1 ...6 7 8 10 11 12 ...17 Einige Monate waren vergangen und niemand dachte mehr daran, den kleinen Sonnenschein herzugeben. Er war allen viel zu sehr ans Herz gewachsen, daher behielten wir ihn. Lucky zeigt eine Energie und Lebensfreude, die uns jeden Tag staunen lässt. Seine liebsten Hobbys sind Gassi gehen, viel spielen und Blödsinn machen. Der linke Hinterlauf behindert ihn bei seinen Aktivitäten in keinster Weise. Will er richtig rennen, zieht er das Bein nach oben und benutzt nur die anderen drei. So hängt er einige seiner vierbeinigen Kollegen mühelos ab. Sogar am Fahrrad und beim Joggen mitzulaufen, sind für ihn eine Kleinigkeit. Er ist eigentlich nie müde zu kriegen.
Das Hören auf Herrchen und Frauchen war anfangs oft nicht so wichtig für Lucky. Es gab schließlich Interessanteres auf einem Spaziergang zu entdecken, z. B. andere »Fellnasen«, auf die man natürlich schnurstracks zu rennen musste, um sie zu beschnuppern. Auch Jogger anzubellen und ihnen dann hinterherzurennen, fand Lucky total klasse. Außerdem musste er auch jeden Spaziergänger persönlich begrüßen, damit er eine Streicheleinheit oder vielleicht sogar ein Leckerli abstauben konnte. Uns war klar, dass unser »Wirbelwind« eine Erziehung brauchte, und so meldeten wir ihn erst in einer Welpenschule und später in der Hundeschule für »Fortgeschrittene« an. Die Ausbildung war nicht immer ganz einfach, da Lucky einen ziemlichen Dickkopf hat. Doch heute hört er gut und ist auch ruhiger und gelassener geworden. Die einzige Aufregung bei Spaziergängen sind andere Rüden, die er noch nicht kennt und aus irgendeinem Grund nicht riechen kann. Hier wird der »dicke Max« gemacht, was das Zeug hält. Aber wehe, ein Gewitter zieht auf! Dann verzieht Lucky sich in die hinterste Ecke des Hauses und lässt sich überhaupt nicht beruhigen, denn eigentlich ist er ein kleiner Angsthase. Allen Dingen, die er nicht kennt oder denen er nicht traut, geht er aus dem Weg. Anfangs waren das z. B. Regenschirme, Kühe, Pferde oder angelehnte Türen.
Lucky ist äußerst menschenbezogen, besonders Kinder liebt er über alles. Mit Artgenossen, vor allem weiblichen Geschlechts, kommt er inzwischen gut klar. Katzen mag er zum »Fressen« gern … Das Interesse und Mitgefühl von Spaziergängern ist auch heute noch sehr groß. Fast immer werden wir gefragt: »Was hat denn der arme Kerl am Bein?« In unserem Wohnort kennt ihn aber jeder, und er ist sehr beliebt, da er trotz seiner Behinderung doch so ein schöner Kerl sei, wie die Leute sagen. Lucky ist jetzt seit mehr als fünf Jahren bei uns und wir möchten keinen Tag ohne ihn sein, denn er bringt uns stets zum Lachen und stellt eine absolute Bereicherung für unser Leben dar.
Lunas Einzug in Silence’ Welt der Stille
von Michaela Gutekunst
Bevor sich Luna in mein Herz schlich, führte mein tauber Dalmatiner Silence ein Leben ungeteilter Aufmerksamkeit. Da ich in Kontakt mit einer Person stand, die als Pflegestelle für eine Tierschutzorganisation fungierte und insbesondere spanische Windhunde vermittelte, traf ich irgendwann auf Luna. Eigentlich wollte ich sie mir bloß anschauen, denn mir war schon klar, dass ein derart jagdlich ambitionierter Hund keine einfache Haltung versprach. Außerdem hatte ich noch keine endgültige Entscheidung »pro Zweithund« getroffen und schon gar nicht für diese Rasse. Aber dann kam alles ganz anders als geplant.
Silence, mein tauber »Dalmi«, war natürlich mit von der Partie, als ich die Pflegestelle besuchte. In einem großen, eingezäunten Garten trafen wir beide auf alle Hunde, die dort untergebracht waren. Während Silence mit Spielen, Schnüffeln und Markieren beschäftigt war, verfügte er plötzlich über einen zweiten »Schatten«: Luna! Die Hündin hatte nur Augen für Silence und bemühte sich redlich, Kontakt mit ihm aufzunehmen. Sie folgte ihm, machte Spielangebote und orientierte sich offensichtlich komplett an ihm. Silence war sich seiner plötzlichen Wichtigkeit überhaupt nicht bewusst. Zu seiner Welt gehörte Luna noch nicht. Auch keiner der übrigen Anwesenden hatte bisher eine endgültige Entscheidung getroffen, aber für Luna war seit unserem Eintreffen offenbar klar, dass Silence ihr Freund und Bodyguard werden sollte.
Luna gefiel mir, auch wenn sie etwas blass und ausgemergelt aussah. Ihr sandfarbenes Fell war stellenweise kahl – sie wurde deswegen mit einem starken Antibiotikum behandelt – und ein operativ behandeltes Ohr nässte dauerhaft. Sie ließ kaum einen Menschen an sich heran und wenn es zu einem unvermeidbaren Kontakt kam, ließ sie ihn lediglich zitternd, mit gekrümmtem Rücken, eingezogener Rute und ihren weit aufgerissen, bernsteinfarbenen Augen, die starr ins Leere blickten, über sich ergehen. Trotz dieser Angst suchte Luna aber eine feste Anbindung, was sie auch schon gegenüber der Pflegefamilie zeigte. Sie hatte also beste Voraussetzungen, mein großes, weiches Herz zu erobern, denn sie erfüllte alle Kriterien: krank, mager, extrem verängstigt und scheinbar anhänglich – und sie mochte Silence, welcher sich ebenfalls zunehmend mit ihr verstand. Ich machte mir vor, dass ich noch eine Nacht über eine endgültige Entscheidung schlafen müsse. Doch die Würfel waren bereits gefallen. Wenig später war Luna da, wo sie zukünftig leben sollte. In den darauf folgenden Wochen bot sich mir ein ungewohntes Bild:
Lunas Kontaktaufnahme zu Menschen – wenn überhaupt – war erbärmlich. Ihr Gegenüber hatte eine lebende Statue aus reiner Angst vor sich.
Luna hatte von Anfang akzeptiert, dass sie sich an mir orientieren sollte oder an Silence. Sie folgte mir auf Schritt und Tritt, zitterte vor Aufregung und klapperte mit den Zähnen, wenn sich irgendetwas veränderte oder sie in Sorge versetzte.
Luna zeigte außer diesen Angst- und Unsicherheitssignalen kaum andere Merkmale. Sie war nicht aggressiv, ließ sich aber auch nicht beruhigen und konnte nicht entspannen.
Ihr Fressen nahm Luna nur gehetzt und äußerst schlingend ein. Dabei schaute sie sich immer um und hielt die Rute eingeklemmt.
Sie ging durch keine Tür, vor allem nicht, wenn fremde Menschen in der Nähe waren. Ich konnte sie in der Anfangszeit nur angeleint durch eine Tür führen.
Sie pflegte nie ihr Fell.
Sie leckte niemals meine Hände oder Silence’ Schnauze, wenn sie uns begrüßen wollte.
Sie nahm kein Leckerchen aus meiner Hand entgegen.
Bei aggressiver oder lauter Stimmlage oder in Gegenwart von Männern mit dunklen Haaren schreckte Luna zusammen. Erstaunlicherweise machten ihr Schussgeräusche dagegen wenig aus, sofern sie nicht direkt neben ihr zu hören waren.
Kurz gesagt: Die »Pelznase« war unter Dauerstress. Also suchte ich nach Möglichkeiten, die sie entlasten sollten. Unter all den Aktivitäten, bei denen ich Luna beobachten konnte, verschaffte ihr das Laufen offensichtlich Entspannung. Also liefen wir, weil ich unbedingt erreichen wollte, dass sie sich selbst einmal in einem ausgeglichenen Zustand spüren konnte. Sogar im Schlaf war die Hündin angespannt, ihre Träume waren dabei oft von lauten Knurrgeräuschen begleitet. Aber wenn sie lief, war sie ruhig, wirkte gelassen und auch ihre Augen konnten mich direkt anschauen, ohne durch mich hindurchzugucken.
Bei allen meinen Bemühungen – u. a. Bach-Blüten- und Reikibehandlungen –, Lunas Angst und Stresssymptome zu mindern, half mir Silence, dem sie folgte wie ein Lamm dem Schäfer. Zunehmend gelang es ihr, Freude zu zeigen, anstatt ausschließlich Angst auszudrücken. Jede Form von Ängstlichkeit ließ ich unbeachtet, während Fröhlichkeit und Entspannung mit Zuwendung belohnt wurden. Für solche Situationen habe ich den Begriff »Hundefreu« geprägt, den ich auch heute noch einsetze. Luna beruhigt sich sofort und erkennt, dass für sie keine Gefahr besteht.
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