Unsere Innendienstler hatten noch nicht allzuviel über Drake in Erfahrung bringen können. Er war ziemlich unauffällig, was sein Geschäftsgebaren anging. Jedenfalls gehörte er nicht zu dem Personenkreis windiger Geschäftsleute, die in Verdacht standen, mit Geldwäsche zu tun zu haben. Verbindungen zur Unterwelt waren uns auch nicht bekannt. Aber das musste natürlich letztlich nichts heißen.
Drake lockerte sich seine Krawatte. Der gut sitzende Zweireiher musste maßgeschneidert sein.
"Ich bin kein sehr expressiver Mensch und was die Äußerung von Gefühlen in der Öffentlichkeit angeht eher zurückhaltend. Dadurch könnte bei Ihnen der Eindruck von Gefühlskälte entstehen. Aber ich versichere Ihnen, dass Vondas Tod mir sehr nahe geht. Auch wenn unsere Beziehung eher flüchtig war..."
"Vondas Schwester hatte offenbar einen anderen Eindruck", stellte ich fest.
"Rita?", Drake lächelte mild. "Ja, ich erinnere mich an sie. Ich glaube, wir haben uns mal in Miami gesehen."
"Sie haben dort eine Kawasaki gekauft", sagte ich.
Sein Gesicht veränderte sich. Falten bildeten sich auf seiner Stirn.
"Ich war bisher gerne bereit, auf Ihre Fragen zu antworten, Agent Trevellian. Aber langsam habe ich das Gefühl, dass sie sich allzu sehr auf mein Privatleben konzentrieren!" Er hob das Kinn. "Jedenfalls wüsste ich nicht, was eine Kawasaki mit Vonda oder dieser Schießerei Ecke Bedford/ Seventh Avenue zu tun hat!"
"Vondas Komplize..."
"...ihr späterer Mörder!"
"Ja, genau. Der fuhr eine Kawasaki! Wo ist Ihre Maschine?"
"Ich verliere schnell den Spaß an solchen Spielzeugen..."
"Sie haben sie weiter verkauft, Mister Drake. Das haben unsere Innendienstler inzwischen herausbekommen. Und zwar an einen gewissen Bruce Levonian. Sagt Ihnen der Name was?"
Drake atmete tief durch. Er stand auf, ging zum Fenster, von wo aus man einen hervorragenden Blick auf den Central Park hatte. Dann rieb er sich die Augen. "Ich brauchte hin und wieder einen Leibwächter. Dafür hatte ich Mister Levonian ab und zu engagiert."
"Wie lernten Sie ihn kennen?"
"Durch Vonda. Als er von meiner Kawasaki hörte, wurde er ganz wild darauf. Bei einer Motorradtour brauchte ich einen Begleiter. Bruce war wie geschaffen dafür. Ich habe ihm die Maschine dann für einen günstigen Preis überlassen. Schließlich habe ich schon zwei Harleys und habe ja auch nur einen Hintern, um darauf zu sitzen..."
"Vonda hatte ein umfangreiches Computer-Equipment. Interessieren Sie sich auch dafür?"
"Ich verfolge die Börsen-Kurse im Internet. Sonst lässt mich das kalt. Ich kenne mich auch nicht besonders gut damit aus. Und das in Wall Street der traditionelle Parketthandel immer mehr gegenüber dem Internethandel mit Wertpapieren an Bedeutung verliert, gefällt mir gar nicht."
"So jung und schon so konservativ?", fragte ich.
Drakes Lächeln wirkte gezwungen.
"So bin ich eben."
Ich holte ein Foto von Desmond E. Cole hervor, legte es auf den Tisch.
"Kennen Sie diesen Mann?"
Er drehte sich vom Fenster weg, näherte sich dann zögernd und ergriff schließlich das Bild. Nach einer Sekunde schüttelte er den Kopf. "Nein. Wer soll das sein?"
"Desmond E. Cole, der Mann, den Vonda erschossen hat."
"Nie gehört."
"Er benutzte auch andere Namen."
"Tut mir leid, ich denke, Sie verschwenden mit mir nur Ihre Zeit, Agent Trevellian."
Mit einem zwiespältigen Gefühl verließen wir das Dakota House.
"Der Kerl sieht aus, wie einer, der schon mit dem goldenen Löffel geboren wurde!", meinte Milo. "Kaum dreißig und leidet unter dem Problem, zu viele Rennboote und Motorräder zu besitzen, so dass er guten Kumpels mal eben eins dieser Spielzeuge preisgünstig überlassen kann..."
"Neidisch, Milo?"
"Ich weiß nicht."
"Du hast eben die falschen Freunde. Alles nur arme Staatsdiener..."
Wir setzten uns in den Sportwagen, den wir ganz in er Nähe abgestellt hatten.
"Auch wenn ich ihn nicht ausstehen kann: Ich glaube, dieser Drake ist keine Spur, die uns weiterbringt", meinte Milo.
"Er kannte Vonda McDaniels und Bruce Levonian", gab ich zu bedenken. "Und er fand es nicht nötig, sich nach allem, was geschehen ist, bei der Polizei zu melden."
"Aber das ist auch schon alles, was er auf dem Kerbholz hat, Jesse."
Ich seufzte hörbar. "Leider ja."
"Unsere Innendienstler haben sich die Finger auf ihren Computern wundgehackt, um etwas über diesen Drake herauszufinden. Aber ganz offensichtlich ist nichts an ihm dran!"
"Aber an Zufälle glaube ich auch nicht, Milo! Dieser Kerl muss doch mehr wissen, als er sagt! So wie der gemauert hat..."
"Man muss auch verlieren können, Jesse!"
"Wem sagst du das!"
Bruce Levonian schwang sich über die Mauer, die den schmucken Bungalow in Riverdale umgab. Riverdale, das war die gutbürgerliche Seite der Bronx. Verfallende Straßenzüge, wie sie aus dem Süden dieses Stadtteils bekannt waren, gab es hier nicht. Stattdessen Bungalows an breiten Alleen.
Bruce Levonian hatte die Automatik mit Schalldämpfer in der Rechten.
Er umrundete den Bungalow. Dahinter befand sich ein Swimming Pool.
In geduckter Haltung pirschte er sich heran.
Ein breitschultriger Kerl im dunklen Anzug tauchte auf.
Aber er begriff die Situation nicht schnell genug. Ehe der Kerl sein Jackett aufgeknöpft und nach seiner Waffe gegriffen hatte, legte Bruce Levonian bereits an und drückte ab.
Das Schussgeräusch war nicht lauter als ein kräftiges Niesen.. Ein Ruck ging durch den Körper des Bodyguards. Er taumelte zurück, hielt sich den Bauch. Das Geschoss hatte Jackett und Hemd aufgerissen und außerdem die Hand durchschlagen. Es blutete. Aber unter dem Hemd kam etwas Graues hervor. Kevlar. Offenbar bestand die massige Gestalt des Bodyguards doch nicht nur aus Muskeln. Mit der blutigen Rechten versuchte der Kerl dann, doch noch seine eigene Waffe hervorzureißen. Eine Beretta. Bruce Levonian ließ ihm keine Chance. Sein zweiter Schuss traf den Leibwächter am Kopf. Er sackte zusammen und fiel ins Rosenbeet.
Mit wenigen Sätzen war Levonian bei der Terrasse.
Ein dicker, kahlköpfiger Mann saß dort vor einem Espresso.
Mit am Tisch saß noch ein deutlich Jüngerer. Bruce Levonian schätzte ihn auf Mitte zwanzig. Er war hager und dunkelhaarig. Sein Griff ging wie automatisch unter das graue Schurwolljackett. Aber er erstarrte mitten in der Bewegung, als er in den Schalldämpfer von Bruce Levonians Automatik blickte.
Der Dicke blieb ruhig, wartete erst einmal ab.
Bruce Levonian trat näher.
"Einer von Ihnen muss Eddie Belmonte sein!" Er deutete auf den Dicken. "Die Beschreibung passt auf Sie!"
"Was wollen Sie?", fragte der Dicke.
"Sie vermitteln Leute für's Grobe nicht wahr? Leute, wie diesen Joss und die andere Pfeife, die mich umlegen sollten. Foltern und umlegen, um präzise zu ein."
"Sie sind Levonian", stellte Belmonte fest. Er nahm seelenruhig einen Schluck aus der Espresso-Tasse. Dass er so ruhig blieb, gefiel Levonian nicht. Es ließ ihn befürchten, dass dieser Mann noch einen Trumpf in der Hinterhand hatte.
Bruce ging auf den Dunkelhaarigen zu, setzte ihm den Schalldämpfer an den Kopf und riss das Jackett zur Seite. Mit der Linken holte Bruce einen Revolver hervor. Er steckte ihn ein. "Wer ist dieser Mann?"
"Jemand, der mich eigentlich vor Leuten wie Ihnen schützen sollte", sagte Belmonte.
Levonian drückte ab. Der Dunkelhaarige sackte im Sessel zusammen. "Sie werden 'ne Weile ohne Schutz auskommen müssen!"
"Sie machen mich ärgerlich", erwiderte Belmonte. "Gutes Personal ist schwer zu bekommen!"
Levonian packte die Leiche des Dunkelhaarigen beim Kragen und riss sie aus dem Sessel heraus. Dann ließ er sich selbst darin nieder.
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