»Das Messer habt Ihr noch? Werdet wohl nicht gut dazu kommen können, Sam!«
»Meine es auch, Sir; müßt dem Sohne meiner Mutter schon ein wenig helfen!«
»Komme gleich! Wollen sehen, was in dieser Sache zu tun ist.«
Noch hatte ich nicht begonnen, mich zu ihm hinzuwälzen, die einzige Bewegung, durch welche es mir möglich war, an ihn zu kommen, als die Felltüre geöffnet wurde und Parranoh mit einigen der Indianer eintrat. Er hielt den Feuerbrand, welchen er in der Hand trug, so, daß der Schein desselben uns überleuchtete. Ich gab mir nicht die Mühe, für noch bewußtlos zu gelten, würdigte ihn aber keines einzigen Blicks.
»Da haben wir dich ja endlich!« knirschte er mich an. »Bin dir bisher ein Kleines schuldig geblieben, sollst dich aber nun jetzt nicht zu beklagen haben. Kennst du den da?«
Er hielt mir einen Skalp vor das Gesicht; es war derjenige, welchen Winnetou ihm selbst genommen hatte. Er wußte also, daß ich es war, der ihn damals niederstach. Der Apache hatte ihn nicht darüber aufgeklärt, des war ich sicher, da ich wußte, er werde jede an ihn gerichtete Frage mit stolzem Schweigen beantworten, aber Finnetey hatte mich an jenem Abende vielleicht beim Scheine des Feuers bemerkt oder im Augenblicke unseres Zusammenprallens einen Blick in mein Gesicht geworfen. Als ich nicht antwortete, fuhr er fort:
»Sollt es auch erfahren, ihr alle, wie es ist, wenn man die Haut über die Ohren gezogen bekommt; wartet nur ein wenig, bis es Tag geworden ist; sollt eure Freude an meiner Dankbarkeit erleben!«
»Wird euch nicht so wohl werden, wie mir scheint!« meinte Hawkens, der es nicht über das Herz bringen konnte, ruhig zu sein. »Wäre doch neugierig, welche Haut dem alten Sam Hawkens über das Ohr gezogen werden sollte; habt die meinige ja schon in den Händen, ist vom Hair-dresser gemacht worden – wie hat Euch die Arbeit gefallen, alter Yambarico?«
»Schimpfe nur zu! Wirst schon noch Haut genug haben, um geschunden werden zu können.« Und nach einer Pause, während welcher er unsere Fesseln besichtigt hatte, fragte er:
»Habt wohl nicht geglaubt, daß Tim Finnetey Eure Mausefalle hier kennt? War in dem Tale, noch ehe der – der Hund von Firehand, verdamme seine Seele, etwas von ihm geahnt hat, und wußte auch, daß ihr euch hergemacht hattet, Der da hat mir’s erzählt!«
Er zog ein Messer aus dem Gürtel und hielt den hölzernen Griff desselben vor Sams Augen. Dieser warf einen Blick auf die eingeschnittenen Buchstaben und rief:
»Fred Owins? Hm, war ein Halunke allezeit! Will wünschen, daß er das Messer hat selber kosten müssen.«
»Keine Sorge, Mann! Dachte, sich mit dem Geheimnisse loszukaufen, war aber nichts, haben ihm Leben und Haut genommen, gerade so, wie ihr es auch erfahren sollt, nur umgedreht, erst die Haut und dann das Leben.«
»Macht, was Ihr wollt! Sam Hawkens ist mit seinem Testamente fertig; hat Euch das Ding vermacht, das sie Perücke nennen, wenn ich mich nicht irre. Könnt’s gut gebrauchen, hihihi!«
Parranoh versetzte ihm einen Fußtritt und schritt, gefolgt von seinen schweigsamen Begleitern, wieder hinaus.
Eine Weile verhielten wir uns schweigend und bewegungslos; dann aber, als wir uns sicher glaubten, warfen wir uns gegenseitig herum, so daß wir endlich hart nebeneinander zu liegen kamen. Obgleich mir die Hände fest aneinander gebunden waren, gelang es mir doch, das Messer aus seinem Ärmel zu ziehen, und mit Hilfe desselben ihm die Armfesseln zu durchschneiden. Dadurch bekam er die Hände frei, und einige Augenblicke später standen wir mit ungebundenen Gliedern aufrecht vor einander und frottierten uns die durch die Bande taub gewordenen Körperteile.
»So recht, Sam Hawkens; scheinst mir kein so unebenes Geschöpf zu sein!« belobte sich der kleine Mann selbst. »Hast zwar schon in mancher schlimmen Patsche gesteckt; aber so bös ist es doch noch nie gewesen wie heute. Soll mich verlangen, wie du die Ohren aus der Mütze bringen wirst, wenn ich mich nicht irre!«
»Laßt uns vor allen Dingen sehen, wie es draußen steht, Sam!«
»Meine es auch, Sir; ist das Notwendigste.«
»Und dann vor allen Dingen Waffen. Ihr habt ein Messer, ich aber bin vollständig leer.«
»Wird sich schon was finden lassen!«
Wir traten an die Tür und zogen die beiden Felle, welche als Portièren dienten, ein wenig auseinander.
Eben brachten einige der Indianer die beiden Gefangenen aus der Nebenhöhle gezogen, und vom Lagerplatze kam Parranoh herbeigeschritten. Es war jetzt schon ziemlich hell geworden, so daß wir das Tal vollständig überblicken konnten. Nicht weit vom Wassertore entfernt war Swallow mit dem von dem armen Will Parker erbeuteten Braunen in Zwist geraten, und der Anblick des mir an das Herz gewachsenen Tieres ließ mich auf eine Flucht zu Fuße, die jedenfalls die geratenste war, sofort verzichten. In nicht gar zu großer Entfernung davon graste der starkknochige und ausdauernde Klepper Winnetous, ein Pferd, welchem sein Wert nur schwerlich anzusehen war, und wenn es uns gelang, zu einigen Waffen zu kommen, und die Tiere zu erreichen, so war es vielleicht möglich, zu entfliehen.
»Seht Ihr etwas, Sir?« kicherte Hawkens.
»Was?«
»Hm, da drüben den alten Burschen, welcher sich so behaglich im Grase wälzt.«
»Sehe ihn.«
»Und auch das Ding, das daneben am Steine lehnt?«
»Auch das.«
»Hihihi, legt dem alten Coon da das Schießholz so mundrecht in den Weg! Wenn ich wirklich Sam Hawkens heiße, so muß das auch die Liddy sein, meine ich, und einen Kugelbeutel wird der Mann wohl auch haben!«
Ich konnte nicht viel auf die Freude des kleinen Helden achten, denn Parranoh nahm meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Leider war es mir nicht möglich, zu verstehen, was er zu den beiden Gefangenen sprach, und es dauerte eine geraume Zeit, ehe er von ihnen ging; aber seine letzten Worte, welche er mit erhobener Stimme sprach, vermochte ich deutlich zu hören, und sie klärten mich auf über den Inhalt seiner ganzen Rede.
»Mach dich gefaßt, Pimo! Der Pfahl wird eben eingeschlagen, und du,« – setzte er, sich mit einem haßerfüllten Blicke zu Harry wendend, hinzu – »wirst an seiner Seite gebraten.«
Er gab seinen Leuten einen Wink, die Gefesselten nach dem Platze zu bringen, an welchem sich die Indsmen um das jetzt wieder helllodernde Feuer gelagert hatten, und schritt dann in hochaufgerichteter und würdevoller Haltung davon.
Jetzt galt es, schleunigst zu handeln, denn waren die Beiden einmal in die Mitte der Versammlung gebracht, so war keine Hoffnung mehr, zu ihnen zu kommen.
»Sam, kann man sich auf Euch verlassen?« fragte ich.
»Hm, weiß es nicht, wenn Ihr’s nicht wißt! Müßt’s ‘mal probieren, wie mir scheint.«
»Ihr nehmt den rechts und ich den Linken. Dann rasch die Riemen entzwei!«
»Und dann zu Liddy, Sir!«
»Seid Ihr fertig?«
Er nickte mit einem Ausdrucke im Gesichte, dem man deutlich das Vergnügen an dem bevorstehenden Streiche anmerkte.
»Nun, dann drauf!«
Mit leisen, aber raschen Sprüngen schnellten wir hinter den die Gefangenen nach sich schleppenden Indianern her, und obgleich sie gezwungen waren, eine infolge ihrer Last gegen uns gewandte Haltung einzunehmen, gelang es uns doch, unbemerkt an sie zu kommen.
Sam stieß den einen von hinten mit so gut geführtem Stiche nieder, daß der Getroffene lautlos zusammenbrach; ich aber riß, da ich vollständig waffenlos war, dem Andern zuerst das Messer aus dem Gürtel, und zog es ihm dann mit solchem Drucke durch die Kehle, daß der Schrei, welchen er auszustoßen im Begriffe gestanden hatte, als ein pfeifendes Gurgeln sich durch die Schnittwunde drängte und er ebenfalls niedersank.
Einige rasche Schnitte befreiten die Gebundenen von ihren Fesseln, so daß sie sich frei sahen, noch ehe bei der Raschheit des ganzen Vorganges derselbe von irgend jemand bemerkt worden war.
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