Janga kommt aus Serbien. Sie hat als Straßenhund in einem Park in Belgrad gelebt und sich alleine durchgeschlagen. Tierfreundinnen, die dort regelmäßig die Hunde mit Essbarem versorgten, kannten die kleine Hündin bereits. Eines Tages fiel ihnen auf, dass Janga schon seit Längerem nicht mehr aufgetaucht war. Viele Wochen später fand eine der Frauen den Hund im Park wieder. Jugendliche, die bereits mehrfach aufgefallen waren, weil sie mit Steinen nach den Straßenhunden warfen, hatten Janga eingefangen und ihr mit Rasierklingen beide Ohren abgeschnitten. Die Tierfreundinnen waren selbst sehr arm und konnten keinen zusätzlichen Hund aufnehmen. Sie wussten aber von einem vorbildlich geführten Tierheim in einem serbischen Dorf, das seit über 18 Jahren von einer Schweizerin geleitet wird. Dorthin brachten sie die an Körper und Seele leidende Janga.
Die kleine Hundedame verbrachte mehrere Monate in diesem Tierheim. Sie war in einer gemischten Hundegruppe mit Welpen, jungen und ausgewachsenen Hunden integriert, in der sie sich wohlzufühlen schien. Da sie einen ausgeprägten Mutterinstinkt hat, spielte sie stundenlang mit den Welpen. Ihre körperlichen Wunden heilten langsam ab. Zu Menschen war sie sehr zurückhaltend. Wir unterstützten die Arbeit des serbischen Tierschutzvereins bereits seit langer Zeit. Daher entschlossen wir uns, die Hündin aufzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt kannten wir nur ihre traurige Geschichte.
Als Janga schließlich zu uns kam, verhielt sie sich zunächst sehr unterwürfig. Sie rutschte gleichsam über den Boden und mochte sich kaum aufrichten, wenn ein Mensch in ihrer Nähe war. Ich kannte bis dahin nur den Umgang mit selbstsicheren, eher draufgängerischen Hunden und hatte daher anfangs Probleme, mich auf Jangas Verhalten einzustellen. Ich wollte ihr Mut machen und versuchte, sie auf die Beine zu stellen. Aber dadurch zeigte die Hündin sich nur noch devoter. Ich musste also lernen, anders auf sie einzugehen. Fortan setzte oder legte ich mich zu ihr auf den Boden und machte mich genauso klein wie sie. Das funktionierte; Janga kam zu mir und leckte meine Hände. In dem Moment fing ich an, sie vorsichtig zu streicheln. Von Tag zu Tag traute sie sich nun etwas mehr zu. Sie schien zu begreifen, dass sie vor meinen Händen keine Angst haben musste. Nach ungefähr zwei Wochen zeigte sie mir schon von selbst, wenn sie gestreichelt werden wollte. Die geduckte Haltung hatte sie aufgegeben. Heute springt sie uns auf den Schoß und stellt ihre Forderungen unmissverständlich.
Kurze Zeit später kam eine kleine, lebenslustige Terrier-Mischlingsdame zu uns; eigentlich als Vermittlungshund, aber wie es halt so ist: Janga, die ein bisschen größer als Tira ist, »adoptierte« die Kleine sogleich. Von da an hatten wir einen zweiten Hund, der natürlich nicht mehr zu vermitteln war. Die beiden sind inzwischen dicke Freunde geworden. Abends legen sie sich zusammen in ein Körbchen, denn Janga liebt und braucht Körperkontakt, entweder zu uns oder zu Tira, damit sie richtig entspannen kann. Im ersten Jahr hat sie tagsüber kaum geschlafen. Auch wenn sie sich hinlegte, hatte sie die Augen immer nur halb zu und war bei jedem noch so leisen Geräusch oder einer Bewegung sofort wieder wach. Das ist heute ganz anders und die vorwitzige und immer zu Streichen aufgelegte Tira hat sicher sehr viel dazu beigetragen.
Da Janga gerne in der Nähe ihrer Menschen bleibt, war es einfach, ihr den Grundgehorsam beizubringen. Sie geht inzwischen sehr gerne spazieren. Bis heute merkt man allerdings, dass sie sich an der Leine – in der Nähe ihrer Lieben – am wohlsten fühlt. Große Angst hat sie nur noch bei Gewitter. Weil sie den Krieg in Serbien miterlebt hat, denken wir, dass die Donnergeräusche sie an ihre Heimat erinnern. Was ebenfalls von ihrer Vergangenheit zurückgeblieben ist, ist ihr großer, unstillbarer Hunger. Janga findet und frisst alles. Das ist ein Problem, wenn unser Kirschbaum reife oder halbreife Früchte trägt. Unsere Hündin würde dann am liebsten den ganzen Tag damit verbringen, die auf den Boden fallenden Kirschen inklusive der Steine zu vertilgen. In dieser Zeit müssen wir den ganzen Tag – mit Janga um die Wette – die Kirschen unterm Baum auflesen, denn andernfalls könnte für sie ein ernsthaftes Gesundheitsproblem entstehen. Wir lieben Janga sehr und wollen auch nicht das kleinste Risiko eingehen, dass ihr etwas zustößt.
Lucky – auf drei Pfoten ins Glück
von Gisela Bloos
Meine Tochter verbrachte im September 1998 mit ihrem Freund einen zweiwöchigen Urlaub auf der griechischen Insel Kreta. Wie in anderen südlichen Ländern gibt es auch dort viele Straßenhunde, die sich häufig an befahrenen Straßen aufhalten und von denen deshalb auch viele überfahren werden. Sie haben kaum zu fressen oder zu trinken und sind entsprechend abgemagert. Meine Tochter hätte am liebsten alle mitgenommen.
Zwei Tage vor ihrem Abflug nach Deutschland mieteten sich die beiden einen Motorroller und fuhren durch die schöne Berglandschaft Kretas. Am Ortseingang eines abgelegenen Dorfes sahen sie IHN: Der etwa fünf Monate alte Collie-Mischlingsrüde war an einem kurzen Strick am Baum angebunden, ohne Futter, ohne Wasser, bei etwa 40 Grad im Schatten. Er lag apathisch in der Sonne und hatte sich seinem Schicksal ergeben. Meine Tochter und ihr Freund streichelten ihn und sahen dabei, dass er einen gebrochenen Hinterlauf hatte, der seitlich vom Körper abstand. Einige Meter entfernt saßen mehrere Griechen an einem Tisch und ließen es sich bei Essen und Trinken gut gehen. Schockiert über so viel Kaltherzigkeit und Ignoranz sprachen die beiden die Griechen auf Englisch an und fragten, wem der Hund gehöre. Als Antwort erhielten sie nur Schulterzucken und Gelächter. Der würde da noch nicht lange sitzen, sei wohl ausgesetzt worden.
Wieder auf dem Heimweg, reifte in den beiden der Gedanke, den armen kleinen Kerl mitzunehmen. Sie gaben den Roller ab, mieteten sich ein Auto und fuhren erneut zu der Stelle, an der sie den Hund gefunden hatten. Der kleine Rüde lag noch genauso da wie vorher und schlief. Die jungen Leute schnitten den Strick durch und nahmen ihn mit. Die ganze Geschichte ausführlich zu erzählen, würde jetzt zu weit führen. Es sei nur noch kurz erwähnt, dass meine Tochter viel Hilfe von der deutschen Rezeptionistin ihres Hotels und deren griechischem Freund bekam. So nahmen die beiden den Hund z. B. für zwei Tage bei sich auf, nachdem der Kleine geimpft, bei der Fluggesellschaft angemeldet und eine Hundebox gekauft war. Meine Tochter erledigte derweil die restlichen Formalitäten. Glücklicherweise ging die Rückreise ohne nennenswerte Probleme über die Bühne. Auch der Zoll am Frankfurter Flughafen war ganz gelassen. Wir wurden zu Hause telefonisch auf das »lebendige Mitbringsel« vorbereitet.
Da wir gelegentlich auch Pflegehunde aufnehmen, sollte Lucky – wie wir den Hund inzwischen getauft hatten – so lange bei uns bleiben, bis sich geeignete Leute für ihn finden würden. Noch in derselben Woche wurde unser Pflegekind von einem Knochenspezialisten gründlich untersucht und geröntgt. Es stellte sich heraus, dass der Hinterlauf durch Gewalteinwirkung – eventuell hervorgerufen durch Fußtritte oder einen Autounfall – gebrochen und falsch zusammengewachsen war, weil sich offenbar niemand um den Bruch gekümmert hatte. Ärztlicherseits wurde die Überlegung angestellt, das Bein zu amputieren. Wir entschieden uns aber dagegen; mit Recht, wie sich später bestätigen sollte.
Einige Tage danach erfolgte die erste Operation, zwei Monate später die zweite. Der Hüftkopf musste entfernt werden, da er stark deformiert war. Beide Operationen, die natürlich nicht ganz billig waren, verliefen zu aller Zufriedenheit. Der linke Hinterlauf war jetzt steif und brauchte regelmäßige gymnastische Übungen, die Lucky geduldig über sich ergehen ließ. Anfänglich benutzte er das operierte Bein nur zögerlich, heute setzt er es ganz normal ein. Es dient ihm als Gleichgewichtsstütze.
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