»Entschuldige. Das war nicht fair, Fabian. Also: Du musst Didimale ein Zeichen geben.Am besten immer mit dem gleichen Ruf. Was weiß ich: Hojo! Und den Ruf setzt du ein, wenn du auf ihr Bein geklettert bist. Los.«
Bitte!
Ich hatte mich mit dem linken Bein auf das Knie der Elefantin gestellt und mich unsicher an ihrem Oberschenkelknochen festgehalten. Bongani hatte etwas gerufen und mit seinem Ankus in die Kniekehle des Tieres gestoßen. Daraufhin hatte Didimale ihr Bein angehoben und ich war wie mit einem Fahrstuhl nach oben gehoben worden. Und weil ich dadurch nun wie ein Freeclimber in der Steilwand in drei Metern Höhe hinter ihrem Ohr gehangen hatte, hatte sie mich mit dem Rüssel das letzte Stück hinaufgeschoben. Am Po. Meine Nase war dadurch in der ledernen Haut versunken und hatte sich intensiv mit dem unverwechselbaren erdig-moschusartigen Geruch der Elefanten gefüllt. Für einen Moment hatte mein Herz gestockt, als ich nach unten gesehen hatte, dann war der Applaus der anderen zu mir hochgedrungen und ich hatte angefangen, mich zu entspannen: Ich sitze auf einem Elefanten. Das darf doch nicht wahr sein. Irre. Ein Elefant. Und hier oben soll ich jetzt zehntausend Kilometer hinter mich bringen. Das wird entweder das Abenteuer meines Lebens oder eine Katastrophe. Na, dann mal los.
Und es ging los.
Schon nach wenigen Stunden war mir, als wären Didimale und ich eins geworden. Mein Becken nahm die Schwingungen des Elefantenkörpers auf, als liefe eine Welle vom Boden durch uns beide hindurch und schwänge sich auf ins Universum. So fühlte ich mich tatsächlich wie ein Bindeglied zwischen Himmel und Erde.
Das Leben, das ich noch vor ein paar Tagen geführt hatte, lag sehr rasch unendlich weit hinter mir und ich sog den herben Geruch der Landschaft gierig in mich auf.Welch eine Reise lag vor uns. Hin und wieder ging mein Blick aber auch neugierig nach hinten, denn fern am Horizont zeigte eine kleinere Staubwolke die Gruppe der Bullen an, die hinter uns herzog.
Wenn männliche Elefanten mit etwa zwölf Jahren geschlechtsreif werden, dürfen sie nämlich nicht mehr länger bei der Herde bleiben, sondern ziehen als Einzelgänger oder in kleineren Gruppen mit anderen Bullen umher. Den Elefantenkühen nähern sie sich dann nur noch, wenn diese fruchtbar sind, was jedoch nur viermal im Jahr für drei bis sechs Tage der Fall ist. Ich weiß nicht, wie Hannibal es geschafft hat, aber irgendwie folgten die Bullen der großen Herde die ganze Zeit und verloren uns in all den Monaten und trotz vieler heikler Situationen nicht aus den Augen.
Wir waren unterwegs.
Die ersten Wochen hielt es an, das unbeschreibliche Gefühl. Die Mischung aus Euphorie und Rausch. Diesen Giganten so nah zu sein und mit ihnen in eine neue Zukunft zu ziehen sorgte für einen fortwährenden Adrenalinausstoß. Ich beobachtete Bongani, der mit seinen Brummlauten tatsächlich mit den Elefanten kommunizierte, spürte die Kraft Didimales an meinen Oberschenkeln und genoss es, meine Elefantin immer wieder mit Zucker, Nüssen oder anderem zu verwöhnen.
Erstaunlicherweise zogen wir anfangs nach Süden.Tagelang.Als ich Hannibal bei einer Mittagspause danach fragte, hob er demonstrativ die Arme. »Das ist Afrika. Wir könnten zwar auch im Norden über die Grenze nach Mozambique, doch die Visa für die Weiterreise nach Tansania gibt es nur in der Hauptstadt Maputo. Und die liegt nun einmal ganz im Süden dieses üppigen Landes. Deshalb marschieren wir erst einmal hundertachtzig Kilometer in die falsche Richtung. Aber das macht nichts. Wir haben ja Zeit. In Mozambique ist das Entscheidende die Paciência, die Gelassenheit. Hektik hat man da gar nicht gerne.«
In diesen ersten Tagen bekamen wir - abgesehen von Touristen - kaum einen Menschen zu Gesicht, weil wir uns die ganze Zeit an der Ostgrenze des Krügerparks entlangbewegten. Ein paar Mal deutete Bongani über die Hügelketten im Westen und rief mir die Namen von Orten und Camps zu, die mir alle nichts sagten: Satara, Tshokwane, Lower Sabie. Ich nickte dann - oder winkte wieder mal einem Jeep mit Safari-Gästen zu, die voller Erstaunen ihre Kameras auf uns richteten und verzweifelt versuchten, einander zu erklären, was das da vor ihnen wohl sei: hundert Elefanten mit drei fröhlich grüßenden Reitern obendrauf.
Nur in Skukuza entfernte sich Bongani für einige Stunden von uns.Als er wieder zu uns stieß, war Epila über und über mit Paketen beladen.
»Was ist da drin?«, fragte ich neugierig.
»Biltong.«
»Was? Beton?«
»Nein, Biltong. Getrocknetes Wildfleisch. Rind, Strauß, Springbock und Gnu. Das hält sich gut bei dem Wetter und stillt den Hunger.«
Ich zeigte auf das Hinterteil der Elefantendame: »Und das große Ding da hinten? Unter der Plane?«
Bongani grinste breit. »Das ist ein Moped.Wir müssen schließlich hin und wieder zu Botschaften oder, um einzukaufen, in eine Stadt fahren. Das können wir schlechterdings nicht mit einer riesigen Elefantenherde machen. Das wirst gerade du als Großstädter einsehen, oder?«
Wir strahlten beide und verteilten dann das Essen und das Moped auf verschiedene Tiere. Noch wirkte das alles wie ein wildes Abenteuerspiel großer Jungs. Nur Hannibal schien bisweilen ein wenig unruhig, winkte aber ab, wenn ich ihn darauf ansprach. Und wenn abends am Lagerfeuer der Kalahari-Wüstenschnaps die Runde machte, dann schlief ich anschließend ruhig und gelassen ein, als wollte ich nirgends lieber sein.
An dem Tag, an dem im Gazastreifen unter massivem Protest die Räumung der jüdischen Siedlungen begann, erreichten wir den Crocodile River, die Südgrenze des Krügerparks. Da Elefanten Tiere sind, die am liebsten jeden Tag baden, stürzten sich die Dickhäuter dort sofort mit lautem Tröten in die Fluten und sprühten begeistert mit ihren Rüsseln Wasser über ihre mit Staub bedeckten Körper. Wieder ein unvergesslicher Anblick. Hundert lebende Duschen.
Hannibal legte seinen Arm um mich und deutete den Fluss hinunter. »Da vorne bei Komatipoort ist die Grenze. Da geht es richtig los. Südafrika ist ja letztlich ein westliches Land. Aber nur noch wenige Kilometer, dann beginnt das wahre Afrika. Und ich habe das Gefühl:Wir schaffen das!«
Er wusste nicht, wie sehr er sich irrte.
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