George Kardinal Pell
Unschuldig angeklagt und verurteilt
Das Gefängnistagebuch
Band I
Der Kardinal legt Berufung ein
27. Februar bis 13. Juli 2019
Vorwort von George Weigel
Bibliografische Information: Deutsche Nationalbibliothek.
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.deabrufbar.
Originaltitel der amerikanischen Ausgabe:
PRISON JOURNAL
Volume 1
The Cardinal Makes His Appeal
27 February – 13 July 2019
© 2020 by Ignatius Press, San Francisco
Die Zitate aus dem Brevier von George Kardinal Pell stammen aus:
The Divine Office , 3 Bände, E. J. Dwyer, Sydney 1974. In deutscher Sprache: Die Feier des Stundengebetes, Lektionar für die katholischen Bistümer des deutschen Sprachgebietes , Hefte I/1 bis I/8, Hrsg. Bischofskonferenzen, 1978–2017.
Die Bibelzitate stammen aus der revidierten Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift © Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart 2016.
UNSCHULDIG ANGEKLAGT UND VERURTEILT
Band I
Das Gefängnistagebuch
Übersetzung: Dr. Gabriele Stein, Sr. Cornelia M. Knollmeyer
© Media Maria Verlag, Illertissen 2021
Alle Rechte vorbehalten.
ISBN 978-3-9479312-5-5
eISBN 978-3-9479318-0-4
www.media-maria.de
Einleitung von George Weigel
Zeittafel
1. Woche: In Untersuchungshaft
2. Woche: Einsamer Aschermittwoch
3. Woche: Die Urteilsverkündung
4. Woche: Erlauchte Gesellschaft
5. Woche: Geistliche Mittelmäßigkeit
6. Woche: Die Erosion des sozialen Kapitals
7. Woche: Vollendung durch Leiden
8. Woche: Die Karwoche
9. Woche: Die Osterwoche
10. Woche: Göttliche Barmherzigkeit
11. Woche: Feindliche Manöver
12. Woche: Fragen ohne Antworten
13. Woche: Tochter der Zeit
14. Woche: Blick voraus
15. Woche: Berufung
16. Woche: Herabkunft des Heiligen Geistes
17. Woche: Mysterium der Dreifaltigkeit
18. Woche: Die Realpräsenz
19. Woche: Ein Netz der Täuschung
20. Woche: Hoffnungen und Träume
Anmerkungen
EINLEITUNG VON GEORGE WEIGEL
Dieses Gefängnistagebuch hätte niemals geschrieben werden dürfen.
Dass es dennoch geschrieben wurde, zeugt von Gottes Gnade, die es inmitten von Niedertracht, Bosheit und Ungerechtigkeit vermag, Einsicht, Großmut und Güte hervorzubringen. Und dass etwas so Schönes daraus entstanden ist, zeugt von der christlichen Gesinnung, die seinen Verfasser, George Kardinal Pell, prägt.
Wie und warum es dazu kam, dass der Verfasser mehr als 13 Monate lang wegen Verbrechen im Gefängnis war, die er nicht begangen hatte und gar nicht hätte begehen können, ist eine andere, weit weniger erbauliche Geschichte. Gleichwohl wird eine Kurzfassung dieser skandalösen Geschichte Ihnen für das, was Sie zu lesen im Begriff sind, den nötigen Hintergrund liefern – einen Hintergrund, vor dem sich noch deutlicher abzeichnen wird, wie bemerkenswert dieses Tagebuch ist.
Am 7. April 2020 fällte der High Court von Australien 1in der Sache Pell vs. The Queen ein einstimmiges Urteil, das den vorangegangenen Schuldspruch aufhob und in einen Freispruch verwandelte. Damit wurde sowohl die unverständliche Verurteilung von Kardinal Pell wegen »lange zurückliegender Fälle von sexuellem Missbrauch« als auch die nicht weniger rätselhafte, mit 2:1 Stimmen gefällte Entscheidung eines Berufungsgerichts im australischen Bundesstaat Victoria, an diesem Fehlurteil festzuhalten, aufgehoben. Der Spruch des Obersten Gerichtshofs befreite einen Unschuldigen aus der ihm zu Unrecht auferlegten Haft, gab ihn seiner Familie und seinen Freunden zurück und ermöglichte es ihm, seine wichtige Arbeit in der katholischen Kirche und für sie wiederaufzunehmen.
Wer die Sache Pell vs. The Queen aus der Nähe beobachtet hat, weiß, dass dieser Fall niemals hätte vor Gericht verhandelt werden dürfen. Bei den polizeilichen Ermittlungen, die zu den Beschuldigungen gegen Kardinal Pell geführt hatten, wurde im Trüben gefischt und es wurden fadenscheinige Ergebnisse zutage gefördert. Die Richterin, die die Verhandlung zur Beweisaufnahme (das australische Pendant zu einem Geschworenengericht) 2leitete, stand unter immensem Druck, eine Reihe von Anklagepunkten zuzulassen, die – wie sie selbst wusste – überaus schwach waren. Als der Fall dann verhandelt wurde, brachten die Staatsanwälte keinerlei Beweise dafür vor, dass das vermeintliche Verbrechen überhaupt begangen worden war, und stützten ihre Argumentation einzig und allein auf die Aussage des Klägers – die sich mit der Zeit als unstimmig und zutiefst fragwürdig erwies. Es gab keine erhärtenden Beweise und keine Zeugen, die die Vorwürfe bestätigten.
Im Gegenteil: Diejenigen, die zur Zeit der angeblichen Straftaten, zwei Jahrzehnte zuvor, in der Kathedrale von Melbourne anwesend gewesen waren, beharrten unter Eid und im Kreuzverhör darauf, dass sich die Ereignisse unmöglich so hatten zutragen können, wie der Kläger sie darstellte. Weder der zeitliche Rahmen, den die Staatsanwaltschaft bei der Schilderung des vermeintlichen Missbrauchs angab, noch die Beschreibung der Kathedral-Sakristei, wo dieser stattgefunden haben sollte, ergaben irgendeinen Sinn. Die Staatsanwaltschaft unternahm keinen ernsthaften Versuch, diese umfangreichen Aussagen zugunsten des Kardinals zu entkräften. Zudem wurde die schiere Unmöglichkeit, dass das, was angeblich geschehen sein sollte, wirklich geschehen war, später von objektiven Beobachtern und Kommentatoren – auch solchen, die zuvor keinerlei Sympathien für Kardinal Pell gehegt hatten, und einem, der zu seinen härtesten Kritikern zählte – bestätigt.
Der Fall Pell vs. The Queen wurde ferner derart verhandelt, dass gravierende Zweifel daran aufkamen, ob die Behörden in Victoria sich wirklich an solche elementaren Grundsätze des im angelsächsischen Raum geltenden Strafrechts wie die Unschuldsvermutung oder die Pflicht des Staates gebunden fühlten, die Anklage »über jeden vernünftigen Zweifel hinaus« zu beweisen. Was das betrifft, hat Mark Weinberg, der Richter, der das Urteil des Berufungsgerichts im August 2019 nicht mittrug, einen entscheidenden juristischen Punkt ins Feld geführt, als er die Begründung seiner Kollegen, die an Kardinal Pells Verurteilung festhielten, auseinanderpflückte: Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch Weinbergs Kollegen am Berufungsgericht hätten jede nur mögliche Verteidigungsstrategie dadurch unterlaufen, dass sie die Glaubwürdigkeit des Klägers zum Dreh- und Angelpunkt des gesamten Falls machten. Aufgrund dieses Glaubwürdigkeitskriteriums war es weder erforderlich zu beweisen, dass wirklich ein Verbrechen geschehen war, noch mussten die Beschuldigungen erhärtet werden. Es kam einzig und allein darauf an, dass der Kläger aufrichtig wirkte. Das aber war nach den Maßstäben der jahrhundertealten Tradition des Common Law 3keine seriöse juristische Beweisführung, sondern eine Geltendmachung von Gefühlen oder sogar von Gefühlsduselei – die aber niemals den Ausschlag dafür hätten geben dürfen, einen Mann eines abscheulichen Verbrechens für schuldig zu befinden und ihn um seinen guten Ruf und seine Freiheit zu bringen.
Als sich Juristen und altgediente Rechtsexperten in Australien mit dem außerordentlichen, 200 Seiten starken Minderheitenvotum von Richter Mark Weinberg nach dem Berufungsverfahren auseinandersetzten und als die im Fall Pell verhängte Nachrichtensperre aufgehoben wurde und sich zeigte, auf welch schwachen Füßen die Sache der Anklage stand, war die wachsende Besorgnis der Menschen, die sich Gedanken machten – die zunehmend davon überzeugt waren, dass hier ein schweres Unrecht geschehen war –, nicht nur in Melbourne, sondern auch noch Tausende Meilen entfernt zu spüren. Diese Besorgnis hat sich möglicherweise auf die Entscheidung der höchsten gerichtlichen Instanz, des Obersten Gerichtshofs von Australien, ausgewirkt, eine weitere Berufung (der nicht hätte stattgegeben werden müssen) zuzulassen.
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