1 ...7 8 9 11 12 13 ...25 In Powell River verbinden die BC-Ferries in 75 Minuten hinüber nach Comox auf Vancouver Island, wo der Ort und das gleichnamige Tal zwischen den schneebedeckten Beaufort Bergen und der Strait of Georgia als auch die nahen Denman- und Hornby Inseln Urlaubsfreuden versprechen. Und wer im Frühjahr nach hier kommt, der kann innerhalb von dreißig Minuten auch vom Pulverschnee aufs Boot, zu einem grünen Golfplatz oder einem der zahlreichen Parks wechseln, weil das milde Klima die Wünsche nach Betätigung das ganze Jahr über erfüllt.
Comox, an der Ostseite der Insel und deren Küstenstraße gelegen, ist ein kleiner Ort mit zwei Ampeln, in dem uns in „Jasmins Cafe“ die Sängerin bediente, die am Abend mit ihrer Band im besten Restaurant des Ortes Musik machte. Hier ist auch British Columbias ältestes Hotel, das „Lone“ zu finden, wo Billard dominiert und die Bar gut besetzt ist, als auch der Hinweis, dass die Wurzeln der Ansiedlung „Port Augusta“ waren, der schon 1867 Schiffen Zuflucht bot, wenn sie Stürme in Bedrängnis brachten. Heute hat das Dörfchen, zusammen mit dem südlicher gelegenen Nanaimo, seinen ganz großen Tag eigentlich nur noch ein einziges Mal im Jahr, wenn die Heringe vom Pazifik kommen! Dann drängen sich in den Häfen Boote aus Glasfiber und Alu und mit klangvollen Namen, denn die Strait of Georgia ist eines der fünf großen Fanggebiete in BC. Zum Fang auslaufen dürfen die startklaren Schiffe aber erst dann, wenn das Zeichen vom Managementboot der Fischindustrie dafür gegeben wird. Das kommt aber nicht sofort, nachdem die Schwärme von den Überwachungsflugzeugen geortet worden sind, denn es geht nicht um den Fisch als solchen, sondern ausschließlich um Rogen für die Japaner. Dieser ist im Land der aufgehenden Sonne eine teure Delikatesse, während der Rest zu Futter verarbeitet wird.
Von den 200.000 Tonnen „Biomasse“ die in den Golf kommt, dürfen maximal 10 Prozent gefangen werden – den „First Nations“ steht davon die Hälfte zu –, denn der Hering muss als Nahrungsträger (allein die Seelöwen fressen jährlich 6.000 Tonnen) vor Überfischung geschützt werden. So wird jedes Boot auch strengstens kontrolliert, auf Lizenz (eine lebenslange kostet 650.000 $), Fangmenge, Maschengröße und Netzart, denn Schleppnetze sind verboten. Und der Fischer, der mir das erzählt fügt an: „In unsere Gewässer kommen jährlich mehr als 150.000 Tonnen Hering – auf Comox und Nanaimo entfallen etwa 9.000 Tonnen –, aber wir importieren Rollmops aus Holland …“
Angekündigt wird das Spektakel aber schon vorher: Durch Tausende von Möwen, Seeadler und Seelöwen, die sogar das ferne Kalifornien verlassen, um am großen Fressen teilzunehmen. Sind sie eingetroffen, dann kommen auch die Heringe und die weiße Milch der Männchen überzieht die Küstenlinie kilometerweit. Auslaufen dürfen die Fangschiffe aber erst, wenn das Startsignal nach Probefängen verkündet, dass die beiden goldgelben Reihen des Rogens, die jedes Weibchen in sich trägt, den geforderten 12 bis 14 Prozent des Fischgewichtes entsprechen. Wenn es ertönt ist die gespenstische Ruhe im Hafen sofort zu Ende und die Boote eilen unter voller Fahrt ihren Fanggründen entgegen. Größtenteils schließen sich mehrere Schiffe zu Pools zusammen und teilen den Fang, denn nicht jedes ist zur richtigen Zeit am richtigen Ort und nach vier Tagen ist – bis zum nächsten Jahr – schon wieder alles vorbei.
Schon in der Nacht sind die japanischen Spezialisten und Aufkäufer im Hafen an Bord ihrer Vertragsschiffe, um die Qualität des Fanges zu prüfen, bevor Saugrohre aktiv werden und die Fracht bis Dezember in Salzlauge eingefroren wird. Erst dann wird der Rogen entnommen, von dem jährlich etwa 2.000 Tonnen ihren Weg nach Japan finden. Bezahlt wird nach Qualität und Menge. Sieben Testreihen mit jeweils 36 Fischen, der Anzahl der Weibchen und deren durchschnittlichem Rogen-Anteil bilden dafür die Prozent-Grundlage, nach der die komplette Ladung von der Fischfabrik bezahlt wird. Und das kann bis zum Sommer dauern.
Die Sonnenscheinküste mit der Überfahrt nach Comox hatten wir ursprünglich auch im Programm, aber wegen der sehr teuren Einwegmiete des Autos nach Port Hardy, die uns diesen Teil der Reise kurzfristig umgestalteten ließ, musste auch sie noch einige Jahre warten. Statt Horseshoe Bay wählten wir nun Tsawwassen und anstelle eines Autos den Bus. Die Fähre der Inside Passage ließ sich auch umbuchen, so dass wir keine Zeit verloren. Nur die Ausarbeitung unserer Tour für Vancouver Island brauchten wir jetzt nicht mehr. Dass sie allerdings volle zehn Jahre im Schubkasten schlummern würde, davon bin ich damals nicht ausgegangen.
In Swartz Bay steigen wir wieder in unseren Bus und erreichen nach etwa 40 Minuten die Hauptstadt der Provinz und unser Hotel „Ocean Point Resort“. Ganz nett und kurzfristig auch das einzige, das nach unserer Routenänderung noch buchbar war. Im „eleganten Luxushotel“, wie der Polyglott bemerkt, empfanden wir aber nur den Preis als solchen: 250 $ für das Doppelzimmer.
Die Hauptstadt der Provinz British Columbia ist von schöner Natur eingerahmt und umgeben von den Wassern der Juan de Fuca Strait, die an der Südostspitze auf die Strait of George treffen. Und sie schaut mit ihrer viktorianischen Altstadt-Architektur, roten Doppeldeckerbussen, Golfplätzen, Stränden und Buchten auf die schneebedeckte Olympic Mountain Range im benachbarten Washington. Ihr Name Victoria erinnert an eine längst vergessene Zeit, in der Pferdekutschen um den Inner Harbour ratterten, Straßenmusikanten als solche ihren Lebensunterhalt verdienten, der Afternoon-Tea im Grand Express Hotel als wichtige Tradition galt und Rosen in schönen Gärten zum Stadtbild gehörten wie vornehme Geschäfte. Wirklich verschwunden ist das alles nicht. Der Tee wird weiterhin serviert, und am Inner Harbour, dessen Bild vom ehrwürdigen Hotel, Wasserflugzeugen, Segel- und Ausflugsbooten, Blumenschmuck, Händlern und Kunstschaffenden geprägt wird, erklingt noch immer Straßenmusik. Auch die Pferdedroschken zockeln noch durch die Straßen, denn die Touristen lieben sie.
Irgendwie reflektiert diese Stadt die Sensibilität des viktorianischen Englands und verbindet sie gleichzeitig mit den angenehmen und wichtigen Dingen der modernen Welt. Perfekte Harmonie zwischen Alt und Neu, mildes Klima, 2.000 jährliche Sonnenstunden, eine wohltuende Pazifikbrise im Sommer, schneearme Winter, zahlreiche Parks und viele Freizeitmöglichkeiten sind zusätzliche Trümpfe. Diese „City of Gardens“ im Süden von Victoria Island empfinden wir jedenfalls als bezaubernd sympathisch. Und es war auch noch zehn Jahre später unser Eindruck, als wir die Insel zwischen der Strait of George und dem Pazifik mit dem Wohnmobil bereisten und vor der Fährüberfahrt ins amerikanischen Port Angeles in Victoria erneut Station machten. Es ist eine Großstadt mit Kleinstadtflair, aus deren 80.000 Einwohnern 330.000 werden, spricht man vom Großraumbereich. Und die drei Häfen Sidney, Swartz Bay und Inner Harbour, an den sich die fußgängerfreundliche Innenstadt anlehnt und dessen Laternenpfähle seit Jahrzehnten wunderschöne Blumenkörbe tragen, gehören auch dazu.
Und was schaut man sich an? Der hufeisenförmige Inner Harbour Walk, der sich als blumengeschmückte Promenade um diesen Hafen zieht, Sehenswürdigkeiten mit einander verbindet als auch in schmale Gassen, Straßenkaffes, Boutiquen oder Antiquitätsläden einlädt, ist ein Muss. Das den Hafen übersehende altehrwürdige Empress Hotel – ähnlich traditionell wie das berühmte „Raffles“ in Singapur – und Victorias Parlamentsgebäude verlangen nur wenige Schritte mehr. Pacific Undersea Gardens, Royal London Wax- und Maritime Museum, das im alten Gerichtsgebäude am Bastion Square untergebracht ist und auf dem Boden des ehemaligen Fort Victorias steht, Villen und historische Häuser in der Robson- und Government Street – auch eine Topadresse unter den Einkaufsvierteln – könnten weitere Ziele sein. Die China Town der Stadt verträgt ein ähnliches Etikett wie die zu Vancouver: Man kann sie sich auch „schenken“.
Читать дальше