„Ich werde mit Jack und Paddy sprechen“, sagte Luke. „Ich glaube nicht, daß sie sich auf die Seite der Franzosen schlagen werden, wenn es hart auf hart geht. Und neutral können sie auch nicht bleiben.“
„Tu das“, sagte Ferris. „Zwei Mann mehr können nicht schaden. Auch wenn Ed allein mit den Schneckenfressern fertig werden würde.“
„Ja, ja“, murmelte Jeff Bowie. „Unser Profos und die große Schnauze von seinem Papagei.“
Carberry blickte ihn drohend an, sagte aber nichts. Schließlich konnten sie gerade jetzt keinen Streit unter sich gebrauchen. Aber irgendwann würden sie wieder ein eigenes Schiff haben, und dann würde er Jeff übers Deck jagen, bis ihm das Wasser im Hintern zu kochen begann!
Jesus Valencia wußte, daß seine Karriere als Offizier der Spanischen Marine so gut wie beendet war, als er den Haß in den Augen seines Kapitäns Juan de Faleiro sah.
Sein Geiergesicht war verzerrt, die Mundwinkel waren weiß von getrocknetem Speichel. Er hatte die Perücke abgenommen und sah jetzt aus wie ein Gift und Galle spuckender Gnom aus der Unterwelt. Es fehlen ihm nur noch die Hörer, dachte Jesus Valencia.
„Sie wissen, warum ich Sie zu mir in die Kammer gebeten habe, Señor Valencia?“ begann er mit schleimiger Stimme, aber der Erste Offizier hörte die Boshaftigkeit, die in seinen Worten mitschwang.
„Ich bin mir keiner Schuld bewußt, Señor Capitán“, erwiderte er gepreßt.
„So.“ Juan de Faleiro erhob sich abrupt und ging hinter dem Tisch, auf dem eine Karte ausgebreitet lag, hin und her. „Sie finden es also völlig in Ordnung, wenn ein Untergebener seinem Vorgesetzten in Gegenwart der Mannschaft widerspricht und sogar Befehle verweigert.“
„Ich werde jeden Ihrer Befehle befolgen, Señor Capitán“, sagte Jesus Valencia, „wenn er nicht gegen mein Gewissen oder meinen Glauben verstößt.“
„So. Sie glauben also, daß ein Befehl, der der Erhaltung der vollen Manövrierfähigkeit und Gefechtsbereitschaft des Schiffes dient, gegen Ihren Glauben verstößt?“
„Der Tod der vier Rudersklaven war unnötig“, entgegnete Jesus Valencia fest. „Soweit mir bekannt ist, lautet unsere Order, nach geeigneten Handelsstützpunkten im östlichen Mittelmeerraum zu suchen und wenn möglich, mit den jeweiligen örtlichen Stellen Verträge abzuschließen. Die ‚San Antonio‘ ist nicht dafür ausgerüstet, französische Handelsfahrer zu kapern.“
Die weißen Flecken in den Mundwinkeln des Kapitäns wurden größer. Jesus Valencia kannte das. Gleich würde der Glatzkopf explodieren.
„Das ist Insubordination!“ kreischte de Faleiro. „Sind Sie sich eigentlich darüber im klaren, daß ich Sie an die Rah hängen lassen könnte? Sie haben nicht zu entscheiden, welche Aufgabe für die ‚San Antonio‘ wichtiger ist! Wissen Sie eigentlich, was die Engländer, die sich an Bord des Franzosen befinden, der Spanischen Krone angetan haben? Auf jeden ihrer Köpfe ist eine hohe Belohnung ausgesetzt!“
„Woher wollen Sie wissen, daß es sich um diese Engländer handelt, Señor Capitán?“ fragte der Erste Offizier.
„Haben Sie nicht den Ruf ‚Arwenack‘ gehört?“ Juan de Faleiro blickte seinen Ersten Offizier nicht mehr an. Er schien mit seinen Gedanken weit fort zu sein. Sein Gesicht hatte sich zu einer Grimasse des Hasses verzerrt, als er flüsternd sagte: „Ihr Kapitän, den sie Seewolf nennen, stammt aus Falmouth an der Küste Cornwalls. Er ist mit Drake gefahren, diesem Hundesohn, der unsere Kolonien in Westindien geplündert hat.“ Sein Blick war jetzt wieder klar und voll auf Jesus Valencia gerichtet. „Und Sie meinen, ich hätte kein Recht, diese Feinde Spaniens zu jagen?“
Jesus Valencia schwieg. Er wußte, daß Juan de Faleiro in der besseren Position war. Wenn es stimmte, was er behauptete, dann würde er immer Recht erhalten, wenn es hart auf hart ging. Dann würde ihn ein Marinegericht sogar freisprechen, wenn er ihn hier in der Kammer erschoß.
Der Kapitän sah, wie es in Jesus Valencia arbeitete. Ein häßliches Grinsen breitete sich auf seinem Geiergesicht aus. Er wußte, daß er wieder obenauf war, und er war entschlossen, Valencia für seinen Widerspruch zu demütigen.
Er wollte etwas sagen, doch in diesem Moment verstummte wieder der dumpfe Trommelschlag, der den Takt für die Ruderer angab.
Mit ein paar Schritten war Juan de Faleiro an seinem Ersten Offizier vorbei und stieg den Niedergang zur achteren Plattform hinauf.
Er hörte das laute Geschrei und das Klirren der Ketten durch den stärker werdenden Wind. Eine Peitsche klatschte auf den Rücken eines Ruderers, der sich schreiend krümmte.
Juan de Faleiro sah vorn auf dem Laufgang die Gestalt eines der Aufseher liegen. Sein nackter Rücken war blutüberströmt. Zwei andere Aufseher standen geduckt vor einem der Rudersklaven, der eine gebrochene Kette mit beiden Händen hielt und sie über seinem Kopf schwang.
„Teniente Ribera!“ brüllte Juan de Faleiro. „Schießen Sie den Kerl nieder!“
Der Teniente, der auf der vorderen Plattform neben einer Drehbasse stand, rührte sich nicht.
Die Stimme des Kapitäns überschlug sich vor Wut. Kaum ein Wort von dem, was er über die Lippen brachte, war zu verstehen. Er hastete auf den Laufgang und zerrte seine Pistole hervor, die er vorn im Gürtel seiner Hose stecken hatte.
„Zur Seite!“ brüllte er die beiden Aufseher an, die sich nicht an den Ruderer heranwagten. Die beiden gehorchten nur zu gern. Sie gaben dem Kapitän die Sicht auf den Rudersklaven frei, der immer noch seine Kette schwang, deren eines Glied er geknackt haben mußte.
Die Kugel aus der großkalibrigen Pistole des Kapitäns traf den Mann in die Brust und stieß ihn zurück gegen die drei anderen Ruderer, die mit ihm auf einer Duchts saßen. Sie schrien auf, als sie das Blut ihres Leidensgenossen an ihren Händen spürten, und einer von ihnen brüllte: „Schlagt endlich dieses Schwein von einem Kapitän tot!“
Ehe Juan de Faleiro reagieren konnte, war der Mann aufgesprungen, hatte die lose Kette aufgehoben, die dem Toten aus den Fingern geglitten war, und hieb damit auf de Faleiro ein.
Die Kette streifte den Kapitän an der linken Schulter und riß ihm das Wams entzwei. De Faleiro kreischte wie ein Schwein, das zur Schlachtbank geführt wird. Er stolperte und wäre fast auf der anderen Seite des Laufganges zwischen zwei Duchten gestürzt. Hände griffen instinktiv nach ihm, aber da fauchten die Peitschen der Aufseher durch die Luft und klatschten auf die Arme der Rudersklaven. Einer der Aufseher faßte nach dem linken Arm des Kapitäns und zog ihn auf den Laufgang zurück.
Schreiend riß sich Juan de Faleiro los. Der aufgerissene Ärmel seines linken Armes färbte sich dunkel von seinem Blut. Als er es sah, traten ihm die Augen aus den Höhlen. Der Zeigefinger seiner rechten Hand stach auf den Mann zu, der ihn mit der Kette getroffen hatte.
„Schließt ihn los!“ kreischte er. „Ich werde den verlausten Verbrechern zeigen, was es heißt, die Hand gegen den Kapitän zu erheben! Ich werde ein Exempel statuieren, daß euch Hundesöhnen ein für allemal die Lust vergeht, euch über Schläge und schlechte Behandlung zu beschweren!“
Er hastete den Laufgang zurück bis zum Tabernakel, neben dem Jesus Valencia stand und sich das Schauspiel ansah. Sein Anblick brachte Juan de Faleiro noch mehr in Rage. Er zitterte am ganzen Körper, und über seine flekkige Glatze lief der Schweiß in Strömen. Er wollte Valencia anschreien, doch dann durchzuckte ein Gedanke seinen Geierschädel. Das Zittern seines Körpers hörte von einem Moment zum anderen auf. Er drehte sich um und beobachtete, wie die Aufseher den Rudersklaven, der auf den Kapitän mit der Kette losgegangen war, zusammenschlugen und losschlossen. Zwei Seeleute trugen den schwer verwundeten Aufseher zur achteren Plattform. Der Mann war ohne Bewußtsein. Sein Rücken sah merkwürdig krumm aus, und Jesus Valencia, der mit zusammengekniffenen Lippen auf den Mann starrte, ahnte, daß die Kette dem Aufseher das Rückgrat gebrochen hatte.
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