„Sie haben dir schöne Augen zugeworfen“, entgegnete die Queen schroff, „und sie haben dir ein bißchen nackte weiße Haut gezeigt. Das kannst du nicht verkraften. Ich weiß doch, wie scharf du darauf bist, mal so ein weißes Püppchen in die Finger zu kriegen. Wenn ich dich von der Leine gelassen hätte, wärest du längst mit einer von ihnen in die Büsche gegangen.“
„Du bist ungerecht“, sagte Caligula beleidigt, „du weißt genau, daß ich dir treu bin. An der Leine brauchst du mich schon gar nicht zu halten. Ich würde doch niemals …“
Die Black Queen unterbrach ihn mit einem belustigten Lachen.
„Ich fange an, die Sache witzig zu finden. Ein paar dreckige Huren widersetzen sich meinem Befehl. Und mein sehr verehrter Caligula schaffte es zusammen mit sechs ausgewachsenen Kerlen nicht, diese Schlampen zur Räson zu bringen.“
„Wie sollten wir das denn anstellen? Sollten wir sie etwa einzeln raustragen?“
Die Schwarze blies die Luft durch die Nase.
„Warte nur ab. Ich werde dir zeigen, wie man mit dem widerspenstigen Dirnenvolk umspringt. Aber vorher kümmern wir uns um die wichtigeren Dinge.“
Caligula zog die Schultern hoch und ließ sie wieder sinken. Bereitwillig folgte er seiner Gefährtin, als sie vorausging und in das Beiboot abenterte. Er war sicher, daß sie ihre Anordnung durchsetzen würde, denn Widerspruch duldete sie unter keinen Umständen.
Solange mit einem Angriff auf Tortuga zu rechnen war, sollten die fünfzig Mädchen in dem Notlager interniert werden. Caligula war in diesem Punkt völlig einer Meinung mit der Black Queen, auch wenn sie immer noch glaubte, daß er an den Mädchen einen Narren gefressen hätte. Sie durften unter den Männern keine Verwirrung stiften, solange Gefahr bestand. Die Kerle hatten sich darauf zu konzentrieren, Tortuga zu verteidigen. Nichts und niemand durfte sie von dieser Aufgabe ablenken.
Die Black Queen ließ sich zu den beiden Beutegaleonen pullen. Nacheinander inspizierte sie gemeinsam mit Caligula die „Buena Estrella“ und die „Vascongadas“.
Die Männer an Bord hatten prompte und gute Arbeit geleistet. Eine stattliche Zahl von Reserve-Geschützrohren hatten sie aus den Laderäumen auf das Hauptdeck gehievt. Jeweils sechs Rohre waren es auf beiden Galeonen. Einmastige Schaluppen, die aus der Hafenbucht stammten, lagen bereits längsseits, um die Geschützrohre zu übernehmen.
Caligula erläuterte den Schiffsbesatzungen die Pläne, die er entworfen hatte. Darin waren die Positionen eingezeichnet, auf denen die Geschützrohre in den Felsen von Tortuga in Stellung gebracht werden sollten.
Jene Männer, die den Zaun für das Mädchen-Lager gebaut hatten, waren inzwischen bereits damit beschäftigt, Behelfslafetten für die Bronzerohre zu zimmern.
In den Pulverkammern der beiden Galeonen lagerten noch immer ausreichende Munitionsvorräte. Der spanische Flottenverband war gut ausgerüstet gewesen, als er Cartagena verlassen hatte, um El Triunfo in Stücke zu schießen. Die Mengen an Pulver, Blei und Eisen hätten wahrscheinlich ausgereicht, um die Siedlung in Honduras zweimal zu zerstören.
Man konnte sich also leisten, einen Teil der noch vorhandenen Munition in die Felsen hinaufschaffen zu lassen. Jede der behelfsmäßigen Geschützstellungen mußte so gut ausgerüstet sein, daß ein Angriff erfolgreich abgewehrt werden konnte. Die Standorte der Geschütze waren von Caligula so ausgewählt worden, daß sich kein Angreifer der Insel nähern konnte, ohne nicht sofort wirkungsvoll beschossen zu werden.
„Gute Arbeit“, sagte die Black Queen anerkennend, als sie die Inspektion der „Vascongadas“ beendet hatte und gemeinsam mit ihrem Gefährten in das Beiboot abenterte. Eins der Geschützrohre wurde bereits mittels einer an der Großrahnock angeschlagenen Talje in einen Einmaster abgefiert. Es würde also nur noch wenige Stunden dauern, bis die Verteidigungsbereitschaft Tortugas in vollem Umfang gewährleistet war.
Caligula grinste selbstgefällig, denn er bezog das Lob auf sich allein. Auf den Gedanken, daß die Queen vor allem auch den Schiffsbesatzungen Anerkennung zollte, verfiel er nicht. Mit einer herrischen Handbewegung gab er den Männern auf den Duchten Order, loszupullen.
„Trotzdem können wir uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen“, sagte die Black Queen nachdenklich.
„Wie meinst du das?“ Er blickte sie von der Seite an.
„Zum Teufel, Caligula, streng deinen Grips ein bißchen an. Fürs erste sind wir gerüstet. Mit ein paar Angreifern wie diesen Bastarden von der Schlangen-Insel werden wir fertig. Aber das reicht nicht für die Zukunft. Tortuga muß zur Festung ausgebaut werden. Dazu gehört zum Beispiel, daß wir die Munitionsvorräte vergrößern.“
Caligula grinste breit. „Kein Problem. Bei nächster Gelegenheit schnappen wir uns ein paar fette spanische Galeonen. Du hast gesehen, wie die ihre Pulverkammern vollstopfen. Bei denen mangelt es an nichts.“
Die Black Queen antwortete nicht. Ihre Gedanken wanderten in die fernere Zukunft. Später, wenn sie ihre Machtansprüche in der Karibik endgültig gesichert hatte, würde sie mehrere Stützpunkte von der Art Tortugas besitzen.
Zuverlässige Verbündete würden die Gewähr sein, daß ihr Herrschaftsbereich funktionierte. Und einer dieser Stützpunkte würde die Schlangen-Insel sein. Das stand schon jetzt fest. Sie würde nicht eher ruhen, bis sie die Insel dieser verdammten Bastarde erobert hatte.
Eine knappe Viertelstunde war vergangen, als am Strand eine große Jolle zu Wasser gebracht wurde. Die Black Queen und Caligula erlebten den denkwürdigen Anblick nicht von Anfang an, da sie sich in die Kapitänskammer begeben hatten, um die Verteidigungspläne für Tortuga zu verfeinern.
Auf der „Caribian Queen“, der „Aguila“ und den beiden Beutegaleonen hielten die Männer mit ihrer Arbeit inne, um das Schauspiel zu beobachten.
Nicht weniger als acht Männer aus El Triunfo wurden eingesetzt, um das große Boot in sein Element zu bringen. Das lag jedoch keineswegs am Eigengewicht der Jolle.
Der Koloß, den sie alle kannten, wuchtete sein Lebendgewicht bereits an Land auf die mittlere Ducht. Unter den Kiel des Bootes waren Rundhölzer gelegt worden, und an jeder Seite hielten zwei Männer die Balance, während die übrigen vier am Spiegel Aufstellung nahmen und mit aller Kraft schoben.
Willem Tomdijk, ehemals Bürgermeister von El Triunfo, hockte wie ein zwei Zentner schweres Monument auf der Ducht. Jeder anderweitige Versuch, ihn an Bord zu bringen, hätte unweigerlich zum Kentern des Bootes geführt.
Es war eine schweißtreibende Aufgabe für die Helfer, die Jolle bis zur ausreichenden Wassertiefe zu bugsieren. Minutenlang knirschte der Kiel über den Sand, und einmal sah es aus, als würde das schwerbeladene Wasserfahrzeug steckenbleiben. Dann jedoch war es geschafft.
Willem Tomdijk wandte sich zu den anderen um und winkte ihnen zu. In seinem rosigen Jungengesicht lag energische Entschlossenheit. Das bedrohliche Schwanken des Bootes kümmerte ihn nicht, denn er konnte sich auf die Männer verlassen, die schnell genug zupackten, um ein Kentern zu verhindern.
Der füllige Mann, der aus Leeuwarden in den Niederlanden stammte, sah trotz seines enormen Körperumfangs aus wie ein unbedarfter kleiner Junge. Sein blondes Haar stand kurz und widerborstig auf einem mächtigen Schädel, wodurch der jungenhafte Eindruck noch verstärkt wurde.
Niemand war jemals in der Lage gewesen, sein Alter zu schätzen. Auch sah er keinen Grund, zu verraten, daß er fünfunddreißig Jahre alt war. Seine Leibesfülle ließ ihn älter erscheinen, während sein rosiges Gesicht das Gegenteil vermuten ließ.
Nur die listigen Augen Willem Tomdijks, die so schmutziggrau waren wie das Nordseewasser vor der Küste seiner Heimat, zeigten Menschenkennern etwas von seiner Raffinesse und Bauernschläue.
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