Dabei konnte der Schiffszimmermann von Tucker einiges lernen, was Schnelligkeit und äußerste Genauigkeit betraf, denn Big Old Shane und Tukker waren ebenfalls aufeinander eingespielt, so daß alles reibungslos und ohne große Worte verlief und der Zimmermann sich immer wieder verblüfft den Schädel kratzte, wenn er Tucker bei der Arbeit zusah. Der rothaarige Kerl schien den ganzen Tag nichts anderes zu tun, als neue Bugspriets einzusetzen.
Und wenn er seine riesengroße, beängstigend scharfe Axt hoch über den Kopf schwang, dann schlug er nie daneben, und traf immer genau das, was er auch wollte.
Der Respekt vor den Seewölfen wuchs, gleichzeitig aber bemerkte die Mannschaft auch, daß der Admiral immer wieder nachdenklich auf die Seewölfe blickte und seine eigene Crew fast geringschätzig musterte. Sie alle wußten, daß sie sich von diesen Kerlen eine große Scheibe abschneiden konnten, denn die hatten es ihnen in dieser Nacht überdeutlich bewiesen, was echte Seemannschaft hieß.
Einige vertrugen das nicht, andere nahmen es gelassen hin, und der Rest war ziemlich beschämt.
Im Morgengrauen ging es ankerauf, und die Segel wurden gesetzt. Beide Schiffe schwangen auf Südkurs und nahmen Fahrt auf.
Das erste Schiff, das im Laufe des Morgens gesichtet wurde, war die „Dreadnought“ unter Kapitän Robert Seymour, die von Norden heransegelte und sich dem Flaggschiff anschloß.
Die „Elizabeth Bonaventura“ und die „Isabella“ segelten langsam weiter, damit die anderen Zeit hatten, aufzuschließen.
Etwas später gesellten sich die „Rainbow“ unter Kapitän John Wight, die „Golden Lion“ geführt von Vizeadmiral William Borough und zwei schwerarmierte Galeonen der Londoner Kaufleute hinzu.
Der Verband wuchs im Laufe des Tages weiter an, als weitere Segler hinzustießen. Einige der Schiffe, die für Aufklärungs- oder Wachdienste eingesetzt waren, lagen in der Größenordnung von fünfundzwanzig, fünfzig und hundert Tonnen.
Hasard sah immer wieder zu den Schiffen hinüber, die jetzt eine beachtliche Kampfkraft darstellten. Fast stündlich begann der Verband anzuwachsen.
„Wie hat Drake sich das eigentlich vorgestellt?“ fragte Ben Brighton den Seewolf. „Sollen wir zu allem Ja und Amen sagen, was er anordnet? Nehmen wir Befehle von ihm entgegen? Ich habe keine Ahnung, wie es weitergeht.“
„Drake ließ sich nicht genau darüber aus, er will erst eine Lagebesprechung ansetzen, sobald der Verband komplett ist. Ich bin bereit, kräftig mitzumischen, allerdings nicht unter Drakes Kommando, sondern frei und unabhängig. Das habe ich dem Admiral in aller Deutlichkeit zu verstehen gegeben.“
„Und wie hat er es aufgenommen?“
„Wie ich es erwartet habe. Er war leicht verärgert, versuchte aber, es sich nicht anmerken zu lassen.“
„Vermutlich, weil er in unserer Schuld steht. Drake kann so etwas nicht verkraften. Er ist der Admiral, und die anderen haben gefälligst zu gehorchen.“
„Er hat viel eingesteckt“, sagte Hasard, „und es hat ihm auch zu denken gegeben. Ich weiß nicht, ob er seine Ansicht über uns revidiert hat, ich weiß auch nicht, was er denkt, ich kann nur Vermutungen anstellen. Ein Mann seines Kalibers begreift nicht, daß wir frei sein wollen, er sieht nur seine Karriere, die ihm über alles geht. Dabei verliert er etwas die Übersicht. Er denkt nicht sehr viel weiter, er führt das aus, was ihm aufgetragen wird und versucht ständig, Ruhm an seine Flagge zu heften, um noch besser und glorreicher dazustehen.“
„Ja, so wird es wohl sein“, sagte Ben nachdenklich. „In der Gesellschaft bornierter Höflinge und Intriganten färbt das alles ein wenig ab. Ich möchte in diesen Kreisen jedenfalls nicht verkehren.“
„Dazu wirst du auch kaum Gelegenheit erhalten. Wir bleiben, was wir sind, und eher holt mich der Teufel lotweise, als daß ich mich Drake unterstelle.“
„Konsequenz imponiert dem Admiral aber“, sagte Ben.
„Mag sein, es ist mir gleichgültig. Er wird es jedenfalls nie zugeben. Wir haben ihm bewiesen, was wir können, und daraus soll er Konsequenzen ziehen, wie er will. Ich liege mit Drake nur nautisch auf einem Kurs, und das nur vorübergehend. Geistig haben sich unsere Wege längst getrennt.“
Sie segelten weiter, den Tag hindurch, dann in die Dämmerung und in die Nacht hinein, und immer wieder stießen kleinere und größere Schiffe zu dem Verband.
Am 26. April erreichte der Verband siebzehn Meilen querab von Lissabon seinen Treffpunkt.
Noch immer stießen vereinzelte Schiffe zu ihnen, die im Lauf des Tages herankrebsten und sich anschlossen.
Die Ansammlung wurde größer und wuchs beängstigend an.
Ein einmastiger Segler von fünfundzwanzig Tonnen galt als verloren. Vermutlich war er bei dem fürchterlichen Sturm am Kap untergegangen. Niemand hatte ihn seither gesehen.
Am Nachmittag näherte sich ein kleines Boot der „Isabella“, in dem der Profos des Flaggschiffes saß. Er enterte auf und grüßte den Seewolf respektvoll.
„Admiral Drake läßt Ihnen seine Einladung zu der angesetzten Lagebesprechung überbringen, Sir, und fragt an, ob er mit Ihrer Anwesenheit rechnen kann.“
„Wo hast du denn diese geschwollenen Sätze her?“ fragte Carberry den Mann und grinste.
„Die habe ich auswendig gelernt“, knurrte der Profos. „Man hat sie mir zehnmal vorgekaut.“
„Ja, ich werde daran teilnehmen, lassen Sie den Admiral das wissen, Profos. Sind die anderen schon da?“
„Sie sind unterwegs, Sir?“
„Gut, fiert das Beiboot ab“, befahl Hasard. „Zwei Mann genügen, die mich hinüberpullen.“
Als der Profos wieder abenterte, grinste der junge O’Flynn.
„Dann wirst du dich ja in sehr erlauchter Gesellschaft bewegen, Hasard. Stinkvornehme Herren, denen der Kalk durch die Gebeine rieselt. Glaubst du, du wirst dich wohlfühlen?“
„Halt die Schnauze, Mister O’Flynn“, sagte Carberry gemütlich, „sonst stopfe ich sie dir! Der Seewolf ist keinem unterstellt, egal, was die Kerle auch immer denken, kapiert!“
„Was, wie?“ sagte Dan. „Das hast du eben noch vergessen.“
Carberry, trat einen Schritt vor, aber Dan räusperte sich nur und drehte sich um. Grinsend verschwand er.
„Ich werde mich ganz sicher nicht wohlfühlen“, sagte Hasard. „Da hat Dan ganz recht, ich bin es nicht mehr gewohnt.“
„Du wirst schon mit ihnen fertig, wenn sie überhaupt etwas von dir wollen“, meinte Brighton. „Die trauen sich doch gar nicht, sich mit dir anzulegen.“
Etwas später war das Boot unterwegs und pullte dem Flaggschiff entgegen, wo bereits andere Boote lagen. Neue gesellten sich hinzu, und Hasard sah die ersten Kapitäne, die oben an Deck empfangen und zu Drakes Kammer geleitet wurden.
Einige waren stutzerhaft gekleidet und hatten hochmütige und blasierte Gesichter aufgesetzt.
Als Hasard in Drakes Kammer erschien, verstummte das Geraune, und alle Augen starrten ihn an.
Er gab den Blick gelassen zurück, zählte einschließlich Drake, fünfzehn Kapitäne und nickte ihnen zu. Auch Fenner war dabei, der den Seewolf mit einem wohlwollenden Blick bedachte.
Drake erhob sich und deutete auf den Seewolf. In der Kammer wurde es totenstill.
„Ich möchte Ihnen Kapitän Philip Hasard Killigrew vorstellen, Gentlemen“, sagte er, „von der ‚Isabella acht‘.“
Mißtrauische Blicke wurden auf den Seewolf gerichtet, die ehrenwerten Herren murmelten etwas und blickten ziemlich hochmütig und arrogant aus ihrer Kleidung.
Drake stellte nun seinerseits die Gentlemen mit einer schnellen Handbewegung vor, aber Hasard konnte die Namen, die da auf ihn einprasselten nicht alle behalten. Lediglich ein Mann stach aus der Menge hervor: William Borough, der Kommandant der „Golden Lion“, der dem Seewolf freundlich zunickte.
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