»Du hast ja selbst gesagt, wo ich gelandet bin. nachdem ich erschrocken aufgelegt habe, musste ich diese Media AG sofort googlen. Und weil du so spät noch ans Telefon gegangen bist, obwohl die offiziellen Sprechzeiten schon vorbei waren, habe ich einfach gehofft, dich wieder sprechen zu können. Natürlich hätte auch jemand ganz anderes rangehen können, da hatte ich vermutlich Glück. Wie du aussiehst, wusste ich nicht, ich konnte nur raten, dass du es bist, der heute Abend so spät das Gebäude verlässt.« Niklas hebt sein Bier an die Lippen und nimmt einen langen Schluck. Der Schaum hinterlässt eine Spur auf seiner Oberlippe. Seine Zunge schnellt vor und leckt den Schaum weg. Wir gebannt starre ich auf seinen Mund.
»Keine Ahnung, was du jetzt über mich denkst, aber das mit dem Telefonsex war eine total schwachsinnige Idee«, meint er nach einer längeren Pause.
»Wie kamst du da überhaupt drauf?«
»Diese ganze Telefonsexsache ist auf den Mist von meinem Mitbewohner gewachsen.« Niklas trinkt sein Bier aus und schiebt das Glas zur Seite. »Na ja, Max war eben davon überzeugt, dass es mir guttun könnte …«
»Und dann wolltest du es auch mal ausprobieren?«, mutmaße ich mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Nein, so war es gar nicht. Bisher habe ich mich von Telefonsex oder One-Night-Stands ferngehalten, weil ich in einer festen Beziehung gewesen bin. Doch nach der Trennung von meinem Freund war ich einsam. Also habe ich es auf Max’ Zureden mal mit Telefonsex probiert, statt für einen Quickie in den nächstbesten Club zu rennen oder mich in einschlägigen Onlineportalen anzumelden. Und am Telefon wäre ja alles ganz unverbindlich. Niemand sieht einen dabei. Und wenn es nicht geht, sofort auflegen. Klang leicht, wie Max er formuliert hatte.« Er lacht und kratzt sich verlegen am Kopf. »Wenn ich Trottel mich bloß nicht verwählt hätte … Ich war einfach viel zu nervös.«
»Dann hätten wir uns vermutlich gar nicht kennengelernt und säßen jetzt nicht hier«, entgegne ich und proste ihm mit meinem Bier zu.
»Ja. Max sei Dank, würde ich mal sagen. Da habe ich wohl Glück gehabt, direkt die richtige Filiale eures Callcenters erwischt zu haben und …«, er sieht mir tief in die Augen, »dass du dich als so ein angenehmer Gesprächspartner entpuppt hast.«
Als er mich so offen anlächelt, kann ich einfach nicht anders. Mein Körper reagiert wie von selbst. Ich beuge mich über den Tisch und küsse ihn einfach, ohne über mein Handeln nachzudenken.
Niklas zuckt vor Überraschung zusammen, weicht jedoch nicht zurück. Dadurch ermutigt, verstärke ich den Druck auf seinen Mund. Meine Lippen streichen erst zögernd über seine, dann intensiviere ich den Kuss. Vorsichtig tastet sich meine Zunge vor und erkundet seine Konturen. Sein Dreitagebart kitzelt ein wenig. Niklas hat nicht nur wahnsinnig schöne Lippen, sie fühlen sich auch noch unglaublich toll an beim Küssen.
Er öffnet breitwillig seinen Mund, um mir Einlass zu gewähren. Seine Zunge kommt mir bereits entgegen. Jetzt ist von seiner anfänglichen Zurückhaltung gar nichts mehr zu spüren. Hungrig erwidert er den Kuss. Mit den Händen umfasst er mein Gesicht und zieht mich noch ein Stück weiter über den Tisch zu sich. Ein leises Stöhnen kommt über meine Lippen. Scheiße, kann der Kerl gut küssen!
Dieser Kuss bringt mich um den Verstand. Es ist ewig her, seit mich ein Mann so leidenschaftlich geküsst hat. Und ihn scheint es nicht einmal zu stören, dass wir uns gerade in einer Kneipe befinden. Hier ist zwar nicht so viel los, dennoch sind wir nicht allein hier. Aber das ist auch mir egal, denn mein Kopf ist wie leergefegt.
Ich stütze mich mit den Händen auf dem Tisch ab, um den Kuss nicht unterbrechen zu müssen, denn diese Position wird langsam etwas unangenehm für mich. Deshalb lehne ich mich noch weiter vor und verlagere mein Gewicht auf dem Ellenbogen, als ich es plötzlich laut neben uns scheppern höre. Erschrocken fahren wir auseinander.
»Scheiße!«, flucht Niklas. Ich blinzle verwirrt und versuche, die Situation zu erfassen. Mein Hirn ist immer noch etwas benebelt von der plötzlichen Leidenschaft, die durch den Kuss in mir ausgelöst wurde. Hat mein Körper so eindeutig auf Niklas reagiert, weil ich schon so lange mit niemanden intim gewesen bin? Schon möglich … Aber es war eben nicht nur Verlangen, das ich während des Kusses gespürt habe.
Niklas springt von seinem Stuhl aufn und reibt sich mit einer Serviette über die Hose, während die Bedienung am Boden neben unserem Tisch kniet und Scherben einsammelt. Jetzt bemerke ich erst, dass mein Bierglas zerbrochen auf dem Boden liegt. Das Bier hat sich in einer Pfütze über den Tisch ausgebreitet und einen großen Fleck auf Niklas’ heller Jeans hinterlassen. Durch unsere wilde Knutschaktion habe ich gar nicht bemerkt, wie ich das Glas mit dem Arm umgestoßen habe.
»Sorry, das wollte ich nicht«, entschuldige ich mich mit geröteten Wangen und gehe um den Tisch herum zu ihm.
»Ja … ist schon okay. Trocknet sicher gleich wieder«, antwortet Niklas, nachdem er sich von dem Schreck erholt hat. Er grinst mich schief an und in meinem Bauch geht es erneut drunter und drüber. Zu den Schmetterlingen von vorhin hat sich zusätzlich eine wilde Horde Ameisen gesellt.
»Sollen wir vielleicht … Also wir könnten zu mir und …«, schlage ich ihm vor. »Du könntest dich umziehen.« Sobald ich diesen Vorschlag gemacht habe, merke ich, wie bescheuert diese Idee eigentlich ist. Niklas ist gut einen Kopf größer als ich, da werden ihm meine Hosen gar nicht passen.
Ich will mein Angebot bereits zurückziehen, doch Niklas nickt nach kurzem Überlegen. Sein intensiver Blick in meine Augen lässt mich erahnen, dass er den Vorschlag mit dem Umziehen als vorgeschoben enttarnt hat. Mir wird ganz schwindelig vor lauter Herzklopfen, denn mir selbst ist die Zweideutigkeit in meinen Worten gar nicht aufgefallen.
Niklas wendet sich dann an die Kellnerin, die gerade mit den Glasscherben auf ihrem Tablett an uns vorbeigeht, um die Getränke zu bezahlen. Dann verlassen wir gemeinsam die Kneipe. Es ist verdammt frisch draußen, doch Niklas vertreibt die Kälte aus meinem Körper, als er mich gegen die nächstbeste Hauswand presst und meine Lippen erneut erobert. Sein Kuss raubt mir den Atem. Knutschend taumeln wir durch die Dunkelheit. Zwar hatte er eben gesagt, dass er sich nicht so oft auf One-Night-Stands einlässt, doch gerade scheint er anders drauf zu sein. Und auch ich kann es eigentlich ungeachtet meiner Prinzipien kaum erwarten, mit ihm Sex zu haben. Unsere leidenschaftlichen Küsse machen deutlich, worauf die Situation hinauslaufen könnte.
Es dauert nicht so lange, bis wir endlich vor dem Wohnkomplex stehen, in dem meine Wohnung liegt. Niklas’ Lippen liebkosen meinen Nacken, während ich die Haustür aufschließe. Ich taste mit der Hand nach dem Lichtschalter im Flur, den ich nach einigen glücklosen Versuchen finde. Sirrend springt die Deckenlampe an und erhellt das Treppenhaus.
»Ich wohne ganz oben«, presse ich kaum hörbar hervor. Meine Atmung geht nur noch stoßweise, von meinem Puls will ich gar nicht erst reden. Wir stolpern mehr die Treppe hinauf, als dass wir gehen. Niklas drückt mich auf halbem Weg gegen das Geländer und küsst mich so hart auf den Mund, dass unsere Zähne aufeinandertreffen. Ich stöhne auf, bin so erregt, dass ich mir am liebsten jetzt und hier die Klamotten vom Leib reißen würde. Niklas drängt sich näher an mich, schiebt sein Knie zwischen meine Beine. Als ich die leichte Reibung gegen meinen Schritt spüre, entweicht mir ein Keuchen. Verrückt, wie sehr mein Körper auf ihn reagiert.
Meine Hände zerren wie von selbst an seiner Jacke. Ich öffne den Reißverschluss und schiebe ihm das störende Kleidungsstück halb von den Schultern, um ihn besser berühren zu können. Meine Finger schlüpfen unter seinen Pullover, während wir uns immer wieder wie wild küssen. Ein wohliger Schauer jagt über meinen Rücken, als ich endlich seine festen Bauchmuskeln unter meinen Handflächen spüre. Auch Niklas’ Finger haben sich mittlerweile ihren Weg unter meine Kleidung gebahnt. Seine rechte Hand liegt fest auf meinem Hintern, während die linke über meinen Rücken streicht. Wenn ich schon jetzt vor Verlangen vergehe, wie wird das erst sein, wenn wir beide gleich nackt sind?
Читать дальше