Christoph Türcke
Heimat
Eine Rehabilitierung
Dank
an Oliver Decker für die kritische Lektüre
des Manuskripts
© 2006 zu Klampen Verlag · Röse 21 · D-31832 Springe
info@zuklampen.de· www.zuklampen.de
Satz: thielen VERLAGSBÜRO, Hannover (Gesetzt aus der Concorde BE)
Umschlag: Matthias Vogel (paramikron), Hannover
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014
ISBN 9783866743304
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹ http://dnb.ddb.de› abrufbar.
Cover
Titel Christoph Türcke Heimat Eine Rehabilitierung
Dank Dank an Oliver Decker für die kritische Lektüre des Manuskripts
Impressum © 2006 zu Klampen Verlag · Röse 21 · D-31832 Springe info@zuklampen.de · www.zuklampen.de Satz: thielen VERLAGSBÜRO, Hannover (Gesetzt aus der Concorde BE) Umschlag: Matthias Vogel (paramikron), Hannover 1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014 ISBN 9783866743304 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹ http://dnb.ddb.de › abrufbar.
Vorwort Vorwort Heimat ist ein deutsches Wort, das sich nicht umstandslos in andere Sprachen übersetzen läßt. Heim, Haus, Schutz, Seßhaftigkeit schwingen da mit. Heimat ist, wo man zu Hause, geborgen, mit allem vertraut ist. Das lateinische patria hat dagegen schon einen herrschaftlichen Anklang, spielt auf den Vater als die Recht und Ordnung setzende Autorität an, auch wenn das Vaterland im alten Rom noch nicht zu jener neuzeitlichen Größe geschwollen war, für die nationale Heere zu Marschmusik in die Schlacht ziehen, sondern ganz nüchtern das Land bedeutete, wo der Vater wohnte. Das französische pays natal oder das englische native place wiederum bescheiden sich beim Geographischen, geben lediglich das Land oder den Ort an, wo jemand geboren ist, ohne Verweis auf eine Autorität, aber auch ohne jeden Beiklang von Vertrautheit oder Geborgenheit. Letzteren hat am ehesten das englische homeland . Dennoch klingt es nüchterner. Es hat sich weniger Bedeutung, Erwartung, Sehnsucht darin abgelagert als in Heimat. Heimat ist ein Idiom – schwer belastet mit Geschichte. Deutsche Romantik, deutsche Volkstümelei und deutscher Faschismus haben sich ausgiebig seiner bedient. Unzählige Male ist es mißbraucht und verhunzt worden. Nicht, daß es daran vollkommen unschuldig wäre. In jedem Wort steckt eine Prise Mehrdeutigkeit, jedes strahlt etwas Zwielicht aus. Es gibt keine reinen Worte, nur mehr oder weniger mißhandelte. Aber ihr Mißbrauch raubt ihnen keineswegs alle Berechtigung. Nur weil die Worte Freiheit und Gerechtigkeit so oft verdreht wurden, soll man sie nicht mehr verwenden dürfen? Im Gegenteil; ihr verantwortungsvoller Gebrauch wird um so dringlicher. Das gilt nicht minder für Heimat. Solange das Gefühl, das sich Heimweh nennt, bei kleinen und großen Kindern – und wer ist schon hundertprozentig erwachsen – nicht ausstirbt, gibt es keinen vernünftigen Grund, das Wort Heimat aus der deutschen Sprache zu tilgen. Es wird vielmehr Zeit, sich ihm erneut zu stellen. Es hat eine dunkle Geschichte, die der Erhellung bedarf, und es hat womöglich mehr Zukunft, als uns lieb ist. Je mehr Heimatlosigkeit die mobile, flexible neoliberale Welt mit sich bringt, desto mehr drängt sich Heimat auf.
1. Kindheit
2. Nation
3. Globus
4. Heimatkunde
Anmerkungen
Heimat ist ein deutsches Wort, das sich nicht umstandslos in andere Sprachen übersetzen läßt. Heim, Haus, Schutz, Seßhaftigkeit schwingen da mit. Heimat ist, wo man zu Hause, geborgen, mit allem vertraut ist. Das lateinische patria hat dagegen schon einen herrschaftlichen Anklang, spielt auf den Vater als die Recht und Ordnung setzende Autorität an, auch wenn das Vaterland im alten Rom noch nicht zu jener neuzeitlichen Größe geschwollen war, für die nationale Heere zu Marschmusik in die Schlacht ziehen, sondern ganz nüchtern das Land bedeutete, wo der Vater wohnte. Das französische pays natal oder das englische native place wiederum bescheiden sich beim Geographischen, geben lediglich das Land oder den Ort an, wo jemand geboren ist, ohne Verweis auf eine Autorität, aber auch ohne jeden Beiklang von Vertrautheit oder Geborgenheit. Letzteren hat am ehesten das englische homeland . Dennoch klingt es nüchterner. Es hat sich weniger Bedeutung, Erwartung, Sehnsucht darin abgelagert als in Heimat.
Heimat ist ein Idiom – schwer belastet mit Geschichte. Deutsche Romantik, deutsche Volkstümelei und deutscher Faschismus haben sich ausgiebig seiner bedient. Unzählige Male ist es mißbraucht und verhunzt worden. Nicht, daß es daran vollkommen unschuldig wäre. In jedem Wort steckt eine Prise Mehrdeutigkeit, jedes strahlt etwas Zwielicht aus. Es gibt keine reinen Worte, nur mehr oder weniger mißhandelte. Aber ihr Mißbrauch raubt ihnen keineswegs alle Berechtigung. Nur weil die Worte Freiheit und Gerechtigkeit so oft verdreht wurden, soll man sie nicht mehr verwenden dürfen? Im Gegenteil; ihr verantwortungsvoller Gebrauch wird um so dringlicher. Das gilt nicht minder für Heimat. Solange das Gefühl, das sich Heimweh nennt, bei kleinen und großen Kindern – und wer ist schon hundertprozentig erwachsen – nicht ausstirbt, gibt es keinen vernünftigen Grund, das Wort Heimat aus der deutschen Sprache zu tilgen. Es wird vielmehr Zeit, sich ihm erneut zu stellen. Es hat eine dunkle Geschichte, die der Erhellung bedarf, und es hat womöglich mehr Zukunft, als uns lieb ist. Je mehr Heimatlosigkeit die mobile, flexible neoliberale Welt mit sich bringt, desto mehr drängt sich Heimat auf.
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