1 ...6 7 8 10 11 12 ...27 Als um das Road House herum Verwaltungsgebäude, Post Office, einige Häuser und Schuppen entstanden, war auch der Grundstein für das „erste“ Williams Lake gelegt. Die Attraktion der kleinen Ansiedlung war die gastfreundliche Einkehr, deren 1$-Mahlzeiten einen sehr guten Ruf hatten, und die für „Kamerad Pferd“, wurden Futter und Stall gebucht, 3.50 $ auf die Rechnung schrieb. Für 13 Cent pro Pfund wurden auch Kartoffeln angeboten, denn die eigene Ernte betrug jährlich etwa 800 Zentner. Wie der Ort zu seinem Namen kam, das will eine Sage wissen: Ein Fremder traf am See einen Angler und fragte ihn nach seinem Namen. Die Antwort war „William“, und auf die zweite, ob das sein See sei, antwortete der Indianer mit „ja“, womit Williams Lake getauft war. Für das weitere Wachstum sorgten die Goldfunde, denn sie zogen alle an, auch Gauner, Spieler und Banditen, und somit wuchs der Ort auch insgesamt zum Liefer- und Versorgungszentrum. Der zusätzliche Enthusiasmus, den 1863 die Kunde von der neuen Wagenstraße auslöste, wurde jedoch nicht belohnt, denn die fünfeinhalb Meter breite Spur zog, unvorstellbar für jene Einwohner, zur Lake Valley Ranch (später 150 Mile House), danach über die Berge zum Deep Creek, wo zwischenzeitlich Pinchbecks 164 Mile Road House stand, und schließlich nach Soda Creek. Damit war „Williams Lake-Village“ umgangen und versank in einen langen Schlaf.
Constabler Pinchbeck, dessen Anwesen dort stand, wo heute die Stampede der Provinzstadt stattfindet, war für diese Region allerdings ein richtig guter Mann, als Polizist, Richter, Anwalt, Henker, notfalls auch als „Arzt“. Eine Pistole soll er nie getragen, sondern jegliche Probleme mit seiner Autorität gelöst haben. Der Mann, der mit achtzehn Jahren England verlassen hatte und die Indianer gut behandelte, erkannte nicht nur sehr schnell die Bedeutung der Cariboo-Region, sondern war auch ein Visionär. Und deswegen kaufte er, gemeinsam mit einem Freund, auch weiteres Land, als die neue Straße nördlich vorbei zog. Am Ende gehörte ihnen mit achthundert Hektar das ganze Tal, von dem sie die Hälfte kultivierten. Obwohl die Postkutschen und Frachtwagen nun über das 150 Mile House fuhren, blieben sein Road House, Laden und Saloon weiterhin sehr erfolgreich, denn Pinchbecks „White Wheat Whisky“ war berühmt wie heutige Spitzenprodukte. Und somit waren es nicht nur die Goldschürfer, die im Winter für acht Dollar pro Woche in seinem Haus auf besseres Wetter warteten, die viel Geld in der Bar ließen. Ein warmes Essen kostete fünfzig Cent, ein Drink die Hälfte, und Pinchbeck investierte all diese Dollars wieder. Er baute Getreidemühle, Bier- und Whiskybrauerei und ein Sägewerk, Viehzucht und Landwirtschaft betrieb er nebenher. Sein Markt waren die Goldcamps, Packpferde das Transportmittel. Für die ganz schnellen Vierbeiner baute er sogar eine Bahn, denn Pferderennen galten als schick und Hauptsportart. Als die Rennen für 1861 anstanden, ruhte die Arbeit in den Camps fast zwei volle Wochen, denn die Leute kamen aus der ganzen Region und bevölkerten die abgeernteten Weizenfelder mit ihren Zelten. Im Pool sollen damals etwa sechzigtausend Dollar Preisgeld gewesen sein, die nach der Regel “der Gesamtsieger bekommt alles“ ausgeschrieben waren. Und dieser hieß Niger Baby, hatte Doc English im Sattel und gewann das Entscheidungsrennen in überlegener Manier. 1880 ging Pinchbeck zurück nach England und heiratete. Für seine erste Frau, die eine Tochter von Chief William gewesen sein soll, baute er am Nordende des Sees eine neue Bleibe, für sich selbst und die neue Familie das „Lower House am See“, das eine der besten Adressen der ganzen Gegend gewesen sein soll. Einige Jahre später zahlte er zwar seinen Partner aus, doch mit der zu Ende gehenden Goldrauschzeit gingen auch seine Geschäfte merklich zurück. Im Juli 1893 starb Pinchbeck. Seine weiße Grababgrenzung leuchtet heute vom Hügel über dem Stampedeplatz, auf dem er einst zu Hause war. Doch auch die berühmte Stampede der modernen Zeit kann nicht verhindern, dass Alteingesessene nach immer davon schwärmen, was Zeitzeugen ihren Nachfahren über die alte Squaw Hall und das Mountain Race überliefert haben. In jener wurde so manch lange Nacht gefeiert, und das wilde Rennen fand sein Ende, als der Cariboo Highway einige Korrekturen erfuhr, asphaltiert wurde und nicht mehr im Galopp überquert werden konnte. Joe Flieger, der das Rennen, das nur auf den letzten 250 Metern über besseren Boden führte, einst ins Leben rief, gewann die halsbrecherische Jagd über Berge, durch unwegsames Gelände und Busch auf seinem Schimmel Eagle 1923, 1924 und 1926. Noch besser war nur der Alkali Lake-Cowboy Squinahan, der im nächsten Jahrzehnt achtmal erfolgreich war.
Etabliert wurde die Stampede 1920, um die neue Stadt und die „Ankunft“ des Pacific Great Eastern Railways zu feiern. Chronisten berichten allerdings, dass es schon ein Jahr früher eine Stampede gegeben habe, als weder das Tal noch der neue Ort Straßen kannten. 1920 kamen aber alle, mit Wagen und Zelten, Weiße und Indianer um sich bei ihren täglichen Aufgaben im sportlichen Wettstreit zu messen und herauszufordern. Eine Arena gab es dafür noch nicht, aber ein ausgelassenes Tanzfest im Pinchbeck-Borland-Haus, nachdem alle Sieger ermittelt waren. Ein Jahr später hatte das neue Williams Lake bereits Formen angenommen, durch Hotels, Bars, eine Bank, Häuser und Schuppen. Danach wuchsen Ort und Cowboy-Sportspektakel weiter, bis der Zweite Weltkrieges dem sportlichen Ereignis eine Ruhepause aufzwang. Als es 1947 wieder eröffnet wurde, war auch die Zeit der lokalen Amateure vorbei. Die Stampede wurde, wie alle anderen großen Rodeos auch, zu einer hochprofessionellen Show mit Tribüne und Spitzenkönnern aus ganz Nordamerika. Nur die Tatsache, dass man genau wie damals einige Tage nicht zum Schlafen kommt, soll sich beim Rodeo nicht geändert haben. Andererseits funktionierte selbst in den 1950er Jahren in diesem Landstrich das Leben noch längst nicht so, wie anderswo in Kanada. So gaben die beiden Banken in der Stadt anlässlich des „October Cattle Sale“ an zwei verschiedenen Nächten jeweils eine Party, bei der um Schreibtische und Kassenschalter getanzt, und Drinks im Tresorraum gereicht worden sein sollen, denn beide waren hier auch schon ansässig, als 1919 die ersten Gebäude der neuen Stadt an der gegenüberliegenden Seeseite bei den Bahngleisen entstanden. Es waren zwar nur zwei kleine, mit Dachpappe gedeckte Holzhütten und weniger als zwanzig Quadratmetern, denn Geld für Besseres musste erst noch verdient werden. Aber auch das war anders als heute, denn die Kunden kamen nicht zur Bank, sondern „die Banker“ mussten oft meilenweit zu ihnen reiten, auch im Winter. Und wenn es um die Eröffnung einer neuen Zweigstelle ging, dann war es ähnlich wie heute, es las sich nur ein wenig anders, was Irene Stangoe in ihrem Buch „Cariboo-Chilcotin, Pioneer People and Places“ einem Bericht des damaligen Managers der Bank of Commerz in Williams Lake an seine Zentrale entnahm: „Die hohen Kosten, Miete für Büro, Pferd und Futter von monatlich 24 $, bei Pferdekauf 30 $ für Stallmiete und 60 $ pro Tonne Hafer, können anderweitig besser verwendet werden.“
Auch das 1920 erbaute „Log-Cabin-Hotel“, mit Lobby, Speisesalon und dreizehn Zimmern ein imponierender Bau, funktionierte noch etwas anders. Übernachtung und Essen hatten mit je 50 Cent den gleichen Preis, und das Wasser in der Badewanne war kalt. Warmes stand in der Zisterne hinter dem Lobbyofen zwar zur Verfügung, doch das musste sich der Gast auch selbst holen. Das große Feuer von 1921 überlebte es noch, doch als 44 Jahre später die Original-Holzbohlen einer Rundumrenovierung weichen mussten, ging mit ihnen auch ein ganzes Kapitel der alten Pionierzeit zu Ende. Williams Lake selbst, das seinen Namen vom Häuptling der Shuswap-Indianer erhielt und als Haltestelle auf dem Weg in die Goldfelder entstand, war aber endgültig etabliert, als der Great Pacific Eastern Railway 1919 diese Ansiedlung in seinen Schienenstrang einbezog. 1940 war der Ort bereits zum größten Rindertransportplatz der Provinz geworden, und runde 70 Jahre später wohnen hier 11.000 Einwohner die wissen, dass hier das Herz und der Lifestyle des Cariboo schlagen.
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