Keine Verallgemeinerungen
Ich hüte mich vor Verallgemeinerungen. Nur weil ich gerade an einer Stelle des Lebens Probleme habe, ist nicht gleich alles problematisch. Nur weil ich beispielsweise gerade keinen Job finde oder es in meiner Ehe nicht rundläuft, heißt das nicht, dass alles in meinem Leben immer und nur schiefgeht. Nur weil ich in einem Punkt versagt habe, bin ich nicht grundsätzlich ein Versager. Menschen mit einem Hang zum Pessimismus neigen genau zu dieser Verallgemeinerung. Das kenne ich von mir selbst nur zu gut! Und ich muss mir immer wieder bewusst machen, dass die Probleme, die ich momentan habe, in der Regel nur einen ganz kleinen Teil meines gesamten Lebens ausmachen. Neben dem gibt es viele andere Bereiche, in denen es richtig gut läuft. Mache ich mir das bewusst, gelange ich wieder zu einer ausgewogenen und deutlich optimistischeren Sicht auf mein Leben.
Handlungsfähig bleiben
Ich vermeide eine vorschnelle „Da-kann-man-nichts-machen“-Haltung, die einer Opferstarre gleicht, sondern bleibe handlungsfähig. Das hilft, auch in Situationen, die ich nicht ändern kann, nach Möglichkeiten zu suchen, das Leben dennoch zufriedenstellend zu gestalten. Auch wenn ich „Ja“ sage und annehme, was sich nicht verändern lässt, bleiben ja immer noch genügend Spielräume, Dinge zu ändern, die ich ändern kann. Z. B.:
Ich habe nicht genug Geld, um in den Urlaub zu fahren? O. k. Akzeptiert! Aber was gibt es für Möglichkeiten, vor Ort und ohne großen finanziellen Aufwand für meine Erholung zu sorgen?
Ich habe keinen Partner? O. k. Angenommen! Aber was kann ich auf andere Weise tun, um meinem Wunsch nach Austausch und Gemeinschaft Genüge zu tun? Welche Möglichkeiten gibt es, andere Singles kennenzulernen (unter denen dann vielleicht auch ein potenzieller Partner ist)?
Meine kleinen Kinder lassen mir nicht viel Zeit für mich selbst? Ja! Das ist so! Aber welche Möglichkeiten habe ich, mir trotzdem ein wenig Luft zu verschaffen? Etwa durch einen Babysitter oder bessere Absprachen mit meinem Partner?
In jedem Fall verharre ich nicht in einer Opferstarre, sondern werde aktiv und nehme mein Leben in die Hand! Dieses aktive „Ich-pack-mein-Leben-an“ holt uns aus dem sich selbst bedauernden Pessimismus heraus und gibt uns einen deutlichen Schubs Richtung Optimismus. Und je mehr wir entdecken, dass diese kleinen, aber höchst aktiven Schritte Erfolg haben, umso mehr wächst in uns eine optimistische Lebenshaltung.
Durchhaltevermögen entwickeln
Ich bleibe dran! Kann sein, dass die ersten Schritte Richtung positive Lebensgestaltung nichts bringen. Jetzt bloß nicht in eine „Siehste-hab-ich-doch-gleich-gesagt-dass-ich-keine-Chance-habe“-Haltung zurückfallen. Der Optimismus sagt: Das ist normal! Viele Dinge klappen nicht auf Anhieb, sondern erst beim zweiten oder dritten Anlauf. Ich versuche es deswegen noch einmal, und wenn es sein muss, auch noch ein weiteres Mal. Irgendwann wird es klappen! „Man kann alles, was man will“ , sagt Pippi und meint damit, dass wir an den Dingen, die uns wirklich wichtig sind, mit Biss und Durchhaltevermögen dranbleiben müssen, um zum Ziel zu kommen. Ansonsten war unser „Wollen“ nur eine Farce.
Vertrauen in die Selbstwirksamkeit stärken
Ich stärke mein Selbstvertrauen und das Zutrauen in meine Selbstwirksamkeit. Das kann ich tun, indem ich allen verunsichernden und mich selbst kleinmachenden Gedanken Einhalt gebiete und ihnen nicht so viel Aufmerksamkeit schenke. Stattdessen fange ich an, mir etwas zuzutrauen: „Du schaffst das!“ Darüber hinaus distanziere ich mich von Menschen, die mich runterputzen, verunsichern und geringschätzen, und umgebe mich viel mit Menschen, die mich ermutigen, loben, mir etwas zutrauen, an mich glauben und mich fördern.
Wie enorm wichtig das ist, habe ich gerade erst erfahren. Vor ein paar Wochen nahm ich an einem Chorworkshop teil: Zwei Abende und einen ganzen Tag lang wurde geprobt, dann sollte das Konzert stattfinden. Als ich am ersten Abend die Fülle der einzuübenden Musikstücke sah, dachte ich nur: Never! Niemals kriegen wir das alles in dieser kurzen Zeit in unseren Schädel! Aber die Chorleiterin war dermaßen überzeugt von uns und unserer Lernfähigkeit, dass ich mich an ihre Überzeugung drangehängt und blind darauf verlassen habe, dass sie uns realistischer (und besser) einschätzt als wir selbst. Und sie hatte mit ihrer Wahrnehmung absolut recht. Da war viel, viel mehr! Entscheidend war allerdings auch, dass sie mit ihrer geballten Kompetenz dabei war und uns souverän und sicher führte. Auch und gerade in schwierigen Passagen brauchten wir sie nur anzuschauen und uns an ihre Sicherheit dranzuhängen.
Anhand dieses Beispiels habe ich hautnah erlebt, wie wichtig andere, positive Menschen für die Entwicklung unseres eigenen Optimismus und unseres Selbstvertrauens sind.
Genauso wichtig ist Gott für mich! Die Bibel ist voll mit Geschichten, die davon erzählen, dass er Menschen Ungeheuerliches zutraut. So ungeheuerlich, dass diese Menschen immer zunächst einmal die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und völlig überfordert gequiekt haben: „Das kann ich nicht! Such dir doch bitte, bitte jemand anders!“ Aber Gott sagt jedes Mal: „Du schaffst das, weil ich doch bei dir bin!“ Dem Josua, der die Führungsrolle von Mose erbte, sagt er z. B.: „Sei stark und mutig! Hab keine Angst und verzweifle nicht. Denn ich, der Herr, dein Gott, bin bei dir, wohin du auch gehst“ (Josua 1, Vers 9)! Ist das nicht genial? Gott traut uns ganz viel zu, verzieht sich dann aber nicht wieder, sondern bleibt mit seiner Stärke und Kompetenz bei uns. Wir brauchen ihn nur anzuschauen und können uns an ihn dranhängen!
Gelassenheit einüben
Ich erwarte, dass das Leben und mein Inneres Lösungen und Wege finden werden. Das braucht manchmal etwas Zeit und Geduld. „Gut Ding will Weile haben“ oder „Schlaf erst mal eine Nacht drüber – morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus“ oder „Abwarten und Tee trinken“ sind Lebensweisheiten, die sich schon mehr als einmal bewährt haben. Das Wort „Optimismus“ vermittelt ja eine gewisse Leichtigkeit. Und darum geht es neben unserer konkreten Mitarbeit auch: mit Leichtigkeit und Gelassenheit dem nächsten Tag entgegenzublicken in der Erwartung, dass sich manche Knoten wie von selbst lösen werden.
„Lass dich nicht unterkriegen; sei frech und wild und wunderbar.“
Friedrich Nietzsche war es, der den berühmt-berüchtigten Satz „Was mich nicht umbringt, macht mich stark“ gesagt hat. Dieser Satz, der im Laufe der Geschichte in der Kindererziehung für so manch unangemessene Abhärtungsmaßnahme gesorgt hat, enthält aber dennoch eine Wahrheit, die sich auch in der Resilienzforschung bestätigt hat: Herausforderungen, die wir angenommen haben, bewältigte Probleme, überwundene Schwierigkeiten und überstandene Krankheiten schwächen uns nicht, sondern machen uns stärker, selbstbewusster und mutiger. Wer sich dagegen immer in Watte packt oder in diese hineingepackt wird, fühlt sich zwar im Moment wohler, weil er die Strapazen einer Herausforderung nicht bewältigen muss, wird aber auf Dauer geschwächt und deswegen zunehmend lebensuntauglich.
Tendenziell neigen die meisten Menschen zunächst dazu, sich wegzuducken, sich drumherumzumogeln, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen, die bequemere Version zu wählen, auszuweichen und zu hoffen, dass sich die Dinge von selbst erledigen. Das ist auch nicht immer verkehrt und kann im Einzelfall die einzig mögliche Bewältigungsstrategie sein. Wer das „Wegducken“ aber durchgängig zu seinem Lebensmotto erklärt, der schwächt seine Resilienz. Denn das ermutigende Erfolgserlebnis, der Stolz, es geschafft zu haben, das begeisterte „Wer-hätte-gedacht-dass-ich-zu- so -was-in-der-Lage-Bin?“ fehlt dann eben auch. Mit der „Wegduckermentalität“ bombardieren wir unser Inneres permanent mit Botschaften wie: „Ich kann das nicht!“, „Ich trau mir das nicht zu!“ oder „Ich bin dem Leben und seinen Anforderungen nicht gewachsen!“. In unserem Inneren schwingt dann immer die bange Frage mit: „Werde ich überhaupt mit dem Leben fertig, wenn ich mit seinen harten Seiten konfrontiert werde? Werde ich zurechtkommen, wenn ich auf mich allein gestellt bin und die unangenehmen Dinge nicht mehr auf andere abwälzen kann?“ Uns fehlen ja durchweg die positiven Erfahrungen, die zeigen, dass wir es schaffen!
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