Zweieinhalb Jahre lang hatte ich gegen alle Regeln des christlichen Establishments verstoßen, was man mir auch äußerlich ansah. Wo früher kleinkarierte Hemden den Achselschweiß aufhielten und ein Vollbart unter kurzen Haaren mein Vollmondgesicht verhüllte, waren auf einmal lange, gefärbte Haare, Federohrring und Schminke im Gesicht zum Ausdruck meiner endlich wiedergefundenen Freiheit in Gott geworden. Damit eventuell zu provozieren störte mich aber eigentlich weniger als der große Makel, dass ich inzwischen geschieden war. Und auch das hatte ich eigentlich für mich schon mit meinem Freund Gott abgeklärt. Aber ich vertraute seinen anderen Freunden, den Christen, nicht so richtig, und als ich kurz davor stand, meinen „älteren Geschwistern“ wieder zu begegnen, war es wieder voll da, dieses Gefühl, versagt zu haben. Ja, ich hatte es nicht geschafft, trug meinen Schuldanteil daran.
Mein Freund Gott hatte mir vergeben, aber würden es auch die anderen Freunde tun, oder würden sie mir nur in das alte Bild „zurückhelfen“ wollen? Immerhin hatten viele zu mir aufgeschaut und sich in schwachen Stunden an mich angelehnt, bevor ich zusammengebrochen und „umgekippt“ war und in Drogen, Sex, okkulten Praktiken und Psychotherapie nach der „wahren“ Liebe suchte. Dabei hätte ich sehr wohl auch abstürzen und mich verlieren können. Aber dann hatte die Liebe mich gefunden, nicht durch eine Predigt oder eine Kirche, sondern durch die Beziehung zu einer Frau, die Hilfe noch mehr nötig hatte als ich. Stück für Stück tastete sich mein Freund Gott an unseren Wunden entlang zu unseren Herzen vor, um es dann doch in einem Gottesdienst im Sturm zu erobern.
Und dann stand ausgerechnet der von Gottes anderen Freunden direkt vor mir, der mir immer ein Vorbild für Geradlinigkeit und Gerechtigkeit gewesen war. Das Herz sackte mir richtig in die Hose. Wie würde er reagieren auf den neuen, unsicheren, aber freien Mickey? Was würden nach zweieinhalb Jahren seine ersten Worte sein? Ich wäre schon zufrieden gewesen, wenn er nicht die alte Elternfloskel „Na, hab ich’s dir nicht immer gesagt?“ benutzen würde. Ich riss mich innerlich zusammen und forderte meinen Freund Gott heraus: „Jetzt wird sich ja erweisen, was an deiner Liebe dran ist und ob sie wirklich so bedingungslos annimmt, wie du sagst.“
Aber was dann kam, hätte ich mir nie träumen lassen, als dieser geistliche Leiter mich einfach nur in den Arm nahm und sagte: „Schön, dass du wieder da bist, Mickey. Ich habe nie daran gezweifelt, dass wir uns wiedersehen würden.“ Ich schmolz richtiggehend in seinen Armen dahin, fühlte mich wie in einer kitschigen Liebesschnulze ... Aber es passierte wirklich! Keine mitleidigen Blicke, keine gut gemeinten Belehrungen – nach zweieinhalb Jahren einfach nur das und aufrichtige Freude. Das zog meinen Ängsten und Vorurteilen gründlich den Boden unter den Füßen weg. Aber anstatt ins Bodenlose zu fallen, stand ich plötzlich mit einer nie gekannten Standfestigkeit auf dem Boden.
Als wir dann ein wenig miteinander spazieren gingen, erzählte er mir noch, dass er und einige andere alte Freunde von mir die ganze Zeit über gewusst hatten, wo ich war und was ich tat, aber sich all die Jahre immer nur zusammengesetzt hatten, um für mich zu beten. Sie wollten nicht einfach mit dem großen Zeigefinger in meinem Leben auftauchen, sondern wendeten ihre Kraft auf, um unserem Freund Gott selbst zuzutrauen, dass er mich ins Leben zurückbringen würde.
Seit diesem Tag habe ich nie wieder an der Realität der radikalen, bedingungslosen Liebe meines Freundes Gott und der Möglichkeit, sie zu erfahren, gezweifelt. Seit diesem Tag beschäftige ich mich auch wieder stärker mit der Physik des Alltags als mit der Metaphysik des Sonntags. Ich habe begriffen, dass, wie Martin Luther sagt, mein Freund Gott in mir nicht sucht, was er lieben kann, sondern erschafft, was er lieben will. Die radikale Liebe meines Freundes Gott setzt an meinen schwachen Wurzeln an und wendet alle Kraft auf, um meine Standfestigkeit zu vergrößern (vgl. Psalm 40,3 / Psalm 62,3).
Erlebnistipps
1. Halte immer wieder mal inne, so ein Mal im Monat vielleicht, und schau dir an, was du alles gemacht hast. Dann suche nach der Balance zwischen deinen Gaben, dem, was du damit gearbeitet hast, und deiner Seele und wie sie sich in der Freundschaftsbeziehung zu Gott aufgehoben fühlt.
2. Verzichte mal auf Belehrungen bei abgedrifteten Freunden, überwinde deine eigene Angst, sie könnten zur Hölle fahren, und dann bete für sie mit anderen Freunden zusammen.
3. Schau dir bei YouTube an, wie ich diese Geschichte auf der Bühne des Lebens von Gottkennen.de erzähle: www.youtu.be/T-MLyrUViOE
Kapitel 5
Geburtstagsparty für eine Fremde
Als mein Freund Gott und ich einmal eine Geburtstagsparty organisierten, mussten wir beide Rotz und Wasser heulen. Und das kam so.
Eines Tages lernten mein Freund Gott und ich in einer Tagesklinik eine junge Frau kennen, die zart und scheu wie ein junges Reh war. Nur manchmal traute sie sich ein Lächeln zu zeigen, und selten hörten wir ihr glockenhelles Lachen. Nach einer ganzen Weile des Vertrautwerdens konnten wir auch für kurze Augenblicke ihr vernarbtes Seelenfell sehen, das ihr Alter Lügen strafte. Wir versuchten schon einige Zeit, ihre Seele mit Gutem zu sättigen (Jesaja 58,11 / Jeremia 31,14), als wir erfuhren, dass ihr Geburtstag bevorstand. Als wir sie fragten, ob wir auch zu ihrer Feier kommen könnten und dass wir ihr gerne etwas schenken wollten, brach sie in Tränen aus. Sie hatte, so unglaublich das auch klingen mag, noch nie in all den 20 Jahren ein Geburtstagsfest gehabt.
Das erfüllte meinen Freund Gott und mich mit einer Mischung aus Erbarmen, Zorn und Entschlossenheit. So fragten wir sie, ob wir sie dann an diesem Tag zum Essen einladen dürften. Das Leuchten ihrer Augen hätte schon zu diesem Zeitpunkt viele Bastionen der Finsternis mit einem Schalterknipsen aufgelöst.
Aber es sollte noch heller werden. Insgeheim verfolgten wir nämlich einen ganz anderen Plan. Ich klemmte mich hinters Telefon und lud viele unserer Freunde in die Wohngemeinschaft ein, in der ich damals wohnte, unter anderem einen ganzen Gospelchor. Wir erklärten ihnen den Sachverhalt und baten sie darum, kleine Geschenke mit einer persönlichen Glückwunschkarte und Kuchen mitzubringen. Dank der Überzeugungskraft meines Freundes Gott, der die Herzen der Menschen lenken kann wie Wasserbäche, waren auch alle Feuer und Flamme für diese Erweckungsaktion.
Als der Tag gekommen war, holte ich die junge Frau „zum Essen ab“. Im Auto sagte ich ihr dann, dass ich noch etwas vergessen hätte und dass wir noch einmal zu mir nach Hause müssten. Dort angekommen, bat ich sie doch kurz mit nach oben zu kommen, damit sie nicht so allein im Auto säße. Mein Freund Gott hatte inzwischen alle in der Wohnung instruiert und sie mit voller Segenskraft ausgestattet, Gläubige und Ungläubige.
Die Tür ging auf, und unsere junge Freundin schaute in das Licht von 20 Kerzen auf einer Torte und in die vielen ihr zugewandten leuchtenden Augen, die die Dunkelheit durchbrachen. Einen Moment lang schien die Welt stillzustehen. Dann hörte man ihr Schluchzen, Schniefen und Schneuzen die Stille mit Leben erfüllen. Mein Freund Gott und ich standen direkt hinter ihr, und wir heulten ebenfalls Rotz und Wasser vor Glück. Nachdem die vollkommene Liebe dann nach einer Weile alle Furcht herausgewaschen hatte (1. Johannes 4,18), intonierte der Chor ein swingendes Happy Birthday, und es begann die Feier ihres Lebens. Und die war wirklich ein Vorgeschmack auf die Ewigkeit. Denn Partys sind ja dazu da, um auf meinen Freund Gott zu stoßen.
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