Zu erwähnen sind dabei auch Todesfälle in Zusammenhang mit einer COVID-19-Infektion. Stand heute (07.01.2021) sind über 150 Beschäftigte unterschiedlicher Einrichtungen des Gesundheitswesens als auch von Gemeinschaftseinrichtungen wie Pflegeheimen verstorben. Auch wenn diese Daten nicht berufsgruppenspezifisch erhoben werden, ist davon auszugehen, dass Pflegende einen bedeutsamen Anteil an dieser Anzahl haben (RKI, 2021). Ende Oktober 2020 vermeldete der International Council of Nurses (ICN), dass weltweit bereits mehr Pflegende verstorben seien, als im Ersten Weltkrieg (Wyatt, 2020).
Umso kritischer muss man zur Kenntnis nehmen, dass die professionelle Pflege im Gesundheitswesen zwar systemrelevant, jedoch nicht systemintegriert ist. Pflegefachpersonen sind in Krisenstäben auf kommunaler, Landes- und Bundesebene per se nicht vertreten. Dies hat einerseits zur Folge, dass insbesondere Kommunen sich häufig erst zeitaufwendig einen Überblick über die pflegerische Versorgung vor Ort verschaffen mussten, bevor sie überhaupt zur Sicherstellung dieser tätig werden konnten (Pitz, 2021). Weiterhin müssen zur Krisenbewältigung Entscheidungen getroffen werden, die direkte Auswirkungen auf die pflegerische Versorgung in nahezu allen klinischen und außerklinischen Bereichen haben, ohne dass dabei pflegefachliche Expertise miteinbezogen wird.
Auch im öffentlichen Gesundheitsdienst, der durch die Pandemie an Bedeutung gewonnen hat, spielt Pflege trotz bestehender Konzepte wie Schulgesundheitspflege oder Community Health Nursing kaum eine Rolle. Dabei zeigt doch gerade die langwierige Diskussion über den Schulbetrieb während der Pandemie, wie notwendig die Fachkompetenzen unter anderem zu Hygiene und Infektionsschutz sowie Schulungs- und Beratungskompetenzen der Pflegenden an den Schulen sind (DBfK, 2020; Dichter, Kocks, Meyer & Stephan, 2020).
Die Notwendigkeit der beruflichen Selbstverwaltung und der Interessensvertretung
Welche Rolle spielen hier nun die Selbstverwaltung und die Interessensvertretung des pflegerischen Berufsstandes?
Gerade wenn es um die Sicherstellung der pflegerischen Versorgung auf Landesebene geht, kommt man an der Verkammerung des Pflegeberufs nicht vorbei. Es obliegt den Pflegekammern, alle Pflegefachpersonen in einem Bundesland zu registrieren und zur Sicherstellung der pflegerischen Versorgungsqualität die Fort- und Weiterbildung zu regeln. Gerade letzteres spielt insbesondere im Hinblick auf den Mangel an fachweitergebildeten Pflegenden in der Intensivpflege eine entscheidende Rolle, da diese nicht ohne weiteres durch Pflegende aus anderen Fachbereichen ersetzt werden können. Die vielen Versuche ausgeschiedene Pflegende zur Unterstützung in der Pflegeversorgung wieder zu gewinnen, nebst etlicher Initiativen und Register, die jedoch größtenteils unabhängig voneinander agieren, zeigen wie wichtig ein Überblick über Anzahl, Qualifikation und Erreichbarkeit von Pflegefachpersonen ist (Dichter, Kocks, Meyer, & Stephan, 2020; Mai, 2020). Darüber hinaus sind Pflegekammern relevant für die Beteiligung der professionellen Pflege an grundlegenden politischen Entscheidungen. Bislang wurden Einrichtungsträger, Kostenträger und die Kammern anderer Heilberufe selbstverständlich in Verhandlungen der Gesundheits- und Sozialpolitik miteinbezogen und an grundlegenden Entscheidungen beteiligt. Vertretende der professionellen Pflege werden zwar mittlerweile seit Ausbruch der Pandemie verstärkt angehört, jedoch hat ihre Stimme in politischen Entscheidungsprozessen kaum Gewicht.
Die Verkammerung kann jedoch nur ein Baustein der pflegerischen Selbstverwaltung sein. So wurden bereits im Frühjahr mit Verweis auf die Aufrechterhaltung der allgemeinen Daseinsfürsorge Ausnahmeregelungen vom Arbeitszeitgesetz in den sog. systemrelevanten Berufen diskutiert und teils auch beschlossen, wie etwa die COVID-19-Arbeitszeitverordnung (Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2020) oder auch die niedersächsische Allgemeinverfügung (Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, 2020). Die genannten Verordnungen sahen eine Ausweitung der Arbeitszeit auf bis zu 12 Stunden täglich und bis zu 60 Stunden wöchentlich vor sowie eine Reduktion der täglichen Ruhezeit. Diese Einschränkung der Arbeitnehmerrechte ist insbesondere für die berufliche Pflege von hoher Relevanz, angesichts der damit einhergehenden gesundheitlichen Belastungen und Sicherheitsrisiken zusätzlich zur bereits bestehenden Überlastung. Hier zeigt sich die Bedeutung einer gewerkschaftlich gut organisierten Pflege, mit der das Ausreizen solcher Ausnahmeregelungen im Arbeitsalltag verhindert werden könnte.
Neben Gewerkschaften und Pflegekammern spielen jedoch auch Berufsverbände und Fachgesellschaften eine zentrale Rolle zur pflegeberuflichen Interessensvertretung. Sie vertreten die fachliche und wissenschaftliche Seite der Pflege, verbreiten das entsprechende Fachwissen und bringen es in die politische Entscheidungsfindung ein. So erarbeitete die Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft (DGP) während des Pandemiejahres 2020 zwei S1-Leitlinien zur Versorgung von Menschen mit Pflegebedarf aber auch zur Sicherstellung der sozialen Teilhabe während der COVID-19 Pandemie. 4 4 S1 Leitlinie »Soziale Teilhabe und Lebensqualität in der stationären Altenhilfe unter den Bedingungen der COVID-19-Pandemie« https://dg-pflegewissenschaft.de/wp-content/uploads/2020/08/184-001l_S1_Soz_Teilhabe_Lebensqualitaet_stat_Altenhilfe_Covid-19_2020-08.pdf S1 Leitlinie »Häusliche Versorgung, soziale Teilhabe und Lebensqualität bei Menschen mit Pflegebedürftigkeit im Kontext ambulanter Pflege unter den Bedingungen der COVID-19-Pandemie« https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/184-002l_S1_Haeusliche-Versorgung-soziale-Teilhabe-Lebensqualitaet-bei-Menschen-mit-Pflegebedarf-COVID19-Pandemie_2020-12.pdf
Die DGP stellt hier pflegewissenschaftliche Erkenntnisse für eine sichere Versorgung von Menschen mit Pflegebedarf zur Verfügung, die aber auch in der Beratung von politischen Entscheidungsträgern benötigt werden, um auch die notwendigen Bedingungen zur Anwendung zu schaffen.
Die Rolle der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz
In Rheinland-Pfalz steht die Landespflegekammer im ständigen Kontakt und Austausch mit den Gesundheitsministerien auf Bundes- und Landesebene, den Partnern im Gesundheitswesen und allen relevanten Landesbehörden. So ist sie vor allem in das Krisenmanagement des Landes eingebunden und fungiert dabei als zentraler Ansprechpartner zur Sicherstellung der pflegerischen Versorgung. Dabei ist sie auch eine wichtige Schnittstelle zwischen den Krisenstäben auf Landesebene und ihren Mitgliedern, den Pflegefachpersonen in Rheinland-Pfalz. So konnten die registrierten Pflegefachpersonen regelmäßig und zeitnah über die aktuelle Lage in ihrem Bundesland informiert werden. In Beratungsgesprächen erhielten die Mitglieder nicht nur Antwort auf konkrete Fragestellungen, wie dem Arbeitsschutz und Hygienerichtlinien, sondern sie gaben auch wichtige Hinweise über Situation und Problemlagen in der pflegerischen Versorgung, die dann im Krisenstab aufgegriffen werden konnten.
Als absehbar war, dass man zur Ausweitung der Intensivkapazitäten auch auf Pflegende aus anderen Fachbereichen angewiesen war, wurde ein Curriculum entwickelt, um Pflegefachpersonen zur Aushilfe und Unterstützung auf Intensivstationen zu schulen und einzuarbeiten. Dies kann natürlich weder Fachweiterbildung noch Berufserfahrung in der Intensivpflege ersetzen, jedoch verhindert diese Maßnahme, dass Pflegende unvorbereitet auf Intensivstationen eingesetzt werden. Durch eine zentrale Meldestelle, die in Zusammenarbeit mit der Landesregierung eingerichtet wurde, ist es möglich, den Überblick darüber zu erhalten, wer diese Kurzqualifizierung durchführt und wie viele Pflegende zur Unterstützung für den Bedarfsfall zur Verfügung stehen.
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