»Schweig still! Du willst etwas von mir. Dafür will ich von dir, dass du jetzt mit mir in den Keller gehst.«
Mit der Geißel zeigte sie auf die verstohlene Treppe im Flur. Anthony wich zurück, riss die Haustür auf und knallte sie hinter sich zu.
Er stolperte ein paar Meter weit über den Bürgersteig, ehe er zusammensackte. Sein Herz raste. Trotz der kühlen Nacht schwitzte er. Das durfte doch alles nicht wahr sein! Mit Sadomasochismus hatte er nie das Geringste zu tun gehabt. Dennoch meinte er zu wissen, worum es sich dabei handelte. Das Thema erfreute sich unter seinen Kollegen reger Beliebtheit, was es ihm nicht eben sympathischer machte. Sollten die anderen ihre Zeit sowie ihr Geld mit dem kruden Zeug um Hingabe und Auslieferung verschwenden. Aber er, er hätte sich niemals träumen lassen, jemals in diese bizarre Welt hineingezogen zu werden. Sein Blick fiel auf seinen neuen Wagen an der gegenüberliegenden Straßenseite. Er konnte nun einsteigen und das unheimliche Tal verlassen, was gleichzeitig den Ruin seines Filmstudios bedeutete, wenn die ursprüngliche Kleopatra-Besetzung nur halb so untalentiert war, wie er befürchtete. Oder er konnte wieder in den Bungalow gehen und sich dem Ungewissen aussetzen; einer Ungewissheit, für die er filmisch reichlich belohnt werden würde, daran hatte er keinen Zweifel. Er brauchte nicht weiter zu überlegen: Wenn er Erfolg haben wollte, musste er den Schritt tun. Das Pochen in seiner Brust hatte sich ein wenig beruhigt. Also raffte er seinen gesamten Mut zusammen, taumelte auf den Bungalow zu und klingelte. Sogleich öffnete ihm die Domina die Tür. Eilig zog sie ihn in ihr Reich.
»Schön, dass du entschieden hast zu bleiben. Nächstes Mal benutzt du die untere Klingel. Verstanden?«
»Ja«, stammelte Anthony.
»Ja, Herrin!«, sagte Severine streng. »Wiederhol das!«
»Ja, Herrin!«, äußerte er mühselig.
Die Domina grinste bis über beide Ohren.
»So gefällst du mir. Sind wir im Geschäft?«
»Ich fürchte«, stotterte er, »dass ich es immer noch nicht ganz kapiert habe.«
Severine kicherte verwegen – sie war auf einmal wie ausgewechselt – und erklärte: »Für jeden Tag in deinem Filmstudio verlange ich einen Abend von dir in meinem Domina-Studio. Studio gegen Studio. So einfach ist das. Wenn du willst, dass ich morgen komme, wirst du jetzt mit mir in den Keller gehen müssen.«
Er sah sie regungslos an. Sie wies ihm abermals mit der Peitsche die ins Untergeschoss führenden Stufen. Doch er konnte sich nicht rühren. Er war zu einer Salzsäule erstarrt.
Sie scharwenzelte um ihn herum. Dabei berührte sie ihn hin und wieder mit einer lederumhüllten Fingerspitze, mal an einem Arm, dann an seinem Rücken, schließlich am Oberschenkel. Zwar verzehrte sich Anthony nach ihren Berührungen, aber auf solche Begleitumstände war er nicht vorbereitet. Sie trat ganz nah an ihn heran und raunte in sein Ohr:
»Am liebsten würde ich dich dadurch beruhigen, dass ich sagen könnte, ich beiße nicht. Aber das wäre gelogen. Dennoch verspreche ich dir, dich später wohlbehalten freizulassen. Jetzt folge mir.«
»Nicht dass ich mich auskennen würde«, piepste Anthony, »aber soweit mir geläufig ist, müssten wir vorher über meine Grenzen sprechen – nicht wahr? Über das, was ich auf keinen Fall mit mir machen lasse.«
»Oho, da ist jemand im Bilde« – urplötzlich spürte er ihren Atem an seinem anderen Ohr – »was das betrifft, kannst du völlig unbekümmert sein: Als deine Ärztin weiß ich sehr genau, wieviel du verträgst. Über mehr brauchen wir nicht zu diskutieren. Ich dulde keine Extrawünsche.«
Ihm zog sich der Magen zu. Von Wünschen konnte nun wirklich keine Rede sein. Ein Zugeständnis erhielt er doch: »Sollte ich dich gleich überfordern, so lautet das Wort zum Abbruch bei mir ›Gnade‹.«
Anthony war nicht sicher, ob er dadurch in irgendeiner Weise erleichtert war. Jedenfalls löste er sich aus seiner Schockstarre und ließ sich in den Keller führen. Wortlos folgte er der Domina die Stufen hinab.
Unten angelangt betraten sie einen Raum mit mehreren lederüberzogenen Pritschen, stählernen Käfigen sowie einer Reihe bizarrer Werkzeuge an den Wänden. Bei genauerem Hinsehen entlarvten sie sich als Seile, Gurte, Handschellen und andere Instrumente, die er nicht zu definieren vermochte. Ganze Sortimente verschiedener Ketten, dicker und dünner, glänzender und matter, hingen von der Zimmerdecke herab. Er befand sich nicht in einem Keller, sondern eher in einem Kerker. Die Sadistin grinste unentwegt in diebischer Manier. Er begriff nicht; sie verdeutlichte: »Auch für mich ist es in gewisser Hinsicht eine Premiere. Ich hatte noch nie mit jemandem zu tun, der mir nicht nur im Spiel, sondern tatsächlich ausgeliefert ist. Ich spreche von deiner Muskelschwäche.« Ihre Augen blitzten erneut auf. »Du bist mir vollkommen ausgeliefert – jetzt erst recht!«
Anthony schluckte. Da schenkte sie ihm einen besänftigenden Blick. Mit einem Zeigefinger berührte sie ihn kaum merklich an der linken Wange.
»Hab keine Furcht, du wirst es überleben.«
»Wie gütig!«, krächzte er.
Sie schmunzelte.
»Ich gehe jetzt in ein Nebenzimmer. Wenn ich wiederkehre, will ich, dass du nackt auf dem Boden kniest, die Hände auf dem Rücken verschränkt. Ein bisschen kennst du’s ja bereits.«
»Nackt?«
»Ganz nackt. Deine Sachen kannst du da drüben auf den Stuhl legen. Bis gleich!«
Mit diesen Worten verabschiedete sie sich vorübergehend von ihm, damit er sich auf die Sitzung vorbereitete. Anthony befand sich mitten in einer neuen Welt, mit der er noch nichts anzufangen wusste.
Zweiter Teil
Anthony spähte nach allen Seiten. Er fragte sich, ob ihm ein schlechter Traum zusetzte. Vielleicht lag er immer noch im Krankenhaus; womöglich verarbeitete auf diese Weise seinen Unfall. Da aber auch die Eventualität bestand, dass er nicht träumte, und weil er unbedingt einen erfolgreichen Film drehen wollte, zog er sich tatsächlich aus. Dann kniete sich auf den Fliesenboden. Die Hände kreuzte er wie befohlen hinter dem Rücken. Bei der Vorstellung, dieser Frau völlig entblößt gegenüberzutreten – oder vor ihr zu knien –, war ihm nicht ganz wohl. Andererseits hatte sie ihn bereits mit nichts weiter als einer von ihr selbst ausgesuchten Badehose gesehen. Auch sein Schritt war ihr nicht völlig fremd … Wozu also noch Scham? Es war nicht so, als ob Severine nicht attraktiv wäre. Doch genau das machte ihm Angst.
Plötzlich stand die Domina vor ihm.
»Wunderbar«, sprach sie, »nun zur ersten Lektion: Um dir deinen Sarkasmus auszutreiben, will ich, dass du Demut lernst. Daher wird deine erste Übung sein, mir die Stiefel zu küssen.«
Sie zeigte auf ihr Schuhwerk. Er sah Severine kurz an, beugte sich und küsste ihr widerwillig einen Stiefel.
»Das geht auch besser!«, knurrte sie.
Den nächsten Stiefel küsste er folglich mit etwas mehr Elan.
»Gut!«, urteilte sie. »Steh auf!«
Er stellte sich hin.
»Als nächstes wirst du lernen, nur noch dann zu reden, wenn ich es dir erlaube. Du antwortest nur mit ja oder nein. Hast du das verstanden?«
Er antwortete mit »Ja«.
»Ja, Herrin!«
»Ja, Herrin.«
»Gib mir deine Arme!«
Er hielt sie ihr hin. Severine legte seine Handgelenke in breite Lederbänder, die sie fest zuzurrte.
»Beine auseinander!«
Auch die Fußgelenke bekamen dicke Gurte. Anschließend legte sie ihm eine lederne Halskrause an. Sie zog energisch an beiden Schnallen, indes ohne ihn zu würgen. Sie wusste offensichtlich, was sie tat. Zumindest das beruhigte ihn. Nun holte sie etwas Großes, Klobiges hervor. Ihm leuchtete zunächst nicht ein, wozu das Ding gut sein sollte. Gleich darauf war er schlauer.
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