„Keine Ursache“, sagte Hasard ebenso kalt. „Dann darf ich mich wohl von Bord melden.“
„Heißt das, Sie haben nicht die Absicht, für England zu kämpfen?“ rief Drake mit rotem Kopf.
„Sie haben mich mißverstanden, Admiral. Natürlich werde ich jederzeit für England kämpfen, aber ich möchte nicht das Leben meiner Männer vorsätzlich gefährden, indem ich mich einem närrischen, planlosen Unternehmen anschließe. Ich sehe darin leider keinen Sinn, Sir! Es war mir ein Vergnügen, Gentlemen.“
Aus den Augenwinkeln registrierte Hasard, wie die erlauchten Gentlemen in eine merkwürdige Starre verfielen, wie Drake einen puterroten Kopf kriegte und pausenlos schluckte und Kapitän William Borough ganz offen grinste und alle Mühe hatte, über Killigrews Worte nicht laut zu lachen.
Drake stand wie festgeschraubt am Tisch, sah ihm wütend nach und setzte sich empört, als Hasard den Raum verließ.
Nein, dachte der Seewolf, als er zur Kuhl ging, Konzepte dieser Art behagen mir ganz und gar nicht. Entweder legt Drake seine Karten offen auf den Tisch, so daß man jederzeit mitspielen kann, oder aber er deckt sie zu und spielt allein weiter. Deshalb setze ich nicht das Leben meiner Männer aufs Spiel. Das hieße nichts anderes, als Drake blindlings in seinem Kielwasser zu folgen und den Affen zu spielen.
Ein leichtes Lächeln lag auf Hasards Lippen, als er ins Boot stieg und sich zurückpullen ließ.
„Das ging aber schnell“, sagte Ed. „Veranstalten die anderen jetzt einen Saufabend?“
„Sie begnügen sich mit dummem Geschwafel und hören einem störrischen Hitzkopf zu, der gar nicht daran denkt, sie in seine Pläne einzuweihen. Ich habe die Karten hingeschmissen, Ed. Wir gehen ankerauf und lösen uns von dem Verband.“
„Richtigen Streit mit Drake?“ fragte der Profos.
„Meinungsverschiedenheiten. Wir haben grundlegend andere Ansichten. Während Drake irgendwo dort oben auf dem Mond hockt, stehe ich noch auf der Erde. Wir heizen den Dons selbst ein und gehen Kurs auf Cadiz.“
„Das wird Drake aber freuen, Sir.“
„Sicher, er hatte ja schon lange nichts mehr zu lachen. Mir ist dieses bornierte Hornochsengeschwader zuwider, bis auf eine Ausnahme, und das ist Kapitän Borough. Der nimmt kein Blatt vor den Mund und wird mit Drake noch öfter zusammenrasseln.“
Auf der „Isabella“ wurden kurz darauf der Anker gehievt und die Segel gesetzt.
In diesem Augenblick sah Hasard auch, wie Kapitän Borough über das Deck stürmte und das Flaggschiff verließ. Die anderen blieben noch und redeten Drake vermutlich so nach dem Maul, wie er es wünschte.
Außerdem hatte Drake schamhaft verschwiegen, auf welche Art und Weise er den Seewolf erneut kennengelernt hatte. Von der Sandbank und der blamablen Niederlage war kein einziges Wort gefallen, das hatte Drake immer noch nicht verkraftet.
Während die „Isabella“ weiterhin Südkurs lief, ließ der Seewolf vor seinem geistigen Auge noch einmal den Hafen Cadiz erstehen und überlegte sein Vorgehen.
Es wurde mit der gesamten Mannschaft genau besprochen.
Am 28. April 1587 erreichte die Galeone spät nach Mitternacht den Hafen und schlich ungesehen in eine winzige Nebenbucht südlich von Puerto de Santa Maria, genau der Stadt und Festung von Cadiz gegenüber. Dort versteckte sie sich und ging vor Anker. Zu dieser Zeit hielt Drake die zweite Besprechung ab und rasselte prompt mit Kapitän Borough zusammen.
„Sobald wir Cadiz erreichen“, sagte Drake, „wird es blitzartig und nach alter Freibeuter-Art überfallen, Gentlemen. Und damit Schluß und basta.“
„Ich muß Ihnen noch einmal widersprechen, Sir“, sagte Borough zum Entsetzen der anderen Kapitäne. „Ich sehe in diesem Überfall keinen richtigen Sinn, er scheint mir zu konzeptlos. Ich schließe mich der Meinung des offenbar sehr überlegt handelnden Kapitäns Killigrew voll und ganz an. Der Mann denkt in ganz anderen Dimensionen, er plant sorgfältig, wägt ab und trifft dann seine Entscheidung. Das hat ihn auch bis heute am Leben erhalten, und ich bedaure es zutiefst, daß er uns verlassen hat und weitersegelte. Sie hätten auf ihn hören sollen, Sir!“
„Zum Teufel!“ brauste Drake auf. „Ich befehlige das Flaggschiff, Kapitän Borough, und ich verbitte mir jede Einmischung von Ihrer Seite. Ihr Befehl lautet ganz einfach und verständlich, dem Flaggschiff zu folgen, nicht mehr und nicht weniger.“
„Und was sollen wir sonst noch tun, wenn wir dem Flaggschiff folgen, Sir?“ fragte der Kapitän aufsässig.
„Sie sollen auf alle Spanier, die Sie sehen, feuern. Zu was, zum Teufel, haben Sie denn Ihre Kanonen!“
Borough verzog das Gesicht und ließ seinen Blick über die anderen Gesichter wandern, die zu jedem Wort Drakes nur nickten.
„Schön“, sagte er patzig, „dem Flaggschiff folgen und auf jeden Spanier feuern, sehr einleuchtend, Sir.“
„Damit ist die Besprechung beendet, Gentlemen“, sagte Drake. „Ich hoffe, Sie haben nun auch endlich begriffen, Kapitän.“
„Aye, Sir, jedes Wort. Es war ein völlig klarer Befehl, und demnach kann auch nichts schiefgehen.“
Hohn troff aus seinen Worten, als er ging, und um seine Mundwinkel lag ein verächtliches Zucken.
So wie Drake das plant, gibt es ein Malheur, dachte er. Aber bitte, er war der Admiral, er mußte ja alles besser wissen als die anderen, sonst hätte er es nicht so weit gebracht.
Noch spät in der Nacht, gegen Morgen fast, nahmen Dan O’Flynn und der Schiffsjunge Bill, der sich schon in der Bucht südlich von Cadiz so hervorragend bewährt hatte, in dem Boot Platz und pullten davon, um auszukundschaften, was sich im Hafen tat.
Im Morgengrauen stieß Dan den Jungen an.
„Siehst du es?“ fragte er. „Da tut sich etwas, Bill. Vier Galeeren rudern in die untere Bucht bei Port Real.“
Der Junge nickte aufgeregt. Sie hatten sich so vorzüglich verborgen, daß sie niemand sah, und selbst wenn man sie gesehen hätte, sie wären kaum aufgefallen.
„Und noch zwei rudern heran“, sagte Dan gleich darauf. „Mann, da tut sich wirklich eine ganze Menge. Du spielst wieder den Fühlungshalter zur „Isabella“, Bill!“
„Klar, sowieso, denen werden wir es schon zeigen, was?“
Dan entsann sich grinsend, wie der Bengel den Spaniern schon einmal einen üblen Streich gespielt hatte, an eine Galeere herangeschwommen war und dem verblüfften Kapitän eine haarsträubende Geschichte in allerbestem Spanisch untergejubelt hatte, auf die die Dons auch prompt hereingefallen waren. Der Bengel hat sich ganz schön gemausert, dachte er und beobachtete weiter, was sich vor ihren Augen tat.
Die sechs Galeeren ruderten heran. Gleichmäßig tauchten die Riemen ins Wasser, das Tam-tam des Schlagmannes war deutlich zu hören, und im beginnenden Morgengrauen erkannte man bereits die Gestalten auf dem Deck.
Es waren schwerbewaffnete Galeeren, und sie waren äußerst wendig und schnell, wenn es darauf ankam.
Jetzt sahen sie schon deutlicher, wie die Kriegsgaleeren mit mittlerer Geschwindigkeit in die untere Bucht ruderten.
Dan versuchte sich vorzustellen, wie Francis Drake es wohl anstellen würde, wenn er so völlig konzeptlos in den Hafen segelte.
Die Kriegsgaleeren konnten ihm und dem Verband zum Verhängnis werden, denn man sah sie von der großen Reede aus nicht.
Sie aber konnten blitzschnell heranschießen und das Feuer eröffnen.
„Zisch ab“, sagte Dan, „du hast selbst gesehen, wie sie hier aufmarschieren, und berichte dem Seewolf alles haarklein. Du kennst den Weg ja noch!“
„Und du? Bleibst du noch hier?“
„Ja, ich beobachte weiter, was sich tut.“
„Soll ich noch einmal zurückkehren?“ fragte Bill.
„Nicht nötig, ich kehre mit dem Boot zurück, sobald die ersten Mastspitzen an der Kimm auftauchen. Und jetzt hau endlich ab, Mann!“
Читать дальше