Lebensmutige Menschen haben irgendwann einmal, bewusst oder unbewusst, den Entschluss gefasst, im Leben nach vorne zu gehen, statt zurückzuweichen, zu wachsen, statt zu stagnieren, und Verantwortung für das Gelingen ihres Lebens zu übernehmen, statt in einer sich selbst bemitleidenden Opferhaltung zu verharren. Auch für sie ist das Leben kein Ponyhof, und in schweren Zeiten, Krisen oder nach erlittenen Schicksalsschlägen erleben sie das gleiche Gefühlsauf und -ab wie andere Menschen. Sie haben aber Ressourcen entwickelt, auf die sie nun zurückgreifen können und die ihnen Stabilität geben. So gelingt es ihnen schneller, ihre Gefühle wieder in lebensförderliche und stabile Bahnen zu lenken. Sie erwarten, dass das Leben sich auch für sie wieder von seiner schönen Seite zeigen wird. Damit diese Erwartung Realität wird, arbeiten sie aktiv mit und sind auch bereit, neue Wege zu gehen, statt stur in alten Verhaltensmustern zu verharren. Lernbereit, flexibel und ausbalanciert dem Leben begegnen – das ist ihr Lebensmotto.
Was kann uns helfen, unsere Resilienz zu trainieren und damit lebensmutiger zu werden?
Dem Leben realistisch begegnen
„Ich gar nicht ein feine weiße Prinzessin bin“, sagte Pippi in gebrochener Taka-Tuka-Sprache. „Ich einfach bin bloß Pippi Langstrumpf, und ich pfeifen auf das Thronsitzen.“
„Ich bin, die ich bin, und lebe mein Leben. Das reicht, und damit bin ich zufrieden“ – so könnte man es auch formulieren. An meiner Pinnwand hängt eine Karte mit der Aufschrift: „Wir sind hier nicht bei Wünsch dir was , sondern bei So isses !“ So manche Enttäuschung im Leben ist hausgemacht und vorprogrammiert, weil wir völlig unrealistische Erwartungen an uns selbst und das Leben haben, die Latte viel zu hoch hängen und nicht bereit sind, die Realität zu akzeptieren, wie sie nun einmal ist. Auch nicht uns selbst . Aber umso größer die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit, umso schlechter unser Lebensgefühl.
Resilienz zu trainieren bedeutet an dieser Stelle, unseren Realitätssinn zu trainieren. Dieser bezieht sich auf persönliche Eigenarten oder auf Lebensumstände, die wir, egal, wie wir’s drehen und wenden, nicht verändern können. Oder zumindest nicht jetzt oder in absehbarer Zeit ändern können. Wer hier gelernt hat, „Ja“ zu sagen und die Realität zu akzeptieren und anzunehmen, der setzt viel lebensmutige Energien frei.
Dabei geht es nicht darum, unsere unerfüllbaren Wünsche und Bedürfnisse zu verleugnen oder zu verdrängen. Nein, es geht darum, diese zu formulieren, sie dann aber loszulassen und ganz bewusst anzunehmen, dass sie (zumindest im Moment) nicht in Erfüllung gehen.
Ja-Sagen konkret
„Ich hätte so gerne mehr Geld, damit ich häufiger reisen kann. Aber zurzeit ist dieses Geld nicht da, weil ich noch arbeitslos bin (oder weil ich meine Ausbildung erst noch zu Ende bringen muss, weil das Haus noch nicht abbezahlt ist usw.). Das ist jetzt so, und das akzeptiere ich als meine Lebenswirklichkeit!“
„Was würde ich drum geben, (wieder) in einer Partnerschaft zu leben, aber zurzeit tut sich in dieser Sache gar nichts. Das ist im Moment so, und das nehme ich an!“
„Wenn ich doch nur mehr Zeit hätte für mich! Aber im Moment sind unsere Kinder noch klein und brauchen mich fast rund um die Uhr. Daran lässt sich aber jetzt nichts ändern, und deswegen akzeptiere ich diese Situation.“
„Ich wäre so gerne noch so jung und dynamisch wie meine Freundin (und hätte dazu auch noch gerne ihre tolle Figur!), aber ich bin zehn Jahre älter. Das sehe und spüre ich in jeder Faser meines Körpers. Aber das kann ich nicht ändern, und deswegen höre ich auf, ständig damit zu hadern, und sage Ja !“
„Ich würde so gerne meine Karriere vorantreiben. Aber jetzt sind meine Eltern plötzlich krank geworden und brauchen mich. In diese unerwartete Wendung, die mein Leben genommen hat, willige ich ein und bejahe sie.“
„Wenn ich doch nur so musikalisch, so redegewandt, so hübsch, so talentiert, so leistungsstark, so temperamentvoll, so erfolgreich, so belastbar, so beliebt, so gesund wäre … ABER ICH BIN ES NICHT!
Und genau das fange ich jetzt besser mal an zu akzeptieren!“
Warum ist dieses Ja-Sagen für die Entwicklung unserer Resilienz so wichtig? Weil wir durch Annahme unserer Lebenswirklichkeit Kraft sparen, die wir ansonsten bei der Jagd nach unerreichbaren Dingen vergeuden. Weil wir erst dann, wenn wir uns von unseren (im Moment) unrealistischen Erwartungen verabschieden und Ja sagen zu dem, was ist , in der Lage sind, diesen Ist-Zustand lebensmutig zu gestalten. Denn vermutlich werden wir erst jetzt das Gute und Positive in unserem Leben entdecken und dankbar all die Kompetenzen wahrnehmen, die uns mitgegeben wurden. Dankbarkeit ist der Schlüssel zu Resilienz und Lebensmut. Nicht umsonst fordert ein Beter in der Bibel sich selbst auf: „Mit meiner Seele will ich den Herrn loben und das Gute nicht vergessen, das er für mich tut“ (Psalm 103, Vers 2)! Und dann folgt eine ganze Litanei von guten Dingen, die Gott ihm geschenkt hat. Trainieren wir in gleicher Weise unsere Dankbarkeit, dann konzentrieren wir uns auf das Gute in unserem Leben. Und über diese veränderte Wahrnehmung entdecken wir, dass unsere Realität viele Gestaltungsmöglichkeiten bietet und durchaus auch ihre schönen Seiten hat.
Dankbarkeit macht zufrieden! Wer dagegen immer unerreichbaren Idealen hinterherjagt oder sich mit anderen und ihren Lebensumständen vergleicht, ist ständig mit sich selbst und dem Leben unzufrieden. Diese permanente Unzufriedenheit schwächt unser seelisches (übrigens auch unsere körperliches!) Immunsystem enorm. Denn wir kämpfen und strampeln ständig gegen das Leben an, so, wie es uns zugemutet ist, und verbrauchen dabei eine Menge Kräfte. Sagen Sie doch lieber „Ja“, und setzen Sie Ihre Kräfte zur konstruktiven Gestaltung Ihres Lebens ein!
Das hier beschriebene Ja-Sagen hat allerdings nichts gemein mit der frustrierten Resignation eines hilflosen Opfers. Nein, es ist eine bewusste und aktive Entscheidung, ist ein Zeichen von Stärke und nicht von Schwäche. Ist … lebensmutig!
Wenn Sie das nächste Mal mit sich selbst oder unerreichbaren Zielen hadern, dann machen Sie’s doch einfach wie Pippi: „Ich einfach bin bloß Pippi Langstrumpf, und ich pfeifen auf das Thronsitzen.“
„Wir laufen zum Fluss und gehen dann auf dem Wasser. Das kann man, man kann alles, was man will!“
Na ja, ganz so einfach wie bei Pippi geht es natürlich nicht. Auch unserem Wollen sind Grenzen gesetzt. Und ich für meinen Teil kann nur sagen: Gott sei Dank ist das so! Was habe ich in meinem Leben nicht schon alles tun und haben wollen, war aber hinterher heilfroh, dass sich die Dinge anders entwickelt hatten. Mein Wollen ist ja nicht immer nur durchdacht, gut und lebensförderlich, sondern enthält auch egoistische, unreife und unbedachte Anteile!
Dennoch: Menschen, die um ihre Selbstwirksamkeit wissen, die vor Hindernissen und Problemen nicht direkt einknicken, sondern zunächst einmal fest davon überzeugt sind, dass sie diese Hürden überspringen können und dass es immer irgendeinen Weg gibt, sind deutlich resilienter als die Pessimisten und Schwarzseher.
Aber kann man Optimismus lernen? Ja, man kann! In diesem Lernprozess geht es nicht darum, sich eine rosarote Brille aufzusetzen und sich fortan immer alles schönzureden, Probleme einfach auszublenden oder den Kopf in den Sand zu stecken. Solch eine blauäugige Lebensführung kann böse enden, weil wir in unserer Unbedarftheit in jede nur erdenkliche Falle tappen, die das Leben zu bieten hat. Nein, es geht vielmehr darum, sich auch angesichts von Problemen und Schwierigkeiten eine positive und bejahende Haltung zum Leben zu bewahren. Wie kann das geschehen? Hier einige Impulse:
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