Für Immi, Michi und Sissy
sowie für meinen väterlichen Freund Kurt
Christian Wehrschütz
Im Kreuzfeuer
Am Balkan zwischen
Brüssel und Belgrad
Molden
ISBN 978-3-99040-154-5
© 2009 by Molden Verlag
in der Verlagsgruppe Styria GmbH & Co KG
Wien · Graz · Klagenfurt
www.molden.at
Buchgestaltung: Bruno Wegscheider
Umschlagfoto: ORF
Lektorat und Herstellung: Marion Mauthe
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2017
Alle Rechte vorbehalten
Cover
Zitat Für Immi, Michi und Sissy sowie für meinen väterlichen Freund Kurt
Titel Christian Wehrschütz Im Kreuzfeuer Am Balkan zwischen Brüssel und Belgrad Molden
Impressum ISBN 978-3-99040-154-5 © 2009 by Molden Verlag in der Verlagsgruppe Styria GmbH & Co KG Wien · Graz · Klagenfurt www.molden.at Buchgestaltung: Bruno Wegscheider Umschlagfoto: ORF Lektorat und Herstellung: Marion Mauthe E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2017 Alle Rechte vorbehalten
Anstatt eines Vorworts: Balkan-Experten, Journalisten und andere Scharlatane
1. Der Balkan: Zwischen Gebirgszug, Pulverfass und Klischee
2. Der Balkan und seine Bedeutung für Österreich
3. Der Weg nach Lipovac – Kroatiens serbische Hauptstadt
4. Josip Broz Tito: Der „gute“ Diktator und seine Nachwirkungen
5. „Točno – Tačno“
6. Im Kreuzfeuer Mazedonien
7. Der 5. Oktober 2000 –Serbiens große Stunde
8. Zoran Đinđić – Gefallen auf unmöglicher Mission?
9. Bosnien und Herzegowina – der Staat, den keiner wollte
10. Der Kosovo – Problemzone des Balkans
11. Der 17. März und die Unruhen im Kosovo
12. Slowenien und die Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs
13. Der Leidensweg der „Ausgelöschten“in Slowenien
14. Das Haager Tribunal – ein notwendiges Übel mit vielen Schönheitsfehlern
15. Mazedonien: Zwischen Alexander, Athen und Brüssel
16. Der Grenzstreit um die Bucht von Piran
17. Montenegro: Das „bessere“ Serbien auf dem Weg zur Nation
18. Albanien: „Shqipëria po ndryshon“ – Albanien wandelt sich
19. Ex-Jugoslawien auf dem Weg Richtung EU
20. Die Kroaten von Janjevo
21. Nikola Tesla – ein österreichisches Schicksal?
22. Joca Amsterdam – eine kriminelle Karriere
23. Die Haggadah aus Sarajevo – ein faszinierendes Buch
24. „Die letzte Brücke“ als erste Brücke
Nachwort von Immanuela Wehrschütz „Ein Journalist ist nur so gut wie sein privates Telefonbuch“
Personenregister
Weitere Bücher
Anstatt eines Vorworts: Balkan-Experten, Journalisten und andere Scharlatane
Ich weiß, dass ich nichts weiß.
Platon, Apologie des Sokrates 1)
„Schreib’ ein Buch! – Schreib’ Dein Buch!“ Diese Aufforderung habe ich umso öfter vernommen, je länger ich am Balkan tätig war. Dass ich diesen Band erst jetzt vorlege, hat mit meiner Berufsauffassung zu tun. Es ist besser einen guten Artikel als einen schlechten Aufsatz zu schreiben, und natürlich halte ich es für besser einen guten Aufsatz als ein schlechtes Buch zu verfassen. Gute Kenner des Balkans 2)haben ihre Bücher daher erst nach langjähriger Tätigkeit geschrieben. Sie alle zählten nicht zu den Journalisten und selbsternannten Experten, die Länder oder Regionen besuchen und dann nach kurzem Aufenthalt ein Buch darüber schreiben, obwohl sie nicht einmal der Landessprache mächtig sind. Wer würde einen Ingenieur eine Brücke bauen lassen, der kaum die vier Grundrechnungsarten beherrscht? Zu den Grundrechnungsarten eines im Ausland tätigen Journalisten zählt die Sprachkenntnis. Wie seriös kann die Beurteilung eines Landes ausfallen, wenn der betreffende Journalist nicht in der Lage ist, sich selbst ein Taxi zu bestellen? Am Balkan habe ich nicht nur einmal erlebt, dass Übersetzer schlecht oder sogar sinnentstellt übersetzt haben. Hinzu kommt, dass die Landessprache die Voraussetzung für das Eindringen in Kultur und Mentalität fremder Völker ist. Die Achtung gebietet es, zuerst die Sprache zu erlernen, wenn man länger im Ausland lebt, und diese Anstrengung wird wahrlich honoriert. Außerdem sind Taxifahrer und Durchschnittsbürger oft weit bessere Quellen als Politiker, die Journalisten natürlich auch manipulieren wollen. Die Grundvoraussetzung der Sprachkenntnis haben selbst Vertreter renommierter angelsächsischer Medien oft nach Jahren am Balkan noch nicht erfüllt, wie ich aus eigenem Erleben weiß. Die Hochachtung, ja Ehrerbietung, die diesen Medien teilweise entgegengebracht wird, habe ich weder teilen noch verstehen können. Darüber hinaus habe ich bei Pressereisen am Balkan immer wieder die Erfahrung gemacht, dass sich Journalisten schlecht oder gar nicht vorbereiten; das gilt auch für grundlegende Kenntnisse der Politik der EU gegenüber dem Westbalkan. Dieses Verständnis fehlte etwa westlichen Kollegen bei einer Pressereise nach Montenegro im Juni 2009, obwohl dies nicht an die Kenntnis einer Balkan-Sprache gebunden ist. Sich mit westlichen Diplomaten und Botschaftern zu treffen oder mit diesen – vielleicht noch von daheim aus – zu telefonieren, ist jedenfalls zu wenig, zumal auch am Balkan Vertreter der internationalen Gemeinschaft dieselben Schwächen aufweisen, die ich bei Journalisten erlebt habe. Die Basis seriöser Berichterstattung besteht in Sprach- und Landeskenntnis, im Leben im Zielland und in der Einhaltung journalistischer Grundprinzipen, die sehr klar und einfach sind, offensichtlich aber nichtsdestotrotz zu oft missachtet werden.
Doch selbst wenn die Sprachkenntnis und der Wille, hart zu arbeiten, gegeben sind, bestehen bei der Beurteilung der Zielländer eines Korrespondenten zwei große Herausforderungen: die eine ist das Informationsproblem, die andere der Zugang zu Entscheidungsträgern. Das Informationsproblem besteht zum einen in der enormen Menge zugänglicher Quellen. Jeden Tag erscheinen in Serbien zehn Tageszeitungen, die mir der Austräger um sechs Uhr in der Früh bringt. Mit dem Lesen dieser Blätter beginnt mein Arbeitstag; doch auch in allen anderen Balkanländern, 3)die in meinen Zuständigkeitsbereich fallen, erscheinen Tageszeitungen. Hinzu kommen zahlreiche Wochenmagazine, Agenturen, elektronische Medien und die regelmäßigen Berichte meiner Produzenten in all diesen Ländern. Am Laufenden zu bleiben ist somit harte Arbeit, denn die Aufgabe eines Journalisten ist sehr oft die Beschreibung komplexer Sachverhalte unter enormem Zeitdruck und bei stets zu geringer Sendezeit.
Doch noch wichtiger als die Informationsverarbeitung ist die richtige Bewertung der Informationen. So wäre vielleicht der Anschlag in New York am 11. September 2001 zu verhindern gewesen, hätte jemand die Information richtig bewertet, die darin bestand, dass jedenfalls einer Attentäter bei seiner Pilotenausbildung offensichtlich keinen Wert darauf legte, sein Flugzeug auch landen zu können. Die richtige Beurteilung der Lage erfordert auch einen entsprechenden Zugang zu Entscheidungsträgern und ihrer Umgebung, die allerdings ebenfalls Fehleinschätzungen unterliegen können. So soll der serbische Ministerpräsident Vojislav Koštunica bis zum Vorliegen des Ergebnisses des Unabhängigkeitsreferendums nicht geglaubt haben, dass sich Montenegro tatsächlich von Serbien lösen wird. Ein Fehlschluss, dem ich nicht unterlegen bin. Trotzdem ist es wichtig, im entscheidenden Augenblick, die richtige Telefonnummer wählen zu können. Doch Kontaktpflege zu Entscheidungsträgern ist im Ausland noch viel schwieriger, weil Korrespondenten für Politiker und führende Unternehmer natürlich weniger relevant sind als die Medien des eigenen Landes.
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