Unter Objektivität versteht man die Unabhängigkeit des Ergebnisses von der untersuchenden Person oder von äußeren Bedingungen. 26
Unter den Begriff der Reliabilität versteht man Zuverlässigkeit bzw. Messgenauigkeit. Bei der Erstellung einer Prognose handelt es sich nur um Fremdbeurteilungen, wodurch Unterschiede zwischen den Werten der einzelnen Beurteiler/Gutachter essenziell sind. 27
Die Validität beschreibt die ständige Überprüfbarkeit und Nachvollziehbarkeit der verwendeten Prognosedaten.
2.5 Methoden der Kriminalprognosen
Innerhalb der Kriminalprognose unterscheidet man drei Hauptmethoden, welche in der Praxis am häufigsten Anwendung finden. Hierbei handelt es sich um die intuitive Kriminalprognose, die statistische Kriminalprognose und die klinische Kriminalprognose. Die klinische oder auch empirische Kriminalprognose wird ebenfalls als explanative oder idiografische Kriminalprognose bezeichnet.
Die statistische Kriminalprognose gilt wie die klinische Methode als wissenschaftliches Prognoseverfahren. Sie befasst sich überwiegend in der Strafrechtspraxis mit der Einschätzung von Tätern durch Personen, die über keine psychiatrische oder psychologische Ausbildung verfügen.
Die intuitive Kriminalprognose wird auch als „Vorgehensweise der Praxis“ bezeichnet. Somit ist die intuitive Kriminalprognose eine subjektive Beurteilung, die auf den Eindrücken, Vorerfahrungen und Denkweisen der beurteilenden Person basieren, z. B. des Polizeibeamten.
Neben der intuitiven sowie klinischen Methode 28kommen bei der Kriminalprognose heute in steigender Zahl vor allem aktuarische Instrumente zum Einsatz 29. Aktuarische Verfahren versuchen dabei, systematisch den Bestand der aus Stichproben erhobenen Daten für eine individualisierte Prognose nutzbar zu machen. Es werden Variablen gesucht, die einen Rückfall statistisch begründen. Die Zuordnung des individuell begutachteten Straftäters in Risikoklassen erlaubt eine Vorhersage über die relative und absolute Wahrscheinlichkeit einer erneuten Straftat. 30
2.5.1 Intuitive Kriminalprognose
Bei der intuitiven Kriminalprognose handelt es sich um eine nicht-empirisch begründbare, individuelle, gefühlsmäßige und von subjektiven Erfahrungen geprägte Methode. 31Dieses Vorgehen kann nicht genau beschrieben werden, da es auf die Person ankommt, welche die Prognose erstellt und bewertet. Je nach Person fällt ein subjektives Vorgehen anders aus, sodass nicht von einer analytisch exakt zu bestimmenden Methodik gesprochen werden kann. Hierbei wird die komplette Prognoseentscheidung durch einen Gesamteindruck der zu beurteilenden Person erstellt.
Intuitive Prognosen sind keine wissenschaftlichen Prognosen. Sie beruhen nicht auf Daten, sondern auf Alltagserfahrungen und Verhaltenstheorien über menschliches Verhalten. Sie stützen sich dabei auch auf standardisierte Beurteilungsfelder und Kriterien mit teilweise wissenschaftlichem Hintergrund.
Nicht-wissenschaftliche Methoden werden oftmals kritisiert, da Vorurteile der Prognoseersteller gegenüber den zu beurteilenden Personen nicht ausgeschlossen werden können. 32Deshalb wird die intuitive Prognose auch subjektive Prognose genannt. 33
Intuitive Prognosen werden meist durch nicht ausgebildete Beurteiler wie beispielsweise Beamte der Kriminalpolizei, Richter oder Staatsanwälte angewendet. Zur Prognoseerstellung werden unter anderem die Sozialbiografie, das Arbeitsverhalten, das Vorhandensein sozialer Bindungen, das Vorliegen einer Suchtproblematik und die strafrechtliche Vorbelastung des Täters analysiert. 34
Das Vorgehen bei einer intuitiven Prognose lässt sich an folgendem Beispiel verdeutlichen: Bei einem bereits kriminell rückfällig gewordenen Räuber, der die Intervalle seiner Rückfälligkeit verkürzt und gleichzeitig seine kriminelle Energie und rücksichtslose Gewalt bei seiner Tatbegehung steigert, ist es möglich, aufgrund kriminalistischer Berufserfahrung und allgemeiner Menschenkenntnis zu sagen, dass diese Person mit einer hohen Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten begehen wird. Die Prognose ist dementsprechend für den Räuber ungünstig. Die Prognose ist zwar durchaus nachvollziehbar, dennoch ist diese nicht wissenschaftlich belegt. 35
Die intuitive Methode kann als Behelfsverfahren bezeichnet werden, welches in der polizeilichen Praxis am weitesten verbreitet ist. Dies liegt daran, dass die Heranziehung von Sachverständigen, wie es die klinische Prognose erfordert, zu zeit- und kostenaufwendig ist. Die gewonnene Erfahrung kann durchaus zu einer nennenswerten Treffsicherheit führen. Dennoch ist das Fehlerrisiko bei der intuitiven Prognose am größten, weil diese auf dem subjektiven Empfinden des Prognoseerstellers beruht und nur schwer belegbar ist, obwohl sie durchaus oftmals nachvollziehbar ist. 36Jedoch wird diese Methode oft durch die objektiven Tatbegehungsmerkmale oder durch das Nachtatverhalten des Tatverdächtigen bestätigt.
2.5.2 Statistische Kriminalprognose
Die statistische Prognose ist eine wissenschaftliche Methode, bei der Erkenntnisse aus Untersuchungen zur Rückfälligkeit die Grundlage zur Einschätzung bilden. 37
Statistische Prognoseverfahren zielen darauf ab, solche personen- oder auch tatbezogenen Merkmale zu erkennen und zusammenzustellen, welche im Rahmen von Rückfallstudien erwiesen haben, dass sie eine besonders hohe Rückfälligkeit beim Täter bewirken. Hierbei wird davon ausgegangen, dass sich diese Merkmale grundsätzlich dazu eignen, zukünftige Rückfälle bei Personengruppen zu prognostizieren, welche vergleichbare Merkmale aufweisen. Zu den Vorteilen von statistischen Verfahren lässt sich sagen, dass sie sich nach einem streng regelgeleiteten Vorgehen richten. Hierdurch wird das Risiko von menschlichen Urteilsfehlern sehr stark minimiert. Allerdings haben auch statistische Methoden ihre Nachteile. Denn für sich genommen sagen sie noch nichts über die individuell zu prognostizierende Person aus. Sie treffen lediglich eine statistische Aussage über das Durchschnittsverhalten eines mehr oder weniger stark eingegrenzten Personenkreises. Sie ermöglichen jedoch eine methodisch elegantere Herangehensweise. 38Die statistischen Prognosemethoden fußen auf einer empirisch-statistischen Einschätzung der Rückfallwahrscheinlichkeit, welche auf den Rückfallstudien der spezifischen Straftätergruppen aufbauen. Hierbei werden die Unterschiede von Aspekten und Merkmalen bei rückfälligen Personen und nicht rückfälligen Personen untersucht. Weiterhin wird berechnet, welche Merkmale auf einen Rückfall in die Straffälligkeit hindeuten. Alle Merkmale werden auf einer Prognosetafel aufgelistet und daraus ein Prognosescore erstellt. Dieser setzt sich aus Negativ- und Positivmerkmalen zusammen. Die Werte, die mit der zu beurteilenden Person verglichen werden, basieren auf der durchschnittlichen Rückfallquote der Personen aus dem gleichen Deliktsfeld. 39
Statistische Prognosen können in drei Varianten unterschieden werden. Sie können als
• einfaches Punkteverfahren
• Punktwertverfahren oder
• strukturiertes Punktewertverfahren
vorliegen. 40
Das einfache Punkteverfahren basiert auf der Annahme, dass jedes Merkmal den gleichen Wert hat. Somit erhält jedes Merkmal einen Punkt. Die Anzahl der vorliegenden Merkmale wird addiert.
Bei dem Punktwertverfahren werden Merkmale, die eine höhere Bedeutung für eine Rückfallwahrscheinlichkeit haben, höher bewertet. Somit werden die Merkmale verschieden gewichtet. 41So wurde beispielsweise nach den Forschungen des Ehepaars Glueck 42den sozialen Faktoren eine höhere Bedeutung zugemessen. Dabei wurden die Erziehung durch den Vater, die Aufsicht durch die Mutter, die Zuneigung des Vaters, die Zuneigung der Mutter und der Zusammenhalt in der Familie als soziale Faktoren besonders berücksichtigt. 43
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