Sie johlten und wieherten und grölten und lachten. Sie gleichfalls als Affen zu bezeichnen, wäre eine Beleidigung für diese Tiergattung gewesen.
Die Badjao waren ausgezeichnete Schwimmer und Taucher – von klein auf. Auch die Verletzten schafften es, den Strand zu erreichen, abseits der neun Kerle am Wasser, die nur darauf lauerten, ebenfalls mitzumetzeln. Nur die Toten trieben ab und sanken.
Igna, der Alte, aber ein zäher Alter, überlebte mit einem Messerstich in der Schulter. Er sammelte seine Leute, kümmerte sich um die Kinder und führte alle in tiefes Dickicht, wo sie in Sicherheit waren.
Eigentlich waren sie noch genug, um die neun Kerle bei den Balanghais zu überfallen und blitzschnell mit ihren drei Fahrzeugen zu verschwinden, bevor jene Teufel auf den Plattformen reagieren konnten. Aber sie hatten nicht gelernt, sich zur Wehr zu setzen. Sie kannten keine Kämpfe, weil ihre Welt in Ordnung war, eine Welt ohne Neid und Mißgunst, ohne Gier auf des anderen Besitz. Daß sich diese Welt zu verändern begann, ahnten sie nicht. Es war auch unvorstellbar für sie, denn wie sollte sich eine Welt verändern, die seit urdenklichen Zeiten so bestand, wie die Badjao sie kannten?
Mit acht jungen Frauen zogen die weißen Fremden ab. Sie waren „aussortiert“ worden und entsprachen der lüsternen Vorstellung des Pieter Hendrik Beeveren. Seine und seiner wüsten Kerle letzte Untat bestand darin, die Pfahlbauhütten in Flammen aufgehen zu lassen, bevor sie mit den drei Balanghais nach Süden segelten.
Nur etwa eine knappe Stunde vor diesem letzten Ereignis – also noch vor Morgengrauen – ankerten die „Santa Barbara“ sowie die beiden Schaluppen aus Davao an einer Stelle, die sich etwa anderthalb Meilen nördlich des holländischen Lagers befand. Philip Hasard Killigrew war entschlossen, dieses Lager auszuheben, die Kerle gefangenzusetzen und dem Kommandanten des kleinen spanischen Stützpunktes Davao zu übergeben.
Nach Don Juans Bericht – er führte die eine Schaluppe aus dem spanischen Stützpunkt – waren die Niederländer nunmehr ohne Fahrzeuge. Nachdem die Arwenacks im Verlauf des Vortags zwei Schaluppen der Kerle versenkt beziehungsweise zerstört hatten, war in der Nacht von Al Conroy eine dritte Schaluppe vernichtet worden, und zwar während eines Feuerüberfalls von Don Juans Einmaster aus auf das Lager der Holländer. Und die vierte Schaluppe hatten die Kerle selbst infolge einer Verwechslung zum Wrack zerschossen.
Mithin waren die Kerle ohne schwimmende Untersätze, es sei denn, sie bauten sich Flöße zusammen. Von dieser Möglichkeit ging Hasard aus, und darum wollte er die Kerle packen, bevor sie mit den Flößen auf Nimmerwiedersehen verschwanden. Daß sich die Kerle zu Fuß absetzten, mußte er auch einkalkulieren, aber er ging von der allgemeinen These aus, die besagt, daß Seeleute einen Horror vor Fußmärschen hätten. Das entsprach einer englischen Weisheit, die verkündete, der Seemann schwinge sich lieber bei Sturm zehn Stunden lang von Mast zu Mast, als daß er auch nur fünf Minuten lang an Land die Füße schwinge.
Hasard irrte – und etwa drei Stunden später hätte er sich für diesen Irrtum ohrfeigen können.
Sie ankerten hinter einer nach Norden hochgekrümmten Landzunge, die ihnen die Gewähr bot, vom Lager der Holländer aus nicht gesehen zu werden. Die Landzunge war üppig mit hohen und dichten Bäumen bestanden, hinter denen die Masten unsichtbar blieben.
Auch ein nach Norden sichernder Posten konnte die heransegelnden Schiffe nicht sehen, wenn sie unter Land blieben. Aber die Arwenacks mußten mit einem solchen Posten rechnen, wenn sie sich an das Lager heranarbeiteten.
Bis auf eine Ankerwache auf jedem Schiff setzten die Mannen mit Beibooten an Land. Hasard teilte drei Trupps ein. Einer unter Führung Don Juans sollte das Lager umgehen und sich von Süden nähern, einer unter Führung Ben Brightons sollte sich von Westen heranpirschen und einer von Norden. Diesen Trupp übernahm Hasard selbst. Bei ihm befand sich Batuti, der schwarze Riese aus dem fernen Gambia.
Als Signal, daß alle drei Gruppen vor Ort waren und das Lager umstellt hatten, vereinbarten sie das Keifen des Eisvogels, das sie alle kannten. Das durchdringende hohe „Tiit“ war leicht nachzuahmen. Außerdem hauste dieser Fischchenfänger am Strand in den Mangroven, und es konnte durchaus sein, daß er aus irgendwelchen Gründen noch vor Sonnenaufgang loszeterte.
Don Juans Trupp würde den weitesten Weg haben. Er selbst schätzte, in einer guten halben Stunde am Ziel zu sein. Zusammen mit Ben Brightons Trupp verschwanden er und seine Mannen, darunter Carberry, landeinwärts im Dickicht.
Hasard lauschte und lächelte dann in sich hinein. Die Arwenacks bewegten sich auf sehr leisen Sohlen – und im Gegensatz zu den fußmüden Seeleuten waren sie auch gute Marschierer, wie sie oft genug bewiesen hatten.
Er winkte seine Söhne heran, die Plymmie zwischen sich hatten, und flüsterte: „Ihr übernehmt die Spitze. Paßt dabei auf Plymmies Reaktionen auf. Es ist mit einem Posten zu rechnen. Ich hoffe, euer Wauwau wittert den Kerl, bevor der uns entdeckt.“
Die beiden Junioren reagierten unisono, und zwar zog Jung-Hasard die linke Augenbraue und Jung-Philip die rechte Augenbraue hoch, beide taten es auf unnachahmliche Weise, und es besagte zweierlei: Erstens fanden sie die Bezeichnung „Wauwau“ reichlich unpassend für ihre geliebte Hundelady, und zweitens war es völlig selbstverständlich, daß Plymmie den Kerl witterte, bevor er merkte, daß was im Busch war.
Und Jung-Hasard flüsterte – es klang ziemlich spitz: „Du kannst dich auf Plymmie verlassen, Sir.“ Er betonte das Wörtchen „Plymmie“ und setzte es somit gegen das Wörtchen „Wauwau“.
Aber Vater Hasard sagte nur trocken: „Dann ist es ja gut.“
Da zogen sie noch einmal die jeweiligen Augenbrauen hoch, um ihre Mißbilligung auszudrücken, wandten sich um und setzten sich in Marsch, natürlich genauso auf leisen Sohlen wie Don Juans und Ben Brightons Mannen. Plymmie hatten sie wieder zwischen sich.
Die Wolfshündin schnürte los, teils die Nase am Boden, teils den Kopf erhoben und die Dreiecksohren steil aufgestellt. Geschickt umging dieses Trio Hindernisse wie die ausgreifenden Luftwurzeln der Mangroven, aber stets bewegten sie sich so, daß sie vor sich Deckungen hatten.
Hasard und sein Trupp folgten. Sie behielten Plymmie scharf im Auge. Einmal verharrte die Hündin. Aber sie blickte zurück, als prüfe sie, ob auch noch alle da seien. Sie wedelte ein bißchen mit dem Schwanz – und zog weiter. Hasard hatte den Eindruck, daß sie sich jetzt schneller voranbewegte, aber das mochte täuschen. Tatsächlich war es Plymmie, die einen auch für die Mannen gangbaren Weg durch das Gestrüpp des Strandgürtels fand.
Einmal sprang sie jäh vor – und Hasard sträubten sich die Haare in der Erwartung, den Schuß zu hören, der vielleicht einen seiner beiden Söhne traf und umriß. Und schon hatte er die Pistole im Anschlag.
Plymmie schnappte zu und beutelte etwas, das sie im Fang hatte.
O Heiland! Eine winzige Maus!
Batuti, dicht bei Hasard, grinste, aber das sah Hasard nicht.
„Scharf, eh?“ flüsterte er seinem Kapitän zu.
Der senkte die Waffe und stieß zischend die Luft aus. Er mußte sich gewaltig am Leibriemen reißen. Nervös war er, verdammt noch mal. Vielleicht hätte er doch nicht den Söhnchen die Spitze überlassen sollen …
Es ging schon weiter, bevor Hasard den Gedanken weiterspinnen konnte. Die Maus war davongeflogen und zwischen Wurzeln gelandet – ein ähnliches Schicksal erleidend wie die Ratten an Bord der „Santa Barbara“, die sie aus der Bilge verjagt hatten und unter denen Plymmie gewütet hatte.
Und das Lager rückte immer näher. Wenn überhaupt, dann mußte Plymmie hier und jetzt den Posten wittern.
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