1 ...7 8 9 11 12 13 ...26 »Herr Wilms, ich habe schon ganz andere Hollywoodgrößen behandelt; am Ende waren sie alle handzahm«, zischte Miss Folder nicht minder aufgebracht. »Legen Sie sich nicht mit mir an. Das ist meine letzte Warnung! Ich meine es auch ernst. Keineswegs will ich mich an Ihnen rächen. Sie vertragen noch keine kalorienlastige Kost. Sie hatten einen schweren Unfall. Was Sie brauchen, ist körperliche Ertüchtigung, die wir Ihnen in unserem Hospital bieten können – und werden. Nebenher machen wir die Tests. Wenn Sie sich konzilianter verhalten sollten, werde ich schauen, was ich tun kann, um die Tests etwas weniger monoton zu gestalten. Ihr Angebot ehrt mich wirklich. Aber ich bin niemand, den man einfach haben kann. Außerhalb der Klinik lasse ich mich von niemandem irgendwohin zitieren. Davon abgesehen bin ich nicht im Geringsten interessiert. Gute Nacht!«
Wie beim letzten Mal warf sie die Tür hinter sich zu. Anthony blieb mit heruntergefallener Kinnlade zurück. »Schon ganz andere Hollywoodgrößen«. Wie verletzend das klang! »Meine letzte Warnung«. Daran zweifelte er nicht. »Ich lasse mich von niemandem irgendwohin zitieren«. Ihn erwartete noch ein schweres Stück Arbeit. Er musste gegen seinen Zynismus ankämpfen und die störrische Folder gütlich überreden. Wenn es nicht anders ging, musste er sie gar anflehen, seine Kleopatra zu werden. Von allen weiblichen Wesen, von denen sich die meisten um eine Hauptrolle in einer Hollywood-Produktion im Schlamm prügeln würden, musste er ausgerechnet an die Kratzbürste in Person geraten. – Dann waren da noch ihre geheimnisvoll sinnlichen Berührungen, die ihm beinahe den Verstand raubten.
Majestätisch schlängelt sich das satinblaue Band namens Nil durch die ausgedörrte Landschaft. In der gleißenden Mittagshitze flirren die Umrisse der Pyramiden von Gizeh, Zeugnisse vergangener Größe und Macht. Jetzt herrscht eine neue Dynastie über Ägypten, fernab der alten Hauptstädte Theben und Memphis.
In ihrem legendären, heute im Meer versunkenen Palast in Alexandria kämpfte Kleopatra um das Überleben ihres Reichs sowie um ihr eigenes. Das einzige, was sie vor einer Invasion schützte, war der römische Bürgerkrieg zwischen Cäsars selbsternannten Erben. Derselbe Cäsar, der ihr einen Sohn geschenkt hatte, lieferte den Römern einen Vorwand für ein Einrücken in Ägypten. Der Sieger im römischen Bruderkampf, welcher es auch sei, würde Cäsars Sohn nicht am Leben lassen, sobald Alexandria und somit ganz Ägypten gefallen waren. Dass Ägypten fiel, stand fest. Hätte nicht ohnehin einer von Kleopatras Vorgängern das Land den Römern testamentarisch vermacht, wäre es bereits jetzt zu einer von vielen Provinzen des Imperium Romanum degradiert worden. Es war die letzte noch nicht von Rom annektierte Macht am Mittelmeer. Kleopatras Beziehung zu Cäsar, die ihr den Thron gesichert hatte, wurde ihr nun zum Verhängnis. Sobald sich die Römer auf einen neuen Diktator geeinigt hätten, würden sie wie Heuschrecken über das Land der Katzen hereinbrechen. Ihr blieb nur eins: das Unvermeidliche so lange wie möglich hinauszuzögern und wie eine Königin zu sterben. Einen Ausweg gab es nicht.
»Gegen wen wollen Sie denn mit allen Mitteln kämpfen?«, fragte Miss Folder vergnügt. »Sparen Sie Ihre Kräfte lieber für das Training!«
Anthony schrak auf. Eben noch wähnte er sich im antiken Ägypten; jetzt sah er direkt in die entwaffnenden Glutaugen seiner wachhabenden Ärztin. Diesmal verrieten sie so etwas wie Milde.
»Was … wo … wer …?«, rief er.
»Ganz ruhig«, sagte Miss Folder. Sie drückte ihn mit einer Hand sanft in Liegeposition zurück.
Wieder diese Hand … Die Erinnerung an den Vortag stellte sich sofort ein. Er stöhnte.
»Nicht ich kämpfe, sondern Sie.«
Miss Folder hob ihre pechschwarzen Augenbrauen.
»Ich?«
Anthony ärgerte sich über seine eigene Verwirrung. »Nicht Sie direkt. Kleopatra kämpft gegen das Schicksal.«
»Nicht ich direkt?« Ihre linke Braue senkte sich, ihr Blick wurde fester.
»Ent…schuldigen Sie, ich bin etwas durcheinander. Eigentlich wollte ich erst später mit Ihnen darüber reden. Wieviel Uhr ist es?«
»Schon wieder eine Entschuldigung?« Ihre Augen blitzten auf. »Es ist 6 Uhr 30 morgens. Sie haben eine halbe Stunde zum Frühstücken und Waschen.«
Frühstück? Doch wohl nicht schon wieder Tofu! Ihm stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben.
Sie kicherte verstohlen. »Mögen Sie etwa keinen Toast? Es gibt sogar etwas bekömmlichen Kaffee.«
Toast, Kaffee? Das klang genießbar. Unweigerlich atmete er aus. Sie lachte laut und setzte ein Tablett auf den Beistelltisch. Während sie sein Kopfende hochfuhr, sprach sie heiter:
»Ich will, dass Sie gestärkt beim Training erscheinen.«
Ach so. Die heutige Folter kam erst noch. Ihm wurde die Henkersmahlzeit serviert. Alles andere hätte ihn auch gewundert. Jetzt erst fiel ihm ihr Dress auf. Sie trug ein knappes, sportliches Oberteil, Leggins und Turnschuhe. Um ihren nackten Hals hing eine Trillerpfeife. Ihr langes schwarzes Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz geknotet. Sie war scharf, scharf, scharf. Doch die Pfeife machte ihm Angst.
»Sie sind etwa …?«
»Ihr persönlicher Trainer«, vollendete sie seinen losgestammelten Satz. »Den ganzen Tag lang. Partenes hat mir eingeräumt, mich voll und ganz um Ihre körperliche Ertüchtigung zu kümmern. Der Gute meinte nur, ich solle Sie nicht allzu hart rannehmen. Das muss ich mir allerdings noch überlegen.«
Und Anthony hatte nur das Schlimmste befürchtet!
»Essen Sie. Sie wissen, was passiert, wenn Sie es nicht freiwillig tun«, erinnerte sie ihn.
Als er fertiggegessen hatte, befahl sie ihm, ganz langsam aufzustehen.
»Seien Sie unbesorgt. Es kann nichts passieren. Ich bin da.«
Er wusste nicht, ob er das komisch finden sollte. Andererseits wäre er gestern übel zu Boden gefallen, wenn Miss Folder nicht im rechten Moment bei ihm gewesen wäre.
»Oh, das habe ich ganz vergessen!«, rief sie plötzlich. »Der Katheter!«
Sofort wurde sich Anthony wieder des beschämenden Notbehelfs zwischen seinen Beinen gewahr. Mit einem Schlag wurde er krebsrot. Wenn sie ihn, noch dazu in dieser Aufmachung, da unten anfasste, würde das höchst peinlich. Ihre Reaktion wollte er sich unter keinen Umständen ausmalen. Schon streifte sie einen hauchdünnen Latexhandschuh über ihre Rechte.
»Kann ich das nicht selber tun?«, fragte er geistesgegenwärtig.
Sie hatte bereits ihre Hand nach seinem Hosenbund ausgestreckt, die auf halber Strecke innehielt. Miss Folder neigte den Kopf zur Seite.
»Haben Sie etwa Angst vor mir?«, erkundigte sie sich belustigt und lasziv zugleich.
»Ich, Angst? Nein!«
»Dann lassen Sie das Personal ran!«
Blitzschnell wanderte ihre Hand tief in seine Unterhose. Ehe er sie spüren konnte, ehe er in Schweiß ausbrechen konnte, war sie wieder draußen.
»War doch gar nicht so schlimm!«, triumphierte die Sadistin. Verschmitzt lächelnd wedelte sie mit dem Schlauch.
Anthony machte einen halben Salto rückwärts und schnappte nach Luft.
»Fallen Sie nicht von der Matratze!«, wurde er ermahnt.
Aber sie klang nicht ganz so streng wie sonst. Wer war diese Frau? Wer hatte sie als seine persönliche Erzieherin abkommandiert, damit sie ihn getreu dem Prinzip Zuckerbrot und Peitsche abrichtete? Da fiel ihm wieder ihr Satz ein: »Ich lasse mich von niemandem irgendwohin zitieren.« Nein, nein. Sie tat das alles aus purem Vergnügen. Hätte er seinen Sarkasmus von Anfang an unter Verschluss gehalten, wären ihm ihre Spielchen erspart geblieben.
»Soll ich Sie ins Badezimmer zerren, oder erheben Sie sich freiwillig aus dem Bett?«, holte sie ihn aus seiner Schockstarre.
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