„Senor“, sagte Luis Benavente. „Ich melde mich freiwillig zum Suchtrupp. Lassen Sie mich mit in eins der Boote abentern.“
„Genehmigt“, erwiderte Don José. „Es ist gut, Männer wie Sie an Bord dieses Schiffes zu wissen, mein lieber Benavente.“
Florinda, dachte Luis Benavente, wenn ich dich erwische, werde ich versuchen, dich zu töten, denn es könnte sein, daß du etwas von dem, was ich mit dir vorhatte, ausplauderst!
Dan O’Flynn, der neben seinem Vater Donegal Daniel O’Flynn an der vorderen Querbalustrade der Back der „Isabella“ stand, hob plötzlich den Kieker ans Auge.
„Voraus ist ein Licht“, sagte er. „Sieht mir ganz nach der Hecklaterne eines größeren Schiffes aus.“
Der Alte spähte ebenfalls durchs Glas und entgegnete: „Ja, wir laufen genau auf diesen Bruder zu, und er scheint nicht so schnell wie wir zu sein, denn das Licht rückt näher.“
„Dad“, sagte Dan. „Er läuft überhaupt keine Fahrt. Ich schätze, er liegt beigedreht im Wind. Da sind noch ein paar kleinere Lichter vor seiner Bordwand, die anscheinend hin und her geschwenkt werden. Möchte wissen, was das zu bedeuten hat.“
„Möchte wissen, wie du das auf die große Entfernung siehst“, sagte der Alte. „Ja, man wird eben älter.“ Er drehte sich um und rief: „Sir, wir haben da ein Schiff vor uns, und ich will einen Hut fressen, wenn das kein fauler Hund ist!“
„Ich komme“, entgegnete Hasard. Bevor er das Achterdeck verließ, drehte er sich jedoch zu Ferris Tukker um und sagte: „Ferris, blas mal schnell die Hecklaternen aus. Wer immer der Fremde ist, es ist auf jeden Fall ratsam, sich ihm ohne Licht zu nähern.“
„Aye, Sir. Soll ich auch schon meine Höllenflaschen bereithalten?“
„Wir versuchen, dem Burschen auszuweichen“, sagte der Seewolf. „Unsere Fahrt zur Schlangen-Insel soll rasch und reibungslos verlaufen. Wir schlagen uns nicht mit jedem Spanier oder Portugiesen oder hergelaufenen Freibeuter herum, falls er uns nicht angreift.“
„Das war mir klar“, gab Ferris, der rothaarige Schiffszimmermann, zurück. „Ich finde nur, es könnte ein Fehler sein, nicht rechtzeitig genug gefechtsklar zu sein.“
„Ich sage schon rechtzeitig genug Bescheid, falls es brenzlig zu werden droht.“
„Danke, Sir“, sagte Ferris und wandte sich ab, um schleunigst die Hecklaterne der „Isabella“ zu löschen.
Hasard stieg auf die Kuhl hinunter und trat zu Carberry. „Ed, von jetzt an kein lautes Reden mehr, verstanden? Ich will, daß es hier mucksmäuschenstill ist. Wir pirschen uns an den Kameraden dort drüben heran und schauen ihn uns mal ein bißchen an, ohne daß er von uns etwas merkt.“
„Aye, Sir.“ Carberry zeigte klar, wandte sich der Crew zu und zischte: „Maul halten, ihr Kakerlaken, klar? Für die nächsten zwei Glasen will ich euer verdammtes Geschrei nicht mehr hören, da will ich jeden Floh husten hören, sonst gibt es was quer über die Rippen und ich ziehe euch Rübenschweinen die Haut in Streifen von euren Hintern.“
„Wir folgen deinem Beispiel, Profos“, sagte Matt Davies. „Du brüllst ja bekanntlich nie.“
„Wie war das, Mister Davies?“
„Ich sagte, man muß deine Ruhe und Gelassenheit bewundern.“
„Paß bloß auf, daß ich dich wegen deiner Sprüche nicht mal unangespitzt in die Kuhl ramme“, brummte Ed Carberry.
Hasard war unterdessen zur Back weitergegangen. Plötzlich bemerkte er die Zwillinge neben sich. Es war erst ein paar Minuten her, daß er ihnen die Leviten gelesen hatte. Tatsächlich hatte er ihnen auch angedroht, daß sie beide im Kabelgatt landeten, wenn sie noch einmal einen Streich wie den mit der Radschloßpistole ausheckten. Das hatte gesessen und gewirkt. Philip und Hasard hatten eingesehen, daß sie „gewaltigen Mist gebaut“ hatten.
Sehr bescheiden fragte Hasard Junior daher: „Dad, dürfen wir mit auf die Back?“
„Dad, sag nicht nein“, bat Philip Junior. „Wir betragen uns ordentlich.“
„Zu welchem Dienst seid ihr gerade eingeteilt?“ wollte er wissen.
„Zu keinem, Sir“, antwortete sein Sohn Hasard. „Mit dem Aufklaren in der Kombüse sind wir pünktlich fertig gewesen, du kannst den Kutscher fragen.“
Der Seewolf lächelte. „Nicht nötig. Wenn ihr mir versichert, daß alles seine Ordnung hat, glaube ich euch.“
Sie enterten gemeinsam die Back, und hier blickte der Seewolf durch sein Spektiv und konnte das fremde Schiff in der Ferne liegen sehen.
„Ein Dreimaster, soweit man es im Licht seiner Achterlaterne erkennen kann“, sagte er.
„Eine spanische Galeone, wage ich zu behaupten“, meinte Dan O’Flynn. „Ich kann ihre Aufbauten ziemlich gut erkennen, und daraus läßt sich so einiges schließen. Nur ist mir nicht klar, was ihre Besatzung tut. Eben haben die Burschen aufgehört, mit ihren Laternen zu hantieren. Ich schätze, sie suchen etwas – aber was? Jetzt wird etwas abgefiert. Ein Boot, wenn mich nicht alles täuscht.“
„Das wird ja immer spannender“, murmelte der alte O’Flynn. „Hölle, das geht nicht mit rechten Dingen zu.“
Die Zwillinge hüteten sich, etwas zu äußern. Ein Decksjunge hatte eigentlich nur zu reden, wenn er was gefragt wurde, so lautete eins der ungeschriebenen Bordgesetze. Es galt auch für die Söhne des Seewolfs, denn von jetzt an wurden sie nicht besser und nicht schlechter als jeder Moses behandelt, und es war schon eine große Ausnahme, wenn ihr Vater sie zum Ausschauhalten mit auf die Back nahm.
„Langsam werde ich auch neugierig“, sagte der Seewolf. „Wir können ohnehin nicht mehr in Luv an dem Don vorbeisegeln, wir müßten kreuzen, um es zu schaffen, und würden dabei nur Zeit verlieren. Nein, wir passieren ihn in Lee, und bei dieser Gelegenheit inspizieren wir ihn genau.“
„Ich glaube nicht, daß er uns schon entdeckt hat“, sagte Dan. „Wir haben unsere Hecklaterne rechtzeitig genug gelöscht. Wir können uns heimlich und unbemerkt an ihn heranpirschen.“
„Ob der einen Schatz hebt?“ fragte sein Vater.
„Das wäre ein Grund für uns, ihn noch genauer in Augenschein zu nehmen“, erwiderte Hasard grinsend.
„Vielleicht ist ihm auch jemand über Bord gegangen“, meinte Dan.
„Was, bei der ruhigen See?“ wunderte sich der Alte.
„Ich meine, der Betreffende könnte ja auch freiwillig gejumpt sein“, er widerte Dan. „Vielleicht ein Meuterer, der zu den Azoren türmen will …“
„Hört sich sehr vage und versponnen an“, sagte Old O’Flynn. „Also, warten wir lieber ab, bis wir näher heran sind.“
Etwas später hatte die „Isabella“ die spanische Galeone Steuerbord voraus von sich liegen und schickte sich an, mit mäßiger, ruhiger Fahrt auf kaum mehr als eine Meile Distanz an ihr vorbeizusegeln.
„Jede Einzelheit kann man jetzt im Bereich der Hecklaterne erkennen“, stellte Dan O’Flynn fest. „Ich sehe da zum Beispiel einen Mann mit Perükke, der seiner Kluft nach nichts anderes als ein echter spanischer Capitán sein kann. Ich habe mich also nicht getäuscht. Fragt sich nur noch, wie das Schiff heißt. Aber das kriegen wir sicher auch noch heraus. Die Aufschrift an seinem Heck kann ich aber doch nicht entziffern …“
„Ist nicht so wichtig“, sagte der Seewolf. „Sicher ist, daß wir keinen Kriegssegler, sondern einen Kauffahrteifahrer vor uns haben, der obendrein nicht mal sonderlich gut armiert ist. Ich halte es für ein ziemlich großes Wagnis von diesem Capitán, mit den paar Kanonen in See zu gehen. Das sind ja nicht mehr als acht Stück.“
„An Mut scheint es ihm nicht zu fehlen“, meinte der alte O’Flynn. „Sicher handelt es sich um einen privaten Eigner, der im Auftrag der spanischen Krone, jedoch auf eigene Gefahr die Überfahrt in die Neue Welt angetreten hat oder gerade von dort zurückkehrt. Anderenfalls würde das Schiff garantiert im Konvoi segeln.“
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