Christoph Türcke
Luther –
Steckbrief eines Überzeugungstäters
Dieser Text ist ein Essay; deshalb seine essayistische Zitierweise.
Sie ist durchaus auf genaue Nachweise bedacht, aber weder auf einheitliche Gesamtausgaben, die der Leser ohnehin selten zur Hand hat, noch auf die originale Schreibweise der Reformationszeit.
© 2016 zu Klampen Verlag · Röse 21 · 31832 Springe
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Umschlaggestaltung: Hildendesign · München · www.hildendesign.de
Umschlagmotiv: © HildenDesign unter Verwendung mehrerer Motive von shutterstock.com, u. a. Martin Luther (1483–1546).
Engraved by C. E. Wagstaff and published in The Gallery Of Portraits
With Memoirs encyclopedia, United Kingdom, 1833
Satz: Germano Wallmann · Gronau · www.geisterwort.de
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2016
ISBN 978-3-86674-490-5
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹ http://dnb.dnb.de› abrufbar.
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Titel Christoph Türcke Luther – Steckbrief eines Überzeugungstäters
Impressum Dieser Text ist ein Essay; deshalb seine essayistische Zitierweise. Sie ist durchaus auf genaue Nachweise bedacht, aber weder auf einheitliche Gesamtausgaben, die der Leser ohnehin selten zur Hand hat, noch auf die originale Schreibweise der Reformationszeit. © 2016 zu Klampen Verlag · Röse 21 · 31832 Springe www.zuklampen.de Umschlaggestaltung: Hildendesign · München · www.hildendesign.de Umschlagmotiv: © HildenDesign unter Verwendung mehrerer Motive von shutterstock.com , u. a. Martin Luther (1483–1546). Engraved by C. E. Wagstaff and published in The Gallery Of Portraits With Memoirs encyclopedia, United Kingdom, 1833 Satz: Germano Wallmann · Gronau · www.geisterwort.de E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2016 ISBN 978-3-86674-490-5 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹ http://dnb.dnb.de › abrufbar.
Vorwort
Die »Wegbereiter«
Der Teufel
Die via moderna
Der Durchbruch
Der Ablaß
Das Management des Hochgefühls
Der innere und der äußere Mensch
Die zwei Reiche
Die Bauern
Der liebe Sohn – der ungezogene Sohn
Juden und Hexen
Der Überzeugungstäter
Dank
Der Autor
Christoph Türcke bei zu Klampen
Fußnoten
Das Mittelalter: das war jene lange Zeit vom achten bis zum fünfzehnten Jahrhundert, in der sich das Christentum in skandalöser Weise von seinem Ursprung entfernt hatte. Die biblischen Schriften waren von kirchlichen Verordnungen und Heiligenlegenden überwuchert worden; der Glaube an die rettende Heilstat Christi vom Glauben an die wundertätigen Wirkungen der Heiligen und ihrer sterblichen Überreste sowie an die Gottgefälligkeit großer Kirchenbauten, die sich stets über Heiligenreliquien wölbten. Je mehr Prachtkirchen emporwuchsen, desto mehr mutierten ihre Bauherren, die Kirchenfürsten, zu weltlichen Herrschern – und die niederen Kleriker zu Gesinnungswächtern. Sie zitierten die Christen einzeln in den Beichtstuhl, nötigten sie, alle Seelenfalten offenzulegen, alle Verfehlungen in Gedanke, Wort und Tat zu gestehen, und verhängten nach einem detailliert gestaffelten Strafregister empfindliche Bußstrafen der Selbstdemütigung, der Entbehrung, der Wallfahrt – oder entsprechende Geldzahlungen. Die Konvertierbarkeit von Bußstrafen in Sachleistungen war zu einer erheblichen kirchlichen Einnahmequelle geworden. Der Ablaßhandel blühte. Und dann kam eines Tages derjenige, der dieses Gespinst aus Aberglaube, Magie und Geschäftstüchtigkeit mit einem einfachen Satz zerriß. »Als unser Gott und Herr Jesus Christus sagte: Tut Buße usw., da wollte er, daß das ganze Leben der Gläubigen eine Buße sei«.1 So lautet die erste der 95 Thesen, die Martin Luther am 31. Oktober 1517, am Tag vor Allerheiligen, an die Tür der Schloßkirche zu Wittenberg schlug. Mit diesen Hammerschlägen begann eine neue Epoche. Der Schacher ums Seelenheil verlor seinen Kredit. In Glaubensdingen sollte niemand mehr einem Klerus verantwortlich sein, jeder nur noch dem eigenen Gewissen. Das war der Durchbruch zur Gewissens-, Denk- und Redefreiheit. Sie darf als das Wahrzeichen der europäischen Neuzeit gelten und ist als ihr höchstes Gut zu bewahren und verteidigen.
So weit die Grundzüge der Reformationslegende. Erstaunlich, wie wenig die zahllosen wissenschaftlichen Untersuchungen, die die Reformation inzwischen durchleuchtet haben, diese Legende zu entkräften vermochten. Es ist damit ähnlich wie mit Jesu Geburt. Daß sie nicht in Bethlehem stattfand, ist allen ernst zu nehmenden Historikern klar. Aber alle Weihnachten wieder reden Politiker und Nachrichtensprecher weltweit von den Feierlichkeiten in der Bethlehemer »Geburtskirche«. Kaum minder aufklärungsresistent ist die Reformationslegende. Das Geringste sind noch die symbolträchtigen Hammerschläge. Daß Luther seine Thesen an der Tür der Wittenberger Schloßkirche »angeschlagen« habe, hat Philipp Melanchthon, der 1517 noch gar nicht in Wittenberg war, erst nach Luthers Tod behauptet. Wenig spricht dafür. Leim läßt Papier an Kirchentüren entschieden besser haften als Nägel. Gut möglich, daß Luther seine Thesen an die Kirchentüren Wittenbergs kleben ließ; wir wissen es nicht. Viel wichtiger und unbestritten ist, daß sie gedruckt und gezielt an Multiplikatoren versandt wurden. Nur so erregten sie in kürzester Zeit landesweit jenes überwältigende Aufsehen, das ihren Autor mit fortriß und an eine höhere Fügung glauben ließ. Aber nach wie vor bekommen die Touristen in Wittenberg die Schloßkirchentür als Ort des »Anschlags« vorgeführt, der die Welt bewegte.
Und wie im Kleinen, so im Großen. Daß das christliche Abendland lange vor Luther von tiefen Glaubwürdigkeits- und Glaubenskrisen geschüttelt wurde, ist allgemein bekannt. Und doch ist es immer wieder er, auf den sich der Lichtkegel der Aufmerksamkeit richtet, als sei es die Kraft seiner Glaubensinbrunst und Predigt gewesen, die das Mittelalter einstürzen ließ. Ist es Zufall, daß diese Legende just zu der Zeit, als der sogenannte Realsozialismus zusammenbrach, im Ursprungsland der Reformation neuen Auftrieb bekam? Die DDR hatte Luther das Etikett »Fürstenknecht« aufgedrückt. Die deutsche Wiedervereinigung bescherte den Stätten seiner Geburt und seines Wirkens alsbald den Ehrentitel »Lutherstadt«. Dies Wort gehört seither zum Ortsnamen, es steht mit auf dem Orts- oder Bahnhofsschild. Zwar darf heute jeder auch die unschönen Seiten des Reformators hervorheben: seine persönlichen und theologischen Grobheiten gegenüber Freunden und Feinden, seine Aufforderung zu unbedingtem Gehorsam gegenüber der weltlichen Obrigkeit, zur Niederschlagung des Bauernaufstands, zur Vertreibung der Juden. Doch was macht das schon? Das Unschöne an Luther hat in der öffentlichen Wahrnehmung ein gleichsam katholisches Ansehen gewonnen. Es firmiert unter »läßlichen Sünden«, die zwar nicht zu verteidigen sind, aber die Person »menschlicher« erscheinen lassen: als Kind ihrer Zeit. Sie fungieren als der Schatten, von dem sich Luthers theologische Kernbotschaft um so leuchtender abhebt. Letztere wird inzwischen selbst vom Katholizismus als epochaler Durchbruch bewertet. Die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre , die katholische Kirche und lutherischer Weltbund 1999 verabschiedeten, bekennt im Artikel 3.17: »Gemeinsam sind wir der Überzeugung, daß die Botschaft von der Rechtfertigung uns in besonderer Weise auf die Mitte des neutestamentlichen Zeugnisses von Gottes Heilshandeln in Christus verweist: Sie sagt uns, daß wir Sünder unser neues Leben allein der vergebenden und neuschaffenden Barmherzigkeit Gottes verdanken, die wir uns nur schenken lassen und im Glauben empfangen, aber nie – in welcher Form auch immer verdienen können.«
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