Wenn wir Achilles durch „Demokratiebewegung“ und die Schildkröte durch das Ideal eines „liberalen demokratischen Kapitalismus“ ersetzen, wird uns schnell klar, dass die meisten Länder dieses Ideal nicht erreichen können und dass ihr Scheitern an diesem Anspruch die inhärenten Schwächen des weltweiten kapitalistischen Systems offenbart. Als einzige Alternative bleibt diesen Ländern noch das riskante Unterfangen, dieses System hinter sich zu lassen, was wiederum seine eigenen Gefahren birgt. Mehr noch: Während die Anhänger von Demokratiebewegungen danach streben, mit dem liberalen kapitalistischen Westen gleichzuziehen, deutet inzwischen alles drauf hin, dass die entwickelten Länder des Westens in ökonomischer und politischer Hinsicht gerade selbst in ein neues Stadium eintreten, das man nur als post-kapitalistisches und post-liberales Zeitalter bezeichnen kann – womit selbstverständlich eine Dystopie gemeint ist.
Yanis Varoufakis hat an einer bemerkenswerten Entwicklung gezeigt, was uns in Zukunft erwarten wird: Als sich jüngst abzeichnete, dass England und die USA einen nie dagewesenen wirtschaftlichen Einbruch erleiden würden, stiegen die Aktienkurse in diesen Ländern auf ein Rekordhoch. 22Obwohl sich dieses Phänomen zumindest teilweise relativ einfach erklären lässt (ein Aktienindex setzt meistens dann zu einem Höhenflug an, wenn einige wenige Unternehmen wie Tesla oder Google Gewinne verbuchen), ist es symptomatisch für die zunehmende Entkopplung des Geldkreislaufs und der Finanzspekulation von der Produktion. (Dieser Entwicklung entspricht auch der immer stärkere Einfluss eines neuartigen „Subjekts, dem Wissen unterstellt wird“. Wie der Yahoo-Nachrichtenartikel „Warren Buffett über Geist und Körper“ vor Kurzem nahegelegt hat, sind es nicht mehr die großen Wissenschaftler, Künstler oder kreativen Erfinder, denen wertvolle Einsichten zu unterschiedlichen Aspekten des menschlichen Lebens unterstellt werden, stattdessen hält man inzwischen Investoren für Hüter universeller Weisheiten und holt sich bei ihnen selbst in metaphysischen Fragen Hilfe.) Dies veranschaulicht Netflix auf beispielhafte Weise: Obwohl das Unternehmen Verluste macht, setzt es weiterhin auf Expansion. Die entscheidende Frage lautet daher: In welcher Art von Post-Kapitalismus werden wir eines Tages leben?
Wie es momentan um die Demokratie steht, zeigen allein schon die Titelgeschichten unserer Medien: In Polen klagen liberale Meinungsführer darüber, dass sie gerade zusehen müssen, wie der demokratische Rechtsstaat zerfällt. In den USA hat Obama gewarnt, dass Trump eine große Gefahr für die Demokratie als solche darstellt. Trump wiederum hat signalisiert, dass er das Resultat der Präsidentschaftswahlen nicht anerkennen werde, falls er nicht die Mehrheit der Stimmen bekommt. Fühlt man sich hier nicht unweigerlich an Lukaschenko erinnert?
Wünschen wir den Demonstranten in Belarus also alles Glück der Welt: Sollten sie Erfolg haben, wird die Coronakrise mit aller Macht zurückkehren, einschließlich aller dazu gehörenden drängenden Probleme, von ökologischen Schäden bis zum Anstieg der Armut. Sie werden viel Glück brauchen – und Mut.
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