Nebengebäude 9
Nebengebäude 10 und 11
Nebengebäude 12 und 13
Eine besondere Bauform mit gallischen Wurzeln
Das Landgut im Wandel der Zeit
Die kleine Nachbarvilla am „Furtweg“
Der vicus von Bliesbruck
Das frühmittelalterliche Reinheim
Literatur
Abbildungsnachweis
Der Autor
Abb. 1 Gesamtplan der Großvilla von Reinheim.
Die gallo-römische villa von Reinheim zählt zu den größten bekannten ihrer Art im südwestdeutschen und nordfranzösischen Raum. Nachdem bereits im 19. Jh. erste Ausgrabungen im Hauptgebäude stattfanden, werden die Überreste der Anlage seit 1987 kontinuierlich freigelegt und konserviert. Das ländliche Domizil mit einer Gesamtgröße von 7 ha gliederte sich in einen herrschaftlichen Wohnbereich ( pars urbana ) mit Hauptgebäude und ein längsaxiales Hofareal ( pars rustica ) mit diversen Wirtschaftsbauten (Abb. 1). Dieser Bautypus kommt im römischen Mutterland nicht vor, weist in seiner Ausführung jedoch die typischen Elemente römischer Architektur auf.
Das Landgut entstand um die Mitte des 1. Jhs. n. Chr. und erlebte seine Blütezeit im 2. und frühen 3. Jh. n. Chr. Die Größe und der repräsentative Charakter der villa sprechen dafür, dass die Besitzerfamilie der sozialen Oberschicht in Ostgallien angehörte. Mit diesem Landsitz als Zentrum eines Großgrundbesitzes übten die Eigentümer sicherlich einen erheblichen wirtschaftlichen Einfluss aus, nicht zuletzt auch auf den nur wenige hundert Meter entfernt liegenden vicus von Bliesbruck. Für die uns namentlich nicht überlieferten Besitzer darf zudem vermutet werden, dass sie öffentliche Ämter innerhalb der civitas Mediomatricorum , dem sich selbstverwaltenden Stammesgebiet der alteinheimischen keltischen Mediomatriker mit dem Hauptort Divodurum /Metz, bekleideten.
Einhergehend mit den Germaneneinfällen in der zweiten Hälfte des 3. Jhs. n. Chr. verlor die villa ihren herrschaftlich-repräsentativen Charakter und diente fortan der Unterbringung einfacher Werkstätten. Mitte des 4. Jhs. n. Chr., einer Zeit geprägt von erneuten Germaneneinfällen und Bürgerkriegswirren, geriet die Anlage schließlich in Brand. In der Folgezeit erfuhr sie nur noch eine sporadische Nutzung, ehe sie wenige Jahrzehnte später gänzlich zur Ruine verfiel.
Das vorliegende Buch soll dem Leser einen anschaulichen Überblick zum Aussehen und der Geschichte des Landgutes vermitteln und fasst dazu den aktuellen Forschungsstand zusammen. Zugleich dient es als Führer durch die heute komplett konservierte Anlage.
Die villa von Reinheim entstand am Unterlauf des kleinen Flusses Blies in einer Talniederung, die von sanft abfallenden Hängen gerahmt wird (Abb. 2). Fruchtbare Muschelkalkböden und ein reiches Vorkommen an Quellen stellten ideale Voraussetzungen für eine landwirtschaftliche Nutzung der Gegend dar. Dies führte dazu, dass in dem abgelegenen Teil der Provinz Gallia Belgica in der römischen Kaiserzeit ein dichtes Netz aus villae rusticae (Gutshöfen) entstand. Nur etwa 300 m südlich der villa von Reinheim war um 40/50 n. Chr. eine Straßensiedlung, der vicus von Bliesbruck, entstanden (Abb. 3). Diese Siedlung, deren antiker Name uns nicht bekannt ist, wies im 2. und 3. Jh. n. Chr. mit Thermen, einer Marktbasilika und dicht bebauten Handwerkervierteln ein kleinstädtisches Gepräge auf und stellte einen Umschlagplatz für regionale Erzeugnisse aus der Landwirtschaft dar. Es ist durchaus möglich, dass der vicus auf dem Grund und Boden der Herren von Reinheim gegründet wurde, die im Hinblick auf wirtschaftlichen Profit dessen Entwicklung förderten. An einer wichtigen Durchgangsstraße am Ufer der für Flachbodenkähne und Flöße schiffbaren Blies gelegen, bot sich den Besitzern der villa eine infrastrukturell hervorragende Ausgangssituation, die über mindestens zwei Jahrhunderte das Wohlergehen der Anlage sicherte.
Abb. 2 Blick von Südosten auf den Talkessel mit dem vicus von Bliesbruck und der Großvilla von Reinheim (2012).
Abb. 3 Plan des Talkessels zwischen Bliesbruck und Reinheim mit den bislang bekannten römischen Fundplätzen: 1 Großvilla Reinheim, 2 Vicusgräberfeld „Auf dem Sand“, 3 vicus Bliesbruck, 4 Vicusgräberfeld „Gare de Bliesbruck“, 5 villa rustica Bliesbruck „Les Champs“, 6 villa rustica Reinheim „Am Furtweg“, 7 Gräberfeld „Am Furtweg“, 8 u. 9 römische Anlage (Heiligtum?) mit spätlatènezeitlichem Vorgängerbau Reinheim „Auf dem Horres“, 10 römischer Kultplatz auf dem „Homerich“, 11 römisches Gebäude Reinheim „Brücker Trischer“. Gelb unterlegt: Ausgrabungsflächen; gelblich-transparent: Geophysikalisch prospektierte Flächen.
Vom Trümmerhügel zum Archäologiepark – Ein forschungsgeschichtlicher Überblick
Südlich des saarländischen Grenzdorfes Reinheim befanden sich inmitten der flachen Bliesaue zwei schwache Geländeerhebungen. Eine davon wurde im Volksmund „Heidenhübel“ genannt, da man in ihrem Bereich beim Ackerbau stets auf antike Relikte stieß. Die andere, der sog. Katzenbuckel, entpuppte sich 1954 als das Überbleibsel dreier erodierter Monumentalgrabhügel aus der Eisenzeit, darunter auch ein frühlatènezeitliches Fürstinnengrab (370 v. Chr.). Zwar hatte man beim „Heidenhübel“ durch Grabungen im 19. Jh. schon viel früher begonnen, seine Geheimnisse zu lüften, doch sollte sich seine wahre Bedeutung erst in den 1980/90er-Jahren herausstellen.
Abb. 4 Die Bliesaue südlich von Reinheim 1953, ein Jahr vor der Entdeckung des keltischen Fürstinnengrabes. Die Fläche, unter der sich die Ruinen der römischen villa befinden (linke Bildmitte), wurde damals landwirtschaftlich intensiv genutzt. Die schmalen Ackerparzellen sind das Ergebnis der Realerbteilung.
Abb. 5 Grabungsplan aus dem 19. Jh., auf dem der Grundriss von Mauerzügen im Badetrakt und im Ostflügel festgehalten ist.
Erste Ausgrabungen auf dem „Heidenhübel“ sind aus den Jahren 1806, 1809, 1841 und 1879 überliefert. Bei letzteren, welche durch den Historischen Verein der Pfalz aus Speyer durchgeführt wurden, hielt man an dem Fundplatz erstmals freigelegte Mauerzüge in Grundrissen fest (Abb. 5). Die dabei dokumentierten Reste eines Bades sowie eines Wohntraktes waren der erste Beleg dafür, dass es sich bei der Geländeerhebung um den Schutthügel eines großen Gebäudes aus römischer Zeit handelt. Unter den im 19. Jh. gemachten Funden ist besonders eine kleine Sandsteinstatue der kleinasiatischen Göttin Kybele (Abb. 7) zu erwähnen.
Danach verschwand die antike Ruinenstätte für fast ein Jahrhundert wieder aus dem Fokus der Wissenschaft. In den 1950er- und 60er-Jahren führte dann der großflächige Abbau von Kies und Sand in der Bliesaue zur Entdeckung eines weiteren römischen Gebäudes etwa 50 m südöstlich des „Heidenhübels“. Wie sich später herausstellen sollte, handelte es sich hierbei um das Nebengebäude 13 (vgl. Abb. 72), welches in groben Zügen freigelegt wurde und anschließend vollständig dem Kiesabbau zum Opfer fiel. An dieser Stelle befindet sich heute ein Weiher.
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