Der Autor
PD Dr. med. Dr. phil. Alfried Längle ist Professor für praktische Psychologie an der HSE-Universität Moskau, Gastprofessor an der Sigmund-Freud-Universität Wien, Dozent an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Past-Präsident der Internationalen Gesellschaft für Logotherapie und Existenzanalyse, Wien. Er war acht Jahre Vizepräsident der International Federation of Psychotherapy (IFP – Sitz in Zürich) und besitzt zwei Ehrendoktorate und sechs Ehrenprofessuren, Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, über 400 Publikationen.
Mein besonderer Dank gilt Frau Mag. Verena Buxbaum für ihre große Hilfe bei der Erstellung des Manuskripts.
Alfried Längle
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1. Auflage 2021
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-034198-2
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-034199-9
epub: ISBN 978-3-17-034200-2
mobi: ISBN 978-3-17-034201-9
Die Psychotherapie hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich gewandelt: In den anerkannten Psychotherapieverfahren wurde das Spektrum an Behandlungsansätzen und -methoden extrem erweitert. Diese Methoden sind weitgehend auch empirisch abgesichert und evidenzbasiert. Dazu gibt es erkennbare Tendenzen der Integration von psychotherapeutischen Ansätzen, die sich manchmal ohnehin nicht immer eindeutig einem spezifischen Verfahren zuordnen lassen.
Konsequenz dieser Veränderungen ist, dass es kaum noch möglich ist, die Theorie eines psychotherapeutischen Verfahrens und deren Umsetzung in einem exklusiven Lehrbuch darzustellen. Vielmehr wird es auch den Bedürfnissen von Praktikern und Personen in Aus- und Weiterbildung entsprechen, sich spezifisch und komprimiert Informationen über bestimmte Ansätze und Fragestellungen in der Psychotherapie zu beschaffen. Diesen Bedürfnissen soll die Buchreihe »Psychotherapie kompakt« entgegenkommen.
Die von uns herausgegebene neue Buchreihe verfolgt den Anspruch, einen systematisch angelegten und gleichermaßen klinisch wie empirisch ausgerichteten Überblick über die manchmal kaum noch überschaubare Vielzahl aktueller psychotherapeutischer Techniken und Methoden zu geben. Die Reihe orientiert sich an den wissenschaftlich fundierten Verfahren, also der Psychodynamischen Psychotherapie, der Verhaltenstherapie, der Humanistischen und der Systemischen Therapie, wobei auch Methoden dargestellt werden, die weniger durch ihre empirische, sondern durch ihre klinische Evidenz Verbreitung gefunden haben. Die einzelnen Bände werden, soweit möglich, einer vorgegeben inneren Struktur folgen, die als zentrale Merkmale die Geschichte und Entwicklung des Ansatzes, die Verbindung zu anderen Methoden, die empirische und klinische Evidenz, die Kernelemente von Diagnostik und Therapie sowie Fallbeispiele umfasst. Darüber hinaus möchten wir uns mit verfahrensübergreifenden Querschnittsthemen befassen, die u. a. Fragestellungen der Diagnostik, der verschiedenen Rahmenbedingungen, Settings, der Psychotherapieforschung und der Supervision enthalten.
Nina Heinrichs (Bremen)
Rita Rosner (Eichstätt-Ingolstadt)
Günter H. Seidler (Dossenheim/Heidelberg)
Carsten Spitzer (Rostock)
Rolf-Dieter Stieglitz (Basel)
Bernhard Strauß (Jena)
Die Buchreihe wurde begründet von Harald J. Freyberger, Rita Rosner, Ulrich Schweiger, Günter H. Seidler, Rolf-Dieter Stieglitz und Bernhard Strauß.
1 Herkunft und Entwicklung der Existenzanalyse
»Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie«. Das ursprünglich auf Nietzsche (1889, § 12) zurückgehende Zitat, das Viktor Frankl in diese Form abänderte, kann als Leitsatz für Frankls Werk gelten. Schon als Gymnasiast setzte er sich mit der Sinnfrage auseinander, ein Thema, das ihn beruflich und persönlich-biografisch ein Leben lang beschäftigte.
1.1 Viktor Frankl und die Hintergründe der Logotherapie
Mit dem Namen Viktor Frankl (1905–1997) ist die Sinnthematik unzertrennlich verbunden, wie schon Yalom (2010) hervorhob. Frankl bekommt den Verdienst zugeschrieben, das Thema Sinn in die Psychotherapie eingeführt zu haben. In den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts hat er als Neurologe und Psychiater die Logotherapie begründet (Frankl 1938a; b; 2005). Sie wird oft als die »dritte Wiener Schule der Psychotherapie« nach Sigmund Freuds Psychoanalyse und Alfred Adlers Individualpsychologie bezeichnet (Soucek 1948; Hofstätter 1957). Das frühe Interesse Frankls für die Psychologie brachte ihn zunächst zur Psychoanalyse. Er stand über 2–3 Jahre in brieflichem Kontakt mit Sigmund Freud. Nachdem er sich für eine Ausbildung in der Psychoanalyse beworben und auf Anraten Freuds ein Gespräch mit Paul Federn geführt hatte (Längle 2013a), wandte sich Frankl aber von ihr ab und durchlief seine psychotherapeutische Ausbildung in der Individualpsychologie Alfred Adlers. Dort fand er auch seine eigentlichen Lehrer, Oswald Schwarz, den Begründer der Psychosomatik, und Rudolf Allers, der ihn mit der philosophischen Anthropologie von Max Scheler bekannt machte. Unter ihrem Einfluss und in Verbindung mit seinem genuinen Interesse für die Sinnthematik entwickelte sich im jungen Frankl ein Anliegen, für das er sich ein Leben lang einsetzen sollte, nämlich den Psychologismus in der Psychotherapie zu bekämpfen (Frankl 1995; Längle 2013a; Kretschmer 2000; Rattner 1991).
Für Frankl stand das »spezifisch Humane« stets im Mittelpunkt des Interesses: die Geistigkeit des Menschen, die sich in seinen Augen besonders in der Suche nach Sinn artikuliert. Sie sollte nicht einem psychischen oder methodisch-mechanistischen Reduktionismus zum Opfer fallen. Mit dieser Intention geriet Frankl bald in Konflikt mit Alfred Adler, besonders nachdem er sich öffentlich bei einem Kongressvortrag dazu geäußert hatte. Adler verzieh ihm das nicht. Nach dem Austritt von Schwarz und Allers schloss Adler den jungen Frankl 1927 aus dem Verband aus (Längle 2013a). Wohl eine Ironie des Schicksals, dass Adlers letztes größeres Werk mit dem Titel »Der Sinn des Lebens« (1933) jene Inhalte thematisiert, um die es Frankl in seinem Vorstoß gegangen ist.
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