dargestellten Festlegungen getroffen.
8 Anforderungen für Kabel
Kabel werden als Bauprodukte eingestuft, wenn sie mit einem Gebäude fest verbunden sind. In den meisten Fällen haben Kabel Kunststoffisolierungen und sind daher brennbar. Ein europäisches System für die Prüfung und Klassifizierung des Brandverhaltens von Kabeln und die relevante Produktnorm EN 50575 wurden veröffentlicht. Starkstromkabel und –leitungen sowie Steuer- und Kommunikationskabel für die dauerhafte Installation in Bauwerken fallen seit 10. Juni 2016 unter die Bauproduktenverordnung (BauPVO).
Für nicht brennbare Kabel wird der Heizwert wie bei anderen Baustoffen nach EN ISO 1716 bestimmt. Die Normen für die Prüfung brennbarer Kabel weichen von den Normen für die Prüfung von anderen brennbaren Baustoffen ab. Zusätzlich zum Beitrag zu Brandausbreitung, brennendem Abtropfen und Rauchentwicklung wurde von der EU die Bewertung der Azidität der Brandgase als Kriterium für die Beurteilung von Kabeln eingeführt. Dieser Parameter dient nicht der Bestimmung der Rauchgastoxizität, sondern der Ermittlung der Korrosivität. Ziel ist es, Schäden an Anlagen und Gebäuden durch Korrosion nach einem Brand zu begrenzen.
In der Norm EN 50399 und der Normenreihe EN 60332 werden Prüfmethoden für die Bestimmung der Flammenausbreitung, der Wärmefreisetzung, der Rauchentwicklung und der Azidität der Brandgase von Kabeln festgelegt. Anforderungen bezüglich der Azidität werden jedoch nicht zwingend in allen EU-Mit-gliedsländern gestellt, da es im Rahmen des Baurechts möglich ist, aus den Kennwerten, die im CE-Zeichen anzugeben sind, die auszuwählen, die im jeweiligen Land und für den jeweiligen Anwendungsbereich als sicherheitsrelevant betrachtet werden.
Die Prüfnormen für das Brandverhalten sind:
– EN 60332-1-2 (Prüfung der vertikalen Flammenausbreitung mit 1 kW Flamme),
– EN 50399 (Prüfung der Flammenausbreitung, Wärmefreisetzung und Rauchentwicklung mit einer 20,5 kW bzw. 30 kW Flamme),
– EN 61034-2 (Messung der Rauchdichte von Kabeln),
– EN 60754-1 und -2 (Aziditätsprüfung).
Die Klassifizierung erfolgt entsprechend der Norm EN 13501-6.
In Deutschland wird grundsätzlich für Kabel Normalentflammbarkeit gefordert. Nur für Leitungsanlagen in notwendigen Treppenräumen oder Fluren legt die MLAR (Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie) teilweise höhere brandschutztechnische Anforderungen fest. Bezüglich der Azidität werden in Deutschland keine Anforderungen gestellt. Die baurechtlichen Anforderungen werden durch die in Tabelle 6 dargestellten Klassifizierungen erfüllt.
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