Sie hält mir ein Musterbeispiel unter die Nase. Idiotensicher, denke ich.
»Wie Sie ja sehen, ist es eigentlich ganz einfach: Ihr Name hier oben, die Anschrift des Vertragspartners, Datum und Uhrzeit von wann bis wann gearbeitet wurde. Und natürlich die Unterschrift des Vertragspartners nicht vergessen. Die Stundenzettel müssen dann wöchentlich abgegeben werden, das gilt auch für den letzten Tag des laufenden Monats. Aber dies steht alles noch einmal ausführlich hier hinten drauf.« Sie schiebt die Stundenzettel in die Mappe und reicht diese mir. »So, Herr Frank, und jetzt kann ich Ihnen nur noch einen guten Start in den neuen Job wünschen.« Lächelnd streckt sie mir ihre Hand entgegen.
Ich greife zu. »Danke!«, sage ich. »Das kann ich wirklich gebrauchen …«
»Gut. Dann einen schönen Tag noch …«
»Ebenfalls …«
Ich versuche, den Strahlemann zu mimen. Ich bin optimistisch. Nur eben – sie hat sich bereits abgewandt.
Ich verlasse das Büro und sehe draußen zwei weitere Kandidaten sitzen. Ein junger Schwarzafrikaner und das Gesicht, das ich schon zuvor gesehen hab. Im Gesamtbild wirkt er ein wenig abgefackt und er sieht auch nicht mehr so freudestrahlend aus, als er kurz zur Tür bei der Personalerin reingeschaut hat.
Im Treppenhaus kommt mir ein weiterer Mann entgegen, der offensichtlich gleichermaßen auf dem Weg ins Personalbüro ist. Ich erkenne das an seiner halb geöffneten Tasche, aus der eine knittrige Kochhose lugt. Fast bin ich mit den Gedanken selbst schon in der Küche angekommen. Aber dennoch komme ich mir irgendwie überrumpelt vor.
Der 1. Tag:Es ist kalt und noch ziemlich dämmerig. Windig ist es und es schneit. Aber das wirklich Ätzende ist, dass die Uhr heute Morgen so verdammt schnell laufen will. Ich sehe zu, dass ich flinke Füße bekomme.
Von wegen die Arbeitsstelle ist gleich um die Ecke vom Bahnhof, und alles kein Problem mit dem Bus, wenn nur einer fahren würde. Außerdem fährt der Bus nur stündlich, wie ich an der Haltestelle dem Fahrplan entnehmen kann, und leider ist es auch so, dass, wenn der Zug ankommt, der Bus dann quasi schon weg ist. Tolles Timing! sage ich mir. Eben ideal für Rentner.
Ich bin seit gut 2 Stunden unterwegs – extra früh aufgestanden –, und seit einer halben Stunde stapfe ich mit Sack und Pack durch 20 Zentimeter tiefen Schnee. Doch denke ich: Ein Glück, gleich habe ich es geschafft! Ich höre die Autobahn, sehe riesige Lagerhallen, und ich sehe die Kantine. Mit ungefähr 5 Minuten Verspätung hetze ich hinein.
» Guten Morgen! «, sage ich zum erstbesten Mitarbeiter des Kantinenpersonals.
»Ah, die Aushilfe ist da! Guten Morgen! « Er, vielleicht knappe 30, schaut zur Uhr, dann kurz zum Fenster, sieht das Schneetreiben dort draußen und sagt dann weiter nichts wegen der inzwischen 8 Minuten. »Gut, Sie müssen sich eh in der Männerumkleide umziehen. Kommen Sie!«, fordert er mich auf.
Ich folge ihm und nicke nacheinander vier älteren Damen zu, die hier und da an verschiedenen Speisekomponenten werkeln.
Er schließt die Tür auf und zeigt mir einen Schrank. »Den können Sie nehmen«, sagt er und geht gleich wieder.
Wiederum 5 Minuten später stehe ich in voller Kochbekleidung in der Küche und spähe nach meiner heutigen Erstbekanntschaft, doch leider ist er gerade nicht zu sehen. Ich trete an eine ältere Dame heran – ein Mütterchen an die Sechzig vielleicht. Sie lächelt ganz nett und ich versuche, den motivierten Küchenhelfer zu mimen. Ich frage: »Nun, wo kann ich mich bei Ihnen am besten nützlich machen?«
»Na, aber junger Mann!«, sagt sie erstaunt. »Etwa das erste Mal heute in der Küche?«
»Nein«, sage ich. »Ich war schon in so einigen Küchen gewesen.«
»Gut. Dann zeige ich Ihnen gleich mal unsere Geschirrspüle.«
Was auch sonst? denke ich. Ich tapse der werten Dame brav hinterher.
Zwei Türen weiter: »So, das ist sie, unsere gute Spülküche. Sie kennen sich mit solchen Maschinen aus?«
»So ungefähr …«
»Na ja …« Sie deutet auf die Schaltfläche an der Maschine. »Also, hier wird sie eingeschaltet, hier läuft das Band schneller und Null ist der Ausschalter. So weit alles klar?«
»Klar«, sage ich.
»Ach, und dort ist noch ein Notausschalter, wenn mal etwas stecken bleibt.« Sie schaut sich um. »Nun, wie Sie sehen, es hat sich bereits einiges an Geschirr angesammelt. Warten Sie kurz …« Sie wirft einen Blick zum Speisesaal hinaus … »Ja, und hier um die Ecke stehen zusätzlich noch zwei volle Wagen vom Frühstücksgeschäft. Die bitte nicht vergessen. Und das saubere Geschirr kommt dann dort drüben auf den leeren Wagen. Das müssten Sie später in der Küche und im Ausgabebereich verteilen. Aber fangen Sie erst einmal an, und alles andere kommt dann später …«
Schon verlässt sie mich wieder und ich bin von Anfang an mit Arbeit voll eingedeckt. Eine Begrüßung durch die Küchenchefin? – vorerst Fehlanzeige. Es scheint auch nicht unbedingt so wichtig zu sein, und selbst ich verpasse es zwischen Tür und Angel, mich ordnungsgemäß vorzustellen. Ich bin halt nur die Aushilfe – irgendeine von irgendwoher. Aber was soll's, denke ich. Ich schalte die Spülmaschine ein und fange an, das Durchlaufband mit Geschirr zu bestücken.
So gegen elf Uhr werde ich mit allerlei benutzten Töpfen und schmutzigen Pfannen zugestellt. Ich muss mich beeilen, dass ich zurande komme.
Der junge Koch bringt mir noch mehr verkrustete Bleche und Edelstahleinsätze, die zwischenzeitlich in Gebrauch waren. »Alles okay?«, fragt er, als er seine Fracht abgeladen hat.
»Ja, es geht so«, sage ich, und mein Blick taucht aus dem riesigen Vorspülbecken auf. »Wie viele Leute kommen eigentlich mittags bei euch zum Essen?«
»Na ja, so im Durchschnitt drei-, vierhundert Gäste … (?), schwer zu sagen. Heute vielleicht nicht ganz so viele.«
»Und von wann bis wann geht immer das Mittagsgeschäft?«
»Von 11 30bis 15 00Uhr. Ach ja, wo wir gerade dabei sind: Sie müssen Ihre Pause von halb zwölf bis zwölf machen, weil Sie später wahrscheinlich keine Zeit mehr dafür haben werden. Wie gesagt, und zu essen … Haben Sie vielleicht selbst etwas mitgebracht?«
»Nein. Das habe ich leider vergessen.«
»Macht nichts. Es sind noch ein paar belegte Brötchen vom Frühstück übrig, da können Sie ruhig zwei von nehmen. Sie können sich auch eine Flasche Wasser holen, das steht hinten im Gang. Den Pausenraum finden Sie ebenfalls dort. Rauchen ist aber nur draußen erlaubt, hinten bei den Müllcontainern.«
»Alles klar«, sage ich, »dann weiß ich ja Bescheid.«
Er geht und ich halte mich ran, dass ich noch das Gröbste bis zum Mittagsgeschäft sauber bekomme.
»Hallo, ich bin die Karin!«, überrascht mich kurz vor halb zwölf eine Frau, mit der ich bisher nichts weiter zu tun hatte.
»Ja, und ich bin der Frank.« Ich stelle die Bleche ab und will eigentlich gerade Pause machen. Aber …
»Ach, könntest du vielleicht noch schnell über die Tische im Speisesaal wischen, bevor der Ansturm der Gäste kommt?«
»Kann ich machen«, sage ich und mime Begeisterung.
»Ach, das wäre aber wirklich nett …«
Sie verschwindet wieder.
Dann eben 5 Minuten weniger Pause, denke ich.
Aus den vermeintlichen 5 Minuten werden dann schnell 10 Minuten.
Im Pausenraum sehe ich einen Dienstplan hängen. Ich sehe, dass bei zwei Mitarbeitern für die laufende Woche K-Zeichen eingetragen sind – K = wie für krank. Auch eine Frau Meier scheint gerade Urlaub zu haben. Aber eigentlich ist alles, was ich im Pausenraum sehe, nicht sonderlich wichtig für mich.
Später dann: Die Teller stapeln sich inzwischen zu hohen Türmen auf. Man bringt etliche Pfannen und Töpfe zu mir in die Spülküche herein, und draußen sind immer noch 3 volle Wagen abzuräumen. Nicht einmal zum Abtrocknen des Bestecks bin ich bisher gekommen. Nun muss ich es aber tun, weil sämtliche Besteckkästen ziemlich leer aussehen, zudem noch einige Nachzügler zum Essen kommen. Zwischendurch überschlage ich grob, wie lange ich vermutlich für alle Arbeiten brauchen werde und komme zu dem Schluss, dass ich allein bis 16 00Uhr es wohl nicht ganz packe.
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