Oliver Schlaudt
Wirtschaft im Kontext
Eine Einführung in die Philosophie der Wirtschaftswissenschaften in Zeiten des Umbruchs
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Originalausgabe
© Vittorio Klostermann GmbH · Frankfurt am Main · 2016
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die des Nachdrucks und der Übersetzung. Ohne Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Werk oder Teile in einem photomechanischen oder sonstigen Reproduktionsverfahren oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten, zu vervielfältigen und zu verbreiten.
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2016
ISSN 1865 - 7095
ISBN 978-3-465-24264-2
Titel Oliver Schlaudt Wirtschaft im Kontext Eine Einführung in die Philosophie der Wirtschaftswissenschaften in Zeiten des Umbruchs
Impressum Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Originalausgabe © Vittorio Klostermann GmbH · Frankfurt am Main · 2016 Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die des Nachdrucks und der Übersetzung. Ohne Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Werk oder Teile in einem photomechanischen oder sonstigen Reproduktionsverfahren oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten, zu vervielfältigen und zu verbreiten. E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2016 ISSN 1865 - 7095 ISBN 978-3-465-24264-2
1 Einleitung 1 Einleitung Das vorliegende Buch soll den Leser in die Philosophie der Wirtschaftswissenschaften einführen, und zwar auf eine neue und zeitgemäße Weise, die der heutigen Realität Rechnung trägt: Unsere Gesellschaft erlebt eine umfassende Krise, aber die Wirtschaftswissenschaften, von denen wir in diesem Moment in besonderem Maße Aufschluss über unser Geschick erhoffen würden, hat just dasselbe Geschick ereilt. Auch sie erlebt eine Krise und ist in einer heftigen Methodendiskussion befangen. Allein, zumindest für die Philosophie mag der missliche Moment günstig sein, da sich eine seltene Gelegenheit bietet, einen Blick hinter die Kulissen in das offenliegende begriffliche Räderwerk der Ökonomie zu werfen.
2 Die Orthodoxie der Neoklassik: Wirtschaft als autonomer Prozess
2.1 Überblick Ökonomie 2.1 Überblick Ökonomie Eine Einführung in die Philosophie der Wirtschaftswissenschaften ersetzt keine Einführung in die Wirtschaftswissenschaften, darf sie aber auch nicht voraussetzen. Denn dieses Buch richtet sich an ein allgemeines Publikum, welches an Ökonomie und Philosophie interessiert ist. Ohne also den verwegenen Anspruch zu erheben, in diesem Kapitel einen Einstieg in die Mikroökonomie zu ermöglichen, sollen die Grundlagen dieser Disziplin doch so dargelegt werden, dass sich der ökonomische Laie ein zur anschließenden philosophischen Reflexion hinreichend plastisches Bild von ihrem begrifflichen Räderwerk machen kann. Wer darüber hinaus einen Einstieg in die Wirtschaftswissenschaften sucht, dem stehen heute schon einige Werke bereit, die die heterodoxen Ansätze umfassend berücksichtigen.9
2.2 Allgemeine Gleichgewichtstheorie
2.3 Autonomie – Reversibilität – Unendlichkeit
2.4 Eine Sozialwissenschaft wider Willen
3 Wirtschaft in einer sozialen Welt: Der homo œconomicus in der Gesellschaft
3.1 Der Neoklassik logische Not
3.2 An den Klippen der Empirie
3.3 Wille oder Zwang?
3.4 Machtverhältnisse
4 Wirtschaft in einer gemeinsamen Welt: an den Grenzen von Markt und Eigentum
4.1 Die ›Tragödie der Allmende‹
4.2 Wissen: Eigentum oder Gemeingut?
4.3 Unbezahlte Arbeit
5 Wirtschaft in einer endlichen Welt: Ökologische Ökonomie
5.1 Wachstum
5.2 Was kostet die Welt?
5.3 Teufelsstaub
6 Wirtschaft in einer historischen Welt: globale und historische Perspektiven
6.1 Metaphern oder Theorien?
6.2 Weltgeschichte
6.3 Krise
6.4 Die Zukunft
Danksagung und credits
Literatur
Personenverzeichnis
Fußnoten
Das vorliegende Buch soll den Leser in die Philosophie der Wirtschaftswissenschaften einführen, und zwar auf eine neue und zeitgemäße Weise, die der heutigen Realität Rechnung trägt: Unsere Gesellschaft erlebt eine umfassende Krise, aber die Wirtschaftswissenschaften, von denen wir in diesem Moment in besonderem Maße Aufschluss über unser Geschick erhoffen würden, hat just dasselbe Geschick ereilt. Auch sie erlebt eine Krise und ist in einer heftigen Methodendiskussion befangen. Allein, zumindest für die Philosophie mag der missliche Moment günstig sein, da sich eine seltene Gelegenheit bietet, einen Blick hinter die Kulissen in das offenliegende begriffliche Räderwerk der Ökonomie zu werfen.
Philosophie der Ökonomie und Wissenschaftstheorie
Diese philosophische Auseinandersetzung mit den Wirtschaftswissenschaften stellt – formal betrachtet – einen Spezialfall der Wissenschaftstheorie dar, die sich allgemein mit den Grundlagen, Methoden und Grenzen der empirischen Wissenschaften auseinandersetzt. Im Fall der Ökonomie erhält die philosophische Analyse mitunter eine neue, unvorhergesehene Relevanz, da sich auch Kritiker der herrschenden Lehre der Wirtschaftswissenschaften von der Philosophie Schützenhilfe und Orientierung erhoffen. Dabei ist fraglich, ob ihnen die bestehende Literatur der vergangenen Jahrzehnte wirklich weiterhelfen kann. Die philosophischen Theorien der Sozialwissenschaften im Allgemeinen und der Ökonomie im Besonderen krankten im 20. Jahrhundert nämlich an einer einseitigen Orientierung an der Physik, die als Königin der Wissenschaften galt. Dies war einerseits sicherlich auch ihrem frühen Erfolg geschuldet, der die Physik zum Vorbild für die anderen Wissenschaften prädestinierte. Andererseits hat dies aber auch einen systematischen Grund darin, dass die Physik die grundlegendste der Wissenschaften zu sein scheint: Jeder soziale, aber auch schon jeder chemische oder biologische Prozess ist auch ein physischer Prozess, aber nicht umgekehrt.
Die Wirtschaftswissenschaften haben diese Sichtweise nur befördern können, indem sie sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bewusst die Physik zum Vorbild nahmen und ökonomische Prozesse so fassen und erklären wollten, wie die Physik dies mit den ihrigen tut. Die Sozialwissenschaften mussten so fast zwangsläufig als ›schmutzige‹ Physik betrachtet werden – und sogar auch sich selbst so betrachten.
Die ›schmutzige‹ Seite besteht dabei in der merkwürdigen Stellung des Menschen zu den ökonomischen Gesetzen, die zwar einerseits als Zwangsgesetze auf die Menschen wirken, aber andererseits nur durch sie und ihre Handlungen wirken. Während die Naturgesetze ausnahmslos und unerbittlich über die Materie im Großen wie im Kleinen gebieten, brechen sich die sozialen Gesetze auf nicht leicht zu erfassende Weise an Individuum und Gesellschaft. Betrachten wir zwei Texte aus der klassischen Literatur, in welchen dieser Sachverhalt problematisiert wird.
Kant beobachtet eingangs seiner Schrift Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht von 1784, dass beispielsweise Eheschließungen und Geburten, »da der freie Wille der Menschen auf sie so großen Einfluß hat, keiner Regel unterworfen zu sein [scheinen], nach welcher man die Zahl derselben zum voraus durch Rechnung bestimmen könne,« aber die statistische Erfassung in großen Ländern gleichwohl einen Verlauf dieser kollektiven Größen »nach beständigen Naturgesetzen« enthüllt.1 Hier realisieren sich die sozialen Gesetze im statistischen Schnitt mit derselben Unerbittlichkeit, während sie dem Einzelnen alle Narrenfreiheit lassen.
Читать дальше