Einen Vers aus Psalm 69 im heutigen Brevier habe ich mir sehr leicht zu eigen machen können:
Nicht sollen zuschanden werden durch mich,
die auf dich hoffen,
Herr, Gott der Heerscharen,
nicht sollen durch mich beschämt werden,
die dich suchen, du Gott Israels.
»Amen« zu alldem.
Ich habe meine tägliche Betrachtung zum Buch der Offenbarung fortgesetzt: einer beunruhigenden Geschichte des Jammers, die von schönen mystischen Momenten durchsetzt ist, zum Beispiel der großen Schar, die niemand zählen kann, aus allen Nationen, Stämmen, Völkern und Sprachen, die vor dem Thron des Lammes stehen und Gott anbeten und preisen, den 144 000 Jungfrauen auf dem Berg Zion und der schwangeren Frau, »mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt« (Offb 12,1).
Doch hinter diesen Momenten des Triumphes steht die Vollstreckung der göttlichen Gerechtigkeit, denn das Lamm öffnete die sieben Siegel vor »zehntausendmal zehntausend Engeln«, und die sieben Engel mit den sieben goldenen Schalen gingen hinaus und gossen den Zorn Gottes über die Erde aus, und nur die weiß gekleideten Märtyrer, die ihre Gewänder »im Blut des Lammes weiß gemacht« haben, wurden verschont (Offb 7,14).
Wie ist das alles zu verstehen? Dieses Buch ist Teil des geoffenbarten Wortes Gottes, das heißt, wir können es nicht zur Seite legen und einfach übergehen, sondern müssen mit dem Text ringen und ihn so gut wie möglich zu verstehen versuchen.
Vielleicht zwei Bemerkungen vorweg: Das Übernatürliche ist ein wesentlicher Bestandteil der christlichen Botschaft. Wenn der Katholizismus auf ein agnostisches Dienstleistungsunternehmen reduziert wird, wird die Tradition verraten und es wird keine Konvertiten mehr geben. Der Exodus wird dann umso schneller vonstattengehen. »Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?« (Lk 18,8) lauten die ernüchternden Zeilen des Neuen Testaments.
Christus hat von einem erfüllten Leben nach dem Tod gesprochen, einem wunderschönen oder furchtbaren Leben, das unseren Erkenntnishorizont weit übersteigt, und das Buch der Offenbarung vermittelt uns eine erste Ahnung von dieser Reise. Der Himmel wird anders sein als der wohlverdiente Weihnachtsurlaub und auch anders als die besonders lange Reise in fremde Gegenden, die wir uns für die erste Zeit unseres Ruhestands vorgenommen haben.
Jesus hat oft vom Himmel und von der Hölle gesprochen, und am Letzten Tag wird Gott nicht alle integrieren, [sondern] die Schafe von den Böcken trennen.
Ein zweiter Punkt, den das Buch der Offenbarung deutlich macht, ist, dass das Leben ein Kampf zwischen Gut und Böse ist und dass niemand sich diesem Kampf entziehen kann. Die große Stadt Babylon fällt, eine Stätte der Dämonen und eine Zuflucht für jeden unreinen Geist. Im Himmel ist ein Krieg ausgebrochen: »Michael und seine Engel erhoben sich, um mit dem Drachen zu kämpfen«, und derselbe feuerrote Drachen »mit sieben Köpfen und zehn Hörnern« versucht vergeblich, das Kind der mit der Sonne bekleideten Frau zu vernichten, das »alle Völker mit eisernem Zepter weiden wird« (Offb 12).
Vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil soll ein Atheist angeblich erklärt haben, dass das einzige christliche Dogma, das er akzeptieren würde, die Lehre von der Erbsünde sei, die besagt, dass jedes menschliche Herz ebenso wie die Strukturen der Gesellschaft mit Fehlern behaftet und für das Böse anfällig sind, während wir gleichzeitig nach dem Guten und Schönen streben.
Die »Kulturkriege« der englischsprachigen Völker, die wir gerade verlieren, sind keine Erfindung der neueren Zeit. Das Buch der Offenbarung wurde fast 1 900 Jahre vor der Erfindung der empfängnisverhütenden Pille geschrieben. Die meisten von uns wünschen sich ein ruhiges Leben, manchen von uns ist das nicht vergönnt, aber jeder muss sich für die eine und gegen die andere Seite entscheiden. Ohne Kampf geht es nicht.
Herr Jesus, hilf uns allen, uns für deinen Vater zu entscheiden, indem wir dir und deinen Lehren in Gemeinschaft mit dir folgen und das Wahre, Gute und Schöne wählen.
Samstag, 30. März 2019
Das Paket mit den »88« Briefen ist, wie versprochen, eingetroffen. Ich habe sie nicht gezählt, weil ich mich an die Schwierigkeiten erinnere, die König David ertragen musste, als er sein Volk zählen ließ, und Gott dadurch erzürnte. Ich weiß nicht genau, was damals eigentlich das Problem war, aber ich denke, es muss etwas mit Davids übertriebenem Stolz zu tun gehabt haben und damit, dass er sich nicht auf Gottes Vorsehung, sondern auf sich selbst verlassen wollte. Ich habe bis jetzt noch nicht in den Kommentaren nach einer fundierteren Erklärung gesucht.
Alle Briefe sind schön, ein starker und willkommener Trost. Viele greifen die fastenzeitlichen und österlichen Themen auf und wenden sie auf meine Lage an. Einige zitierten Francis Kardinal George, den verstorbenen großen Erzbischof von Chicago, der vorhergesagt hatte, dass das Leid der Bischöfe im Verlauf von drei Generationen immer schlimmer und erst danach Besserung eintreten würde. Um seine düsteren Vorhersagen zu verteidigen, hat er mir gegenüber einmal angemerkt, dass die meisten Kommentatoren die Erholung auf der vierten Stufe ignorieren würden, die Rückkehr zu besseren Zeiten mithilfe der christlichen Lehre.
Präsident Trump ist leider ein bisschen barbarisch, aber in dem einen oder anderen wichtigen Punkt ist er »unser« (christlicher) Barbar. Seine beiden Ernennungen von Richtern für den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten werden den Vormarsch des Säkularismus verlangsamen, denn der Oberste Gerichtshof hat sehr viel mehr Möglichkeiten, die Gesellschaft zu formen, als der Oberste Gerichtshof hier bei uns in Australien. Ich halte das australische System, in dem das Parlament mehr Entscheidungen trifft, für besser. Um dieses lokale Gleichgewicht zu schützen, war ich gegen eine australische Bill of Rights 15, die den Interpretationen der Gerichte größere Entscheidungsgewalt gegeben hätte. Parlamentarier kann man abwählen, Richter nicht.
Nicht einer der Briefschreiber hat sich im Hinblick auf die Opfer der Pädophilie-Krise feindselig geäußert, und genauso sollte es auch sein. Eine ganze Reihe erkennt an, dass die Opfer und das Ansehen der Kirche furchtbaren Schaden erlitten haben.
Eine hochrangige ehemalige Politikerin hat mir erklärt, dass die Royal Commission , die mit der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs bei Kindern befasst ist, den Beweis erbracht habe, dass sich das Problem nicht auf Katholiken beschränke, wie sie lange Zeit geglaubt habe. Doch die öffentliche Meinung will nicht begreifen, dass – traurig, aber wahr – über 95 Prozent der Fälle von sexuellem Missbrauch außerhalb von Institutionen geschehen.
Ein Schreiber hat eine Seite oder sogar mehr darüber verfasst, wie schrecklich es ist, wenn ein Angeklagter vorgibt, unschuldig zu sein, um die Unterstützung der öffentlichen Meinung zu erhalten. Er wisse aber, dass das auf mich nicht zutreffe, fügte er hinzu. Ich stimme völlig mit ihm überein: Eine solche Täuschung wäre beinahe noch schlimmer als das eigentliche Verbrechen.
Es gelang mir, zweimal Hofgang zu bekommen und Margaret und Chris Meney anzurufen. Am Abend haben nicht nur ein oder zwei Vögel gesungen, sondern ein kleiner Vogel flatterte sogar zwischen den Gittern über dem Hof herum. Der offene Raum wird von zwei Reihen von Gitterstäben bedeckt, die eine quer, die andere längs, und dazwischen befindet sich ein Muster aus interessanten Metallbändern, ein Netz mit rechteckigen Maschen. Ich bin nicht sicher, ob ein kleiner Vogel hindurchpasst, aber dieser hier, etwa so groß wie ein Spatz und mit braunem bis hellorangefarbenem Gefieder, hüpfte dort herum. Ich scheuchte ihn weg und sagte ihm, dass wir ihm wahrscheinlich nicht wieder zur Freiheit verhelfen könnten, wenn er hereinkäme.
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