Anna Malou - Strandkorb und andere Kurzgeschichten

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Das Leben in der Familie, mit Freunden, als Paar zu Hause oder in der Fremde, alles das beleuchtet Anna Malou in ihren Texten. So manches Mal gibt es eine überraschende Wende, wird mit einem Augenzwinkern eine Situation beschrieben, wird kritisch ein Zusammenhang durchleuchtet. Bei allen Texten jedoch wird deutlich, dass Anna Malou eine genaue Beobachterin von Menschen ist, denn immer wieder ist sie an menschlichem Miteinander interessiert und beschreibt Menschen mit ihren Stärken und Schwächen.

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Anna Malou

STRANDKORB

und weitere Kurzgeschichten

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2016

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.deabrufbar.

Copyright (2016) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2016

www.engelsdorfer-verlag.de

INHALT

Cover

Titel Anna Malou STRANDKORB und weitere Kurzgeschichten Engelsdorfer Verlag Leipzig 2016

Impressum Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Copyright (2016) Engelsdorfer Verlag Leipzig Alle Rechte beim Autor Hergestellt in Leipzig, Germany (EU) 1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2016 www.engelsdorfer-verlag.de

Strandkorb

Vergessen

Fantasiereise

Miteinander

Macht

Mondlicht

Labyrinth

Bolero

Augenblick

Zeit zum Wiedersehen

Ankommen

Mutter

Seitenwechsel

Susan

Eine Reise zwischen zwei Welten

Ferien vom Alltag oder Protokoll eines Tages

Gartenträume

Zufall

Fremde Heimat

Weihnachten

Weihnachtsmarkt: eine Weihnachtsgeschichte der besonderen Art

Biografie

Bibliografie

STRANDKORB

Sommersonne – Sommerpause – Sommerurlaub – jedes Jahr wieder, lang ersehnt und doch jedes Jahr wieder neu entdeckt.

Auf dem Weg zur Standpromenade kann man sie finden, Mutter, Vater, Kinder, eins, zwei, drei, und der Blick geht auf Mutters Bauch mit Kind Nummer vier auf dem Weg zu ihrem Strandkorb. Für die Kinder ist der Strandkorb Nummer 113 Treffpunkt, Heimat und Verpflegungsinsel, eben der sichere Hafen.

Die Kinder, ein Junge mit fast zwölf Jahren, mit blonden Locken, einem spitzbübischen Lachen, grüne Augen unter langen, dunklen Wimpern. Ein Mädchen, kullerrunde, blaue Augen unter einer dunklen, langen Haarmähne, rosa Outfit in zehnjähriger Größe, zierlich, sportlich, lächelnde Grübchen unter glucksendem Lachen. Der Dritte im Bunde, ein Junge, neunjährig, kurze, blonde Haare, blaue Augen, helle Haut, ruhig, friedlich, freundlich, in neunjähriger Zufriedenheit.

Die Nachbarn des Strandkorbs betrachten sie, eine fast schlanke Frau, Ende dreißig, wenn nicht der Sechs-Monate-Kinderbauch wäre, angestrengt mit ihren Kindern, dunkelhaarig, lockig und grünäugig, ernsthaft. Er, ein wenig jünger, der Vater der jungen Familie, ein großer, sportlicher Mann, blauäugig, zärtlich, fröhlich und liebevoll im Kreise seiner Lieben. Da sitzen sie nun, die Eltern im Strandkorb, den Bauch der Mutter nach vorn gewölbt, in ihrem roten Badeanzug, der genug Platz für das werdende Baby lässt. Der Vater, zufrieden, bärtig, schläfrig und auf Ruhe und Pause bedacht. Die Kinder wie kleine Tiere, immer hungrig nach Nähe, Anerkennung und Verpflegung, fröhlich schwatzend, spielend zu ihren Füßen. Eine Bilderbuchfamilie könnte man denken.

Doch dieser Schein trügt. Die Nachbarin sieht nicht, dass die Mutter nach vielen kummervollen Jahren viel allein war, viel Einsamkeit hatte, von ihrem ersten Ehemann im Stich gelassen, viele traurige Stunden mit ihren beiden Kindern verbracht hatte.

Auch sieht die Nachbarin dem Mann nicht an, dass er viele Jahre der Existenznot hinter sich hat, dass er dieses Kind Nummer drei, seinen Sohn, nur leihweise in den Ferien bei sich hat. Diese Zeit muss reichen für ein Leben, für geliebte Nähe, für alles, was ihm von seinem Kind geblieben ist. Diese Tage gilt es auszukosten mit allem, was möglich ist, was dem Vater und dem Kind Freude macht. Da ist nun Kind Nummer vier, neu, auch hier weiß die Nachbarin nicht, dass dieses Kind der Versuch ist, wieder eine Familie zu haben, die heile Welt wieder herzustellen, ein gemeinsames Kind, eine gemeinsame Brücke zueinander, zu leben.

Es wird viel gespielt, viel gelacht, das Wasser ist herrlich, auch wenn die Wellen so mächtig sind, dass sie um ihr Kind Angst hat und der tobenden Brandung nur den Rücken anbietet. Auch die drei Kleinen müssen beschützt werden vor der tobenden Brandung, vor den Wellen des Lebens. Spiel, Spaß, Freude, doch wo fängt es an, ernst zu werden? Die Eltern, beide verunsichert in ihrem Leben, wissen es nicht immer, hoffen, bangen, wünschen und wollen wieder und wieder alles richtig machen.

Doch die Wellen des Lebens sind teuflisch, tückisch, tosend und traumatisierend. Leben lässt es sich nicht allein, ohne Umfeld.

Und so sitzt die junge Familie im Sonntag ihres Lebens fröhlich, freundlich, fügsam und feinsinnig im und um den Standkorb herum, von der Nachbarin betrachtet, beneidet und liebevoll leidend beguckt. Die Eltern jedoch sind müde von der vielen Sonne im Urlaub, vom Regen des Lebens, von den so stürmischen Zeiten und warten ängstlich auf eine windstill – wunderbare Zeit, die ihre Wunden verheilen lassen soll.

Noch ist es nicht klar, wie sich das noch wundervolle Wetter in den folgenden Monaten und Jahren für sie gestalten wird, um die die kinderlose Nachbarin sie schon heute beneidet.

VERGESSEN

Sommer – Sonne – Strand – jedes Jahr wieder – Urlaub im Märchenland unter Palmen, Vergessen vom Alltag, von Sorgen, Verpflichtung. Schaumkronen verziertes, in sich glitzerndes, schillerndes, smaragdgrünes Wasser, am schier endlosen Horizont begrenzt, schemenhaft von Bergen umzeichnet. Idyllisches Leben im Vakuum, ohne Ziel, ohne Sinn, Entspannung pur, losgelöst von allen Problemen dieser Welt. Samtweiches Wellenrauschen im monotonen Rhythmus der Glückseligkeit, ein Auf und Ab der Gezeiten, der Gefühle. Wärme um mich, lauer Wind und innere Glückseligkeit und doch – ich kann dich nicht vergessen.

Früher, als alles noch einfach war, als der Alltag das Leben – mein Leben – bestimmte, war kein Raum für echte Gefühle. Monotones Ringen, um die Probleme des Alltags zu meistern. Doch jetzt, in zauberhafter Auszeit die Erkenntnis, dass Gedanken nicht aufhören, gedacht zu werden, dass Sehnsucht nicht aufhört, sehnsüchtig zu sein, dass Vergessen von Lebens entscheidenden Ereignissen nicht möglich ist. Eine Liebe lässt sich nicht ausziehen wie eine gebrauchte Strickjacke, eine Liebe wehrt sich gegen das Vergessen.

Gemeinsames Miteinander, von Glückseligkeit umrahmt, lebt und atmet immer und an jedem Ort auch noch nach Jahren. Erinnerung total, an traumhafte Zeiten, Stunden der Nähe in wirklichkeitsfernem Land. Ich bin für dich da – du bist für mich da, und trotzdem vergessen, vorbei, was bleibt übrig nach so langer Zeit? Innere Sehnsucht, Gedanken, Wünsche und Träume von gelebtem Leben ohne jede Schranken.

Ablenkung muss sein, Sightseeing total, fremdes Land, fremde Menschen, Städte, Bauwerke und alles, was dazu gehört – und doch, Vergessen nicht möglich. Der Blick auf die Kathedrale und in mir du – ich denke an dich, als ich die Baukunst der Kathedrale bewundere. Ich denke an dich, wenn ich am Strand zum zehnten Mal unseren Lieblingssong höre, ich sehe dich in dem fremden Mann, der mir gerade entgegenkommt. Ich kämpfe um Abstand, um Zeit zu gewinnen, und doch, du bist da, immer und ständig, und heute und morgen, in Gedanken, in Situationen, im Hier und Jetzt und im Übermorgen.

Ich weiß nicht, wie man Vergessen schreibt, buchstabiert, lebt. Ich arbeite daran, ich versuche es, aber es gelingt mir zum Glück – nicht.

FANTASIEREISE

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