So saß ich auf der Schüssel und konnte mich nicht mehr bewegen, denn sobald ich es versuchte, wurde mir schwindelig. Horst, der sich darüber amüsierte, sagte zu mir: „Du hast zu oft gezogen, jetzt ist dein Kreislauf nicht mehr stabil. Aber mach dir keine Sorgen, bleibe einfach sitzen, bis es dir wieder besser geht.“
„Vielen Dank auch“, sagte ich mit einer leisen, aber sarkastisch klingenden Stimme. So etwa nach einer Stunde versuchte ich mich vorsichtig aufzurichten, was mir auch gelang. Mein Gang aus der Toilette war noch wackelig und meine Wahrnehmung ließ zu wünschen übrig. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Verdammt noch mal, mir war so schlecht gewesen, dass ich mir geschworen habe, nie wieder einen Joint zu rauchen.
Mein Schwur sollte nicht lange halten, denn schon eine Woche später fuhren meine Kumpels und ich zu einem nahegelegenen Kloster, wo durch Mönche eine Wirtschaft mit Biergarten betrieben wurde. Das Bier dort schmeckte sehr gut. Es war ein Geheimtipp, denn das Schwarzbier, das hier gebraut wurde, gab es nur ein paar Monate im Sommer. Die restliche Zeit des Jahres war die Klosterstube geschlossen.
Wir hatten an dem schönen Sommertag schon einige Bier getrunken, als wir auf die Idee kamen, auf eine Anhöhe zu fahren, die ganz in der Nähe des Klosters gelegen war, um einen schönen Ausblick über die Landschaft zu haben. So glaubte ich zumindest … Als wir oben angekommen waren, holte einer der Jungs Zigarettenpapier aus seiner Hosentasche und eine kleine Tüte, in der sich Marihuana befand. Es schien mittlerweile jeder zu rauchen, den ich kannte. Immer wieder sah ich hin, um zu sehen, wie ein Joint gebaut wird. Ben blickte mich an. Als er fertig war gab er mir den Joint und sagte: „Los, zünde ihn an.“ Ich zögerte keinen Moment, und so kam ich in den Genuss, das erste Mal einen Marihuana-Joint anzurauchen. Ich hatte keine Ahnung, welche Wirkung mich erwartete. Deswegen zog ich dieses Mal nicht so intensiv an, sondern gab den Joint schnell weiter. Schließlich wollte ich nicht wieder so enden wie das letzte Mal bei Horst. Es dauerte nicht lange und wir alle fingen an zu kichern, wie kleine Kinder lachten wir über alles, was wir sahen, redeten wirre Sachen, die in keinem Zusammenhang standen. Es war so befreiend. Kein Gedanke war von Dauer und nichts war mir zu diesem Zeitpunkt wichtig. Zeitlos verbrachten wir den Nachmittag, bis der Heißhunger auf Essen unerträglich wurde. Ein cooler Tag neigte sich dem Ende entgegen und ich machte mir keine Gedanken darüber, dass ich schon wieder Drogen konsumiert hatte.
„Am kommenden Wochenende findet ein Open-Air-Konzert statt“, sagte Ben noch, bevor wir uns verabschiedeten. Er fragte mich, ob ich da mitfahren wolle. „Natürlich, sehr gerne“, sagte ich spontan, denn ich wusste, dass es da bestimmt wieder etwas zu Rauchen geben würde. „Alles klar, dann bis Freitag, wir holen dich ab“, sagte Ben mit einem Grinsen im Gesicht. Ich freute mich darüber und konnte das Wochenende kaum erwarten.
Wie versprochen stand Ben mit seinem VW-Bus am Freitag vor dem Haus, in dem ich wohnte. Er hupte dreimal, um auf sich aufmerksam zu machen. Ich rannte schnell die Treppe hinunter. Als sich die Schiebetür vom Bus auftat, kam mir als erstes eine Rauchwolke entgegen, die nach Marihuana roch.
„Hi“, begrüßte ich die darin sitzenden Leute, die ich zum Teil gar nicht kannte. Ein lautes Lachen schallte mir entgegen. Mit einem: „Komm rein, setz dich“ wurde ich begrüßt und bevor ich Platz genommen hatte, hielt ich schon den ersten Joint in meiner Hand. So hatte ich bis zur Ankunft beim Festival mindestens fünf Joints mitgeraucht. Ich war so zugedröhnt als ich ausstieg, dass ich das, was um mich herum geschah, gar nicht mehr wahrnahm. Lachend und Arm in Arm hängend betraten wir das Gelände, wo das Konzert stattfand. Abwesend bewegte ich mich zu der Musik, um mich herum waren alle gut drauf, und ich schwebte auf Wolke sieben. Doch nach ein paar Stunden hatte ich keine Power mehr – ausgelaugt und mit null Plan lag ich abseits im Dreck. Ich bekam von dem ganzen Trubel so gut wie nichts mehr mit. Alkohol und die Joints zollten ihren Tribut, das Konzert lief an mir vorbei. Ausgeliefert und meiner Persönlichkeit beraubt, hatte mich der Drogenrausch zu einem wehrlosen Objekt für andere gemacht. Ein Typ hatte mir meine Uhr und mein Geld gestohlen. Ich wurde ausgelacht, beschimpft und von manchen sogar getreten. Ein wehrloses Opfer, mit dem man alles machen konnte.
Irgendwann am nächsten Tag war ich wieder zu Hause, ohne Erinnerung an den Ablauf des Konzerts wollte ich nur noch wieder fit werden. Müde und lustlos stand ich Montagfrüh um sechs Uhr auf, um zur Arbeit zu gehen. Es fiel mir sichtlich schwer und am liebsten wäre ich im Bett geblieben. Nicht die Arbeit, nein der Gedanke, wie ich mir selber etwas zum Rauchen besorgen konnte, schwirrte in meinem Kopf herum und so rief ich Horst nach der Arbeit an und fragte ihn, ob er Zeit hätte, sich mit mir zu treffen.
„Klar, komm vorbei“, antwortete er mir am Telefon. Ich fuhr gleich zu ihm nach Hause.
Als ich in sein Wohnzimmer trat sagte er: „Mach es dir gemütlich.“ Auf dem Tisch stand ein Glas Chillum, daneben lagen Tabak und ein paar Knospen Marihuana. So ein Rauchgerät hatte ich vorher noch niemals gesehen, und irgendwie war ich schon scharf darauf, es auszuprobieren. Ich schaute gespannt zu, als Horst die Mischung im vorgesehenen Trichter anzündete und sich das Glasrohr mit Rauch füllte. Während dieser Zeit hielt er mit einem Finger ein kleines Loch zu, nahm diesen dann von der Öffnung und sog zugleich den ganzen Rauch wie ein Staubsauger ein. Er verdrehte leicht die Augen, als er mich ansah. Ohne Worte nickte er mit dem Kopf und gab mir zugleich das Chillum in die Hand. Etwas zögerlich zog ich an, bis das Glasrohr mit Rauch gefüllt war, und hob Sofort merkte ich die Dröhnung in meinem Kopf. Wie ein Blitz schlug das ein. Meine Augenlider senkten sich und mit einer sanften Bewegung versank ich im Sofa. „Wow, das war der Hammer, der dir auf den Kopf schlägt“, sagte ich grinsend zu Horst.
Im Laufe des Abends wiederholte ich dies noch ein paar Mal, bis ich total breit keinen Muckser mehr von mir gab. Nach einer gewissen Zeit erholte ich mich wieder halbwegs, so dass ich Horst darauf ansprach, ob er mir etwas zum Rauchen verkaufen könnte. „Klar, wie viel willst du denn?“, meinte er.
„Ich habe keine Ahnung. Was kostet das Gramm Shit oder Gras?“, fragte ich ahnungslos.
„Haschisch kostet 6,50 DM das Gramm und ein Gramm Marihuana kostet fünf DM. Frisch aus Holland eingetroffen.“
Ich nahm jeweils zehn Gramm. Auf einer Apotheker-Waage wog Horst alles ab und verpackte es anschließend in einer verschließbaren Plastiktüte. „Das macht 115 DM.“ Eine Menge Geld, aber es war mir egal, denn endlich hatte ich selber was zu rauchen und ich kam mir ziemlich cool dabei vor. Zugedröhnt verabschiedete ich mich nach ein paar Stunden von Horst und fuhr zufrieden nach Hause zurück. Wegen der Polizei machte ich mir am Anfang der Heimfahrt noch keine Gedanken. Doch schon nach fünf Minuten Fahrt sollte sich das ändern. Mein berauschter Zustand war offensichtlich gewesen und ich dachte mir noch, bei einer Fahrzeugkontrolle würde die Polizei das bestimmt merken. Gerade noch daran gedacht und schon sollte sich mein Gedanke erfüllen.
Eine Zivilstreife mit Blaulicht überholte mich außerhalb der Ortschaft und ein Beamter winkte mit der Kelle aus dem Fenster, um mir zu signalisieren, dass ich rechts ranfahren sollte. Im Auto roch es schon enorm nach Gras. Deshalb öffnete ich sofort das Fenster, damit der Geruch aus dem Auto zog. Das kann doch jetzt nicht wahr sein. Das erste Mal mit Drogen unterwegs und schon bin ich dran. Jetzt bloß keine Panik. Bleib einfach locker, dann wird das schon gut gehen, redete ich mir ein. Aus meiner Sicht gab es keinen Grund, mich anzuhalten. Schnell packte ich die Plastiktüte mit dem Marihuana und dem Haschisch und hielt sie in meiner Hand, bereit zum Werfen. Jetzt musste alles ganz schnell gehen, die vor mir fahrende Zivilstreife bog in eine Straßeneinbuchtung ein. da es schon Dunkel war, konnte ich diesen Vorteil für mich nutzen. Denn genau in diesem Augenblick konnte keiner sehen, dass ich die Beutel aus dem Fenster in den gegenüberliegenden Straßengraben warf. Erst dann folgte ich in die Einbuchtung und blieb hinter ihnen stehen.
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