»Welcher neuen Disziplin?«
»Der Pragmatometrie.«
»Nun, es ist wirklich komisch, dass Sie das sagen, denn der Mann, an den ich denke, ist ein Politikwissenschaftler, der sich auch ziemlich intensiv mit Pragmatometrie beschäftigt hat. Man könnte es Lehrstuhl für soziale Pragmatometrie nennen oder so ähnlich.«
»Wer ist der Mann?«
»Laird – vom Leicester College, Cambridge.«
Curry machte schon beinahe automatisch ein nachdenkliches Gesicht, obwohl er nie von Laird gehört hatte, und sagte: »Ach ja, Laird. Wissen Sie Genaueres über seine akademische Laufbahn?«
»Nun«, sagte Feverstone, »wie Sie sich erinnern werden, war er zur Zeit der Abschlussexamina bei schlechter Gesundheit und erlitt ziemlichen Schiffbruch. Doch die Prüfungen in Cambridge sind heutzutage so schlecht, dass das kaum etwas zu sagen hat. Jeder wusste, dass er einer der brillantesten Köpfe seines Jahrgangs war. Er war Herausgeber einer Studentenzeitschrift. David Laird, wissen Sie.«
»Ja, richtig. David Laird. Aber ich muss sagen, Dick …«
»Ja?«
»Mir gefällt sein schlechtes Examensergebnis nicht recht. Natürlich messe ich solchen Ergebnissen keine übertriebene Bedeutung bei, aber trotzdem … In letzter Zeit haben wir ein- oder zweimal eine unglückliche Wahl getroffen.« Als er das sagte, blickte Curry unwillkürlich zu Pelham hinüber – Pelham mit dem kleinen Knopfmund und dem Puddinggesicht. Pelham war ein zuverlässiger Mann, doch selbst Curry fand es schwierig, sich an irgendetwas zu erinnern, das Pelham jemals getan oder gesagt hätte.
»Ja, ich weiß«, sagte Feverstone, »aber selbst unsere schlechtesten Leute sind nicht ganz so blödsinnig wie diejenigen, die das College beruft, wenn wir es sich selbst überlassen.«
Vielleicht hatte ja der unerträgliche Lärm seine Nerven angegriffen, jedenfalls zweifelte Curry einen Augenblick lang an der ›Blödsinnigkeit‹ dieser Außenseiter. Kürzlich hatte er im Northumberland College zu Abend gegessen und hatte dort auch Telford angetroffen. Der Kontrast zwischen dem wachen und geistreichen Telford, den im Northumberland College jeder zu kennen schien und dem jeder zuhörte, und dem ›blödsinnigen‹ Telford im Gesellschaftsraum des Bracton Colleges hatte ihn verblüfft. Könnte es sein, dass es für das Schweigen all dieser ›Außenseiter‹ in seinem eigenen College, für ihre einsilbigen Antworten, wenn er sich mit ihnen einließ, und ihre ausdruckslosen Mienen, wenn er einen vertraulichen Ton anschlug, eine Erklärung gab, die ihm nie in den Sinn gekommen war? Die absurde Vorstellung, dass er, Curry, ein Langweiler sein könne, ging ihm so rasch durch den Sinn, dass er sie bereits eine Sekunde später für immer vergessen hatte. Dafür wurde die viel weniger schmerzhafte Vorstellung beibehalten, dass diese Traditionalisten und Fachidioten auf ihn herabsähen. Aber Feverstone rief ihm wieder etwas zu.
»Ich bin nächste Woche in Cambridge«, sagte er, »und werde dort ein Essen geben. Ich möchte, dass es unter uns bleibt, denn möglicherweise kommt der Premierminister und vielleicht ein paar wichtige Zeitungsleute und Tony Dew. Was? Ach, natürlich kennen Sie Tony. Dieser kleine, dunkelhaarige Mann von der Bank. Laird wird auch kommen. Er ist ein entfernter Verwandter des Premierministers. Ich habe mich gefragt, ob Sie nicht auch kommen könnten. Ich weiß, dass David Sie sehr gerne kennen lernen möchte. Er hat schon viel von Ihnen gehört von jemandem, der immer in Ihre Vorlesungen gegangen ist. Ich kann mich an den Namen nicht mehr erinnern.«
»Nun, das könnte schwierig werden. Es hängt davon ab, wann der alte Bill beerdigt wird. Dann müsste ich natürlich hier sein. Ist in den Sechsuhrnachrichten etwas über die Ermittlungen gesagt worden?«
»Ich habe die Nachrichten nicht gehört. Aber das wirft natürlich eine zweite Frage auf. Nun, da der Blizzard in einer besseren Welt stürmt, haben wir zwei freie Stellen.«
»Ich kann nichts hören!«, schrie Curry. »Wird dieses Geräusch immer lauter, oder werde ich taub?«
»Sagen Sie mal, Curry«, rief Brizeacre, der auf der anderen Seite neben Feverstone saß, »was zum Teufel tun eigentlich Ihre Freunde da draußen?«
»Können sie nicht arbeiten, ohne zu brüllen?«, fragte ein anderer.
»Ich finde, es hört sich überhaupt nicht wie Arbeit an«, sagte ein Dritter.
»Hören Sie!«, rief Glossop plötzlich. »Das hat nichts mit Arbeit zu tun! Hören Sie das Gerenne! Das ist mehr wie ein Rugbyspiel.«
»Es wird mit jeder Minute schlimmer«, sagte Raynor.
Im nächsten Augenblick sprangen fast alle Anwesenden auf. »Was war das?«, rief einer. »Sie bringen jemanden um«, sagte Glossop. »So schreit nur jemand, dem es an die Kehle geht.«
»Wohin gehen Sie?«, fragte Curry. »Nachsehen, was da passiert«, sagte Glossop. »Curry, gehen Sie und trommeln Sie alle Collegediener zusammen. Jemand muss die Polizei anrufen!«
»Ich an Ihrer Stelle würde nicht hinausgehen«, sagte Feverstone, der sitzen geblieben war und sich Wein nachschenkte. »Es hört sich an, als ob die Polizei oder so schon da wäre.«
»Was meinen Sie damit?«
»Hören Sie. Da!«
»Ich dachte, das wären diese höllischen Presslufthämmer.«
»Hören Sie genau hin!«
»Mein Gott … meinen Sie wirklich, das ist ein Maschinengewehr?«
»Vorsicht Vorsicht!«, riefen ein Dutzend Stimmen durcheinander, als Glas splitterte und klirrte und Steine auf den Boden des Gesellschaftsraums hagelten. Einige Dozenten waren sofort zu den Fenstern gestürzt und schlossen die Läden; und dann standen sie alle da und starrten einander schwer atmend an. Niemand sagte ein Wort. Glossop hatte eine Schnittwunde an der Stirn, und auf dem Boden lagen die Scherben jenes berühmten Ostfensters, in das Henrietta Maria einst mit einem Diamanten ihren Namen geritzt hatte.
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