1 ...7 8 9 11 12 13 ...18 François Bonal, ein Kenner der Materie, vermutet die Herkunft übergroßer Flaschen im Bordelais:
»Les Bordelais utilisent le vocable jéroboam depuis 1725. Adopté en Champagne, il est probable que la désignation des autres bouteilles y a simplement été faite par analogie avec la première de la série. Jéroboam était le fondateur et premier souverain (…) du royaume d’Israël. Quant à l’explication de l’adoption du mot jéroboam par les Bordelais, peut-être faut-il la chercher dans la Bible , qui précise que Jéroboam était un homme de grand valeur ; un jéroboam de Château Latour est incontestablement une bouteille de grand valeur!«. (Bonal, 1984, S. 197).
Für die Benennung der großen Flasche mit »Jerobeam« sei also die Bibel verantwortlich, die diesen ersten König des Reiches Israels als einen Mann von »großer Wertschätzung/großem Wert«, bezeichne – was ebenso für die Flasche mit ihrem Inhalt gelte. Diese Deutung ist aber nicht unproblematisch, weil unklar bleibt, ob die Übersetzung ins Französische (»grand valeur« – »großer Wert«/»große Wertschätzung«), zu der es in verschiedenen französischen Bibelausgaben durchaus Alternativen gibt (z. B. »fort et vaillant« – »stark und tapfer«), den damaligen Schöpfern der Bezeichnung »Jerobeam« überhaupt vorlag. Weiterhin ist die eingangs zitierte Valmai Hankel der abweichenden Auffassung, dass die Bezeichnung »Jerobeam« für die Doppelmagnumflasche erst viel später, nämlich im Jahre 1889, nachweisbar sei. Die Benennung wäre damit vor einem ganz anderen historischen Zusammenhang, dem ausgehenden 19. Jh., entstanden.
Frau Hankels Vermutung passt zu dem Eintrag »Jéroboam« im »Trésor de la langue française«, wo sich dieses Datum ebenfalls findet und wo weiterhin auf einen Eintrag im »New English Dictionary« von 1816 verwiesen wird, in dem sich unter dem Stichwort »Jeroboam« auch die Bezeichnung »großer Kelch«. (»large bowl/goblet«) findet. Insofern wäre die Herkunft der Bezeichnung geographisch nach England zu verorten. Die größeren Flaschen seien dann v.a. erst im 20. Jh. mit dem Fortschritt der Glasherstellung in Mode gekommen. So deutet alles darauf hin, dass wir es mit einer relativ späten Idee zu tun haben, die wohl im England des 19. Jhs. aufkam und dann ein Fortleben entwickelte. Von Bonals oben wiedergegebenen Ausführungen bliebe damit nur noch die nachvollziehbare These bestehen, nach der die größeren Flaschen ihre biblischen Namen in Analogie zu der ersten, mit Jerobeam bezeichneten, erhalten hätten.
So bleibt, vor dem Hintergrund der altorientalischen und biblischen Überlieferung nochmals nach den einzelnen Paten zu fragen und nach dem, was zu ihrer Patenschaft inspiriert haben könnte.
Jerobeam (3 l.): Der keilschriftlich nicht bezeugte König Jerobeam (I.) steht neben seiner oben erwähnten Tüchtigkeit in der Bibel noch mehr für die Sünden, zu denen er Israel verführte: »Er wird Israel preisgeben wegen der Sünden, die Jerobeam begangen und zu denen er Israel verführt hat«. (1 Kön 14,16). So geht Jerobeam I. als derjenige König in die biblische Geschichte ein, der letztlich den späteren Untergang des Königreichs zu verantworten hatte.
Salmanassar (6 l.): Bei den assyrischen Königen mit dem Namen Šulmānu-ašarēd »([Gott] Šulmanu ist der vorderste«) lassen sich fünf unterschiedliche Herrscher anführen. Da, wie hinlänglich gezeigt werden konnte, die biblische Überlieferung der Benennung der übergroßen Flaschen zugrundelag, dürfte der Bezug bei dem letzten Träger des Namens, Salmanassar V., liegen. Denn eben dieser Herrscher bereitete dem (sündigen) Königreich Israel im Jahre 722 v. Chr. sein politisches Ende.
Balthasar (9 l.): Nach den babylonischen Quellen war Bēl-šarra-uṣur (»Herr, beschütze den König!«) nur ein kurzer Auftritt in der altorientalischen Geschichte vergönnt. Als Sohn des reichlich extravaganten Königs Nabû-nā’id (»[Gott] Nabû, der erhaben ist« = Nabonid) vertrat er während des zehnjährigen Aufenthaltes seines Vaters in der Wüste den Thron, allerdings ohne ihn jemals als König zu besteigen. Biblisch ist er als Sohn des Nebukadnezar für sein Gelage mit den heiligen Gefäßen des Tempels berüchtigt (Daniel 5). Die dabei an der Wand erscheinende Menetekel-Inschrift befindet ihn als zu »leicht« für die Ausübung der Herrschaft – was wiederum durchaus zu den historischen Gegebenheiten passt (Abb. 6).

Abb. 6:Rembrandt, Das Gastmahl des Belsazar.
Letztendlich bleiben alle Theorien über die Entstehung der Namenvergabe im Bereich des Spekulativen und es kann lediglich konstatiert werden, dass die Namenspatrone einzig auf die biblische Überlieferung und deren Deutung und nicht etwa die altorientalischen Primärquellen zurückzuführen sind. Es sei denn ob dieser Schleierhaftigkeit der Etikettierungen gestattet, einige hypothetische Überlegungen an den Schluss unseres Beitrages zu stellen.
Die v.a. von französischen Autoren favorisierte Datierung der Flaschengröße »Jerobeam« ins frühe 17. Jh. könnte auf christliche Klöster als Aspiranten für den Brauch der spezifischen Namensgebung hindeuten, gehören Klöster doch in Europa zu den ältesten und bedeutendsten Weinproduzenten. So verdankt ein bekannter Champagner seinen Namen dem Benediktiner Pierre (Dom) Perignon. In diesen Kreisen dürften die biblischen Könige geläufig gewesen sein.
Folgt man indes den Hinweisen auf die ältesten Belege der Lexeme (siehe oben), so dürfte hingegen in wohlhabenden britischen Kreisen des 19. Jhs. der Humor eine Triebfeder für die Verbindung von Wein und Gebinde mit der Bibel gewesen sein. Die Namensgebung wäre dann aus der Perspektive der Konsumenten in gewisser Weise selbstironisch und nicht, wie für den angelsächsischen Raum durchaus anzunehmen, im Sinne einer calvinistischen Frömmigkeit verwerflich.
Dass eine einzelne Sekt- oder Weinkellerei sich aus werbestrategischen Gründen die Herstellung und Benennung übergroßer Flaschen in der ersten Hälfte des 20. Jhs. zu eigen gemacht hat, kann man wohl ob eines definitiv nicht eingeforderten Urheberrechts getrost ausschließen.
Literatur
F. Bonal, Le livre d’or du Champagne, Lausanne 1984.
J.-F. Gauthier, Le vin, idées reçues, Paris 2001.
V. Hankel, From Magnum to Nebuchadnezzar, in: The Australian and New Zealand Wine Industry Journal 18/5, 2003, S. 64f.

Weinanbaugebiete in biblischer Zeit
Wolfgang Zwickel
Üblicherweise hat jede Landschaft Schwerpunkte in der landwirtschaftlichen Produktion. Nicht überall wird alles in gleichem Umfang hergestellt. Es gibt ökonomische Schwerpunkte, die ihre Grundlagen in den Bodenbedingungen, den klimatischen Verhältnissen und anderen Gründen haben. Wie verhielt es sich diesbezüglich mit dem Weinanbau in alttestamentlicher Zeit? Dieser Frage soll mithilfe unterschiedlicher Perspektiven nachgegangen werden. Solche ökonomischen Schwerpunkte zu erfassen, ist ein wichtiger Schritt hin zu einer Wirtschaftsgeschichte der biblischen Zeiten, die bislang noch nicht ausreichend erforscht ist.
Bedeutung des Weins in biblischer Zeit
Das Land der Bibel ist ein altes Weinland. Schon auf den ersten Seiten der Bibel wird der angeblich älteste Winzer der Welt genannt: Noah (Genesis 9,20). Wein war ein zentrales Getränk in der südlichen Levante, zu der die heutigen Länder Israel, Jordanien und Palästina/Westbank gehören. Wer auf den Feldern in der Sommerhitze arbeitet, sollte 4 – 5 l Flüssigkeit pro Tag trinken. Sicherlich tranken viele Menschen damals Wasser. Aber in weiten Teilen des Landes ist das Quellwasser salzhaltig oder brackig und daher nicht unbedingt ideal als Getränk. Eine biblische Geschichte erwähnt sogar, dass das Wasser der Quelle von Jericho zu Fehlgeburten führe. Erst ein Wunder des Propheten Elias machte das Wasser wieder trinkbar (2 Könige 2,19 – 22). Ähnliche Nachrichten von Krankheiten, verursacht durch untrinkbares Wasser, gibt es auch in der arabischen Überlieferung.
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