Wie selten wurden Worte dazu eingesetzt, Menschen zu vereinen und sie zusammen zu bringen. Wer Worte nur als ein Skalpell nutzt und dabei vergisst, sie auch als Wundheilung einzusetzen, der begeht ein Verbrechen. Diese Verbrechen begehen wir fast täglich. Um zu Gefallen, für einen kleinen Vorteil, ohne zu erkennen, beim nächsten mal könnte man selbst durch eine Wort-Verletzung unterliegen.
Am Anfang stand das Wort und wir sollten alle bedenken, wie wir es einsetzen. Zur Mahnung oder als bösartigen Aufruf der Zerstörung.
Zum Bindeglied zu unterschiedlichen Ansichten oder als Schwert gegen andere Denkprozesse. Das Wort kann Liebe und Tod zugleich ein. Wir sind täglich aufgefordert zu wählen, wie wir es einsetzen möchten.
Für mich selbst sind Worte bis heute ein wunderbares Mittel, um auf Menschen zuzugehen, sie einzuladen, in meine Gedankenwelt zu treten und sie somit in meine Nähe zu lassen. Für mich stehen Worte für Verbinden, ganz selten für Trennung. Worte sind nicht nur Worte, sie leben und sie sterben nie. Sowohl die Guten als auch die Schlechten.
Meine Gedanken schweifen oft in die Vergangenheit.
Nicht, weil ich in einem Alter wäre, wo man achselzuckend resümieren könnte, na, der hat ja sein Leben gelebt. Ich stehe nach wie vor mitten im Geschehen, bin vernetzt und politisch neugierig, wie eh und je. Ganz persönlich habe ich meinen kleinen Kreis, in dem ich mich auch fallen lasse, bewusst und offen.
Trotzdem vermisse ich eine Zeit, in der ich mit Freunden gemeinsam Filme sah, sie anschließend zerpflücken konnte, mit deren unterschiedlichsten Argumenten.
Ich erinnere mich an einen Film der achtziger Jahre, einen Film über Flamenco ohne Untertitel und unsynchronisiert.
Man konnte ihn nur in der Spätvorstellung des Kinos sehen und dennoch waren wir zwölf Personen meiner damaligen Freundesgruppe, die auch zusammen ins Kino gingen.
Wer möchte heute eine Garantie dafür abgeben, dass ihm dies auch jetzt noch gelingen würde.
Es ist doch schon kaum mehr möglich, zwanzig Menschen für einen Geburtstag nicht nur unter „einen Hut“ zu bekommen, sondern auch sicher zu sein, dass sie kommen. Es sei denn, es ist eingebunden in einen Grill-Abend. Es scheint zumindest mir so, alles ist darauf ausgerichtet, einen Vorteil zu haben oder der eigenen Wichtigkeit Applaus zollen zu lassen.
Einfach nur des Spaßes oder der Freunde wegen, kann man heute kaum jemanden motivieren. Vielleicht bin ich da zu kritisch und ich räume auch ein, es gibt andere Beispiele. Nur eben zu wenige.
Ja, die Zeiten haben sich geändert und im Grundsatz ist das auch ein Vorteil. Im Bereich des Zwischenmenschlichen sehe ich es jedoch als einer der größten Fehler an, die sich unsere Gesellschaft heute leistet. Wir möchten alles an Vergnügen und Ereignissen mitnehmen, überlegen schon auf einem Konzert, was wir danach denn noch unternehmen könnten, anstatt das Konzert in sich aufzunehmen.
Wir gehen zu einer Einladung und spekulieren dabei, ob man nicht nachher noch den angesagten Club besuchen soll.
Wir sitzen mit ein paar Kumpels zusammen und jeder hat sein Handy in Reichweite, bereit, bei der nächsten Gelegenheit, darauf zu schauen oder eine Nachricht zu versenden. Das dies im Grunde beleidigend für das jeweilige Gegenüber ist, wir nicht mehr registrieren, weil es sich ja auch wechselseitig abspielt.
Wer möchte da noch ernsthaft behaupten, in diesem Rahmen könnten tiefgehende Gespräche geführt oder qualitative Ansichten ausgetauscht werden.
Wie Zombies gleich, sehe ich Menschen über die Straße laufen, beobachte Mütter, die genervt ihren Kinderwagen vor sich her schieben und dabei angestrengt auf ihr Smartphone starren.
Egal, ob ich in einem Wartezimmer beim Arzt sitze oder ob ich ein Café́ébesuche, ich sehe kaum noch in die Gesichter von Menschen sondern darf unterschiedliche Kommunikationsfabrikate bewundern. Dann denke ich mit ehrlicher Sehnsucht an andere Zeiten.
„Der Club der toten Dichter“
Heute Morgen wurde ich schon früh von einem Schwarm übermütiger Krähen geweckt, die kreischend ums Haus flogen.
So stand ich eher als gewohnt auf, machte mir meinen Tee und erlaubte mir die erste Zigarette.
Wie aus dem Nichts kam mir plötzlich die Erinnerung an diesen tief berührenden Film mit Robin Williams, der uns vor fast dreißig Jahren emotional schüttelte.
Hatte nicht genau dieser Film wunderbare Signale gesetzt?
Er wollte uns lehren, ein emotionales Miteinander im Individuellen zu suchen und gemeinsam eine neue Stärke zu finden.
Er hatte uns so deutlich gemacht, dass Lebensplanungen, wenn sie gegen eigene Intuitionen laufen, Menschen zerstören, sie bedrückt werden lassen und als „Zombies“ durch das Leben jagen.
Warum kamen mir an so einem Morgen wie heute, solche Gedanken?
Mir wurde klar, dieser Film hatte damals etwas aufgeweckt, was heute kaum noch zu finden ist. Er hatte uns daran erinnert wie es ist, gemeinsame Spaziergänge durchzuführen, im Einklang mit der Natur und unseren kleinen Wünschen, welche wir den anderen Teilnehmern ohne Scheu offenbaren konnten. Er hatte uns gezeigt, wie wir in der Gemeinschaft stark werden und freies Denken praktizieren können.
Heute leben wir nebeneinander her, wir treffen uns mit Menschen und unterhalten uns oberflächlich stundenlang mit ihnen. Ohne den Einzelnen zu kennen. Ohne zu wissen, was ihn bewegt. Wir haben es verloren zu hinterfragen, wer bist Du?
Wir sind nicht mehr bereit, hinter die Fassaden zu blicken, es ist uns zu anstrengend geworden, das Gegenüber kennen zu lernen. Warum auch, werden jetzt Viele fragen, was gehen mich Probleme von anderen an? Dabei ist es doch gerade entscheidend, von einem Menschen den Hintergrund zu erforschen, weshalb er bestimmte Ansichten hat, wodurch sein Verhalten geprägt ist, eventuell sogar, wo und wie seine Träume entstanden sind.
Nur dann ist doch das so berühmte „Einlassen“ erst möglich, wechselseitig die Sonne aber auch die Dunkelheit meines Gegenübers zu erkennen.
Um wieviel wertvoller werden Gespräche mit diesem Einlassen, sowohl in einer Runde als auch nur zu zweit.
Heute sind es doch genau diese Zwischentöne, welche uns so oft fehlen und die durch dieses Fehlen verhindern, einen Menschen wirklich zu begreifen.
Warum verzichten wir heute so schnell und fahrlässig genau darauf?
Sind es die Ängste, Nähe zu entwickeln oder sind es nur die eigenen Egoismen, welche uns für andere blockieren?
Ist es gerade deshalb so leicht geworden, unsere Gesellschaft zu manipulieren und sich spalten zu lassen, weil wir verlernt haben, ein Band des Miteinanders zu knüpfen?
Kommt es daher, dass wir das übergreifende Narrativ von Deutschland zerstört bekamen und die zweite Erzählung, unserer Kultur nämlich die Religion, selbst im Keller vergraben haben?
Ist es deshalb so einfach, in unsere Gesellschaft einzudringen und ihr von außen einen neuen Stempel aufzusetzen?
Weil andere Völker, oft weltumspannend, ein Narrativ verbindet, welches sowohl Religion als auch Kultur heißt?
Können also unsere Werte nur deshalb untergraben werden, weil wir keine mehr leben wollen? Dann genau wäre es die Kapitulation gegenüber einer anderen Kraft, die gerade versucht, ihr Weltbild zu festigen und damit ihre Erzählungen zu unseren machen will.
Macht Euch einmal Gedanken.
Dabei bin ich umgehend bei einem Thema, welches mich die letzten Jahre so unendlich bedrückt. Mein Eindruck ist, wir zersplittern uns in Ansichten, Meinungen und auch Denkdiktaten. Richtig, jeder soll auch seine Ansichten ausbreiten, sie erklären und verteidigen dürfen.
Es ist ja das Wesentliche nicht nur von Demokratie sondern auch das ureigene Mittel der Kommunikation. Da fängt jedoch die Störung an. Wir kommunizieren nicht mehr miteinander sondern gegen den anderen. Zementierte Denkweise wird ohne Kritik übernommen, wird als Schutzschild voran getragen und lässt keinen Raum mehr für neue, hinterfragende Denkanstösse. Die Meinung anderer wird niedergebrüllt, verhöhnt und verlacht. Kaum noch die Prüfung eines Argumentes wird vorgenommen. Zurück bleiben Menschen, die sich dann frustriert einigeln, mit Abweisung reagieren und verstummen.
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