„Setz dich zu mir“, sagte der kräftige Mann, der Bount gewinkt hatte. „Ich bin Richard Dodge. Ich arbeite auch für Errol Cabot. Du bist der Neue, nicht wahr? Bruce Sheridan ist dein Name.“
Bount lächelte. „Was brauche ich dem noch hinzufügen?“
„Nichts mehr. Setz dich.“
Bount nahm Platz. Ein Kellner wieselte heran. Bount bestellte Kräuterbier. „Viel Betrieb hier“, sagte er.
„So voll ist es immer. Manchmal noch voller.“
„Als ob man hier etwas geschenkt kriegen würde.“
„Die Fahrer sind unter sich. Jack Luna ist nicht kleinlich. Wer nicht bezahlen kann, kriegt auch was zu trinken. Und bei einer Rauferei drückt Jack beide Augen zu und ruft nicht gleich die Bullen.“
„Eine Gaststätte für Raubeine.“
„So könnte man die Bude nennen“, sagte Richard Dodge. „Arbeitest du schon lange in der Branche?“
„Ich bin vier Jahre für BINGO TRANS gefahren.“
„Und davor?“
„Mal dies, mal das.“
„Du hast Hände wie ein Pfarrer.“
„Ich pflege sie.“
„Ich habe gehört, du hattest eine Auseinandersetzung mit Brick Curtis.“
Bount zuckte mit den Schultern. „Nicht der Rede wert. Ich habe dem Knaben Bescheid gestoßen. Er wird mich nicht mehr dumm anquatschen.“
Dodge hob den Kopf. „Er hängt hier irgendwo herum. Ich habe ihn vor einer Stunde hereinkommen gesehen.“
„Ich habe nichts gegen ihn, solange er mich in Ruhe lässt. Ist er tatsächlich scharf auf die Tochter des Chefs?“
„Celestine ist zu jedem freundlich. Auch zu ihm. Er bildet sich ein, dass sie ihn mehr mag als die andern, und er versucht schon lange, sie zu einem Rendezvous zu überreden, aber sie findet immer eine Ausrede.“
„Merkt er das nicht?“
„Doch. Aber er ist eben verdammt hartnäckig.“
Im Hintergrund der Kaschemme lachte ein Mädchen schrill auf. Die Männer, die sich um sie scharten, stimmten schallend in das Gelächter ein. Die Atmosphäre war so dicht, dass man sie körperlich fühlen konnte.
„Was sagst du zu den Überfällen?“, fragte Richard Dodge.
„Miese Sache“, antwortete Bount Reiniger.
„Bist du schon mal überfallen worden?“
„Zum Glück noch nicht.“
„Ich schon. Vor vier Tagen. Sie spielten mir einen Unfall vor, und ich Idiot fiel darauf herein, wollte helfen. Plötzlich waren sie da mit ihren Maschinenpistolen. Mich packte die kalte Wut, und ich hätte ihnen verdammt gern die Schädel eingeschlagen, aber gegen eine MPi ist man machtlos.“
„Was haben sie mit dir gemacht?“
„Niedergeschlagen und in die Büsche geworfen. Als ich wieder zu mir kam, war mein Truck weg. Man fand ihn zwei Stunden später in der Nähe des Hudson River auf einem riesigen Parkplatz. Leer natürlich.“
„Am Abend desselben Tages erwischte es Paul Carson“, sagte Bount.
„Ja, das arme Schwein“, sagte Dodge. Er ballte die Hände zu Fäusten und knirschte mit den Zähnen. „Zum Teufel, wenn ich wüsste, wer diese Gangster sind, ich würde sie mir einzeln kaufen. Dann müssten die zuerst mal wochenlang ins Krankenhaus, ehe man sie vor den Richter stellen könnte.“
„Seither kein Überfall mehr“, sagte Bount.
Dodge nickte. „Das ist die Ruhe vor dem Sturm. Oder denkst du, die geben ihren einträglichen Job bereits auf? Es ist doch so leicht, einen Truck zu kassieren, das haben diese Banditen oft genug bewiesen.“
„Woher sie wohl wissen, welcher Überfall sich lohnt“, meinte Bount.
„Wenn du mich fragst, die haben ihre Kontaktleute. Von denen kriegen sie den Tipp, in welchem Truck sich was für eine Ware befindet. Wahrscheinlich ist die Sore schon vor dem Überfall weiterverkauft.“
„Könntest du dir vorstellen, dass es auch bei Errol Cabots Firma einen solchen Kontaktmann gibt?“
„Schwer.“
„Wem würdest du so etwas Zutrauen?“, fragte Bount.
„Ehrlich gesagt, keinem.“
Ihre Unterhaltung wurde unterbrochen. Stimmen wurden laut. Ein Glas fiel zu Boden und zerschellte. Männer drängten zurück und bildeten einen Kreis, in dessen Mitte ein vierschrötiger Kerl und Brick Curtis standen.
„Er eckt doch überall an“, sagte Dodge kopfschüttelnd. „Der Hüne wird ihm die Nase zu Brei schlagen.“
Bount erhob sich.
„He, du willst dich da doch nicht etwa einmischen“, sagte Dodge.
„Brick arbeitet wie wir für Errol Cabot.“
„Was hat das denn damit zu tun?“
„Hast du noch nichts von Arbeitersolidarität gehört?“
„Das hier ist Bricks Privatsache.“
Bount begab sich trotzdem zu dem Kreis. Der Kampf hatte inzwischen begonnen. Es war von vornherein klar, dass Brick Curtis diese Auseinandersetzung nicht gewinnen konnte.
Er war zwar muskulös und kräftig, aber sein Gegner überragte ihn um einen Kopf, hatte Fäuste wie Schmiedehämmer und hatte wohl auch ein paar Jahre im Boxring verbracht, ehe er sich seine Brötchen als Truck-Driver verdiente.
Mit einer Links-Rechts-Kombination machte der Hüne seinem Gegner, der eine wesentlich geringere Reichweite hatte, schwer zu schaffen. Brick Curtis wurde von den Treffern schwer geschüttelt. Er fiel gegen den Ring aus Männern. Sie stießen ihn sofort wieder zurück, dem Hünen entgegen.
Curtis wankte. Der Vierschrötige trommelte mit seinen Fäusten auf ihn ein. Die Deckung ging vollends auf, und eine Gerade streckte Brick Curtis unter dem Jubelgeschrei der umstehenden "Männer nieder.
Sie hätten genauso geschrien, wenn der Hüne zu Boden gegangen wäre. Für sie war es ein Kampf, der sie unterhielt, und sie jubelten dem Sieger zu. Doch der Sieger war nicht fair.
Es genügte ihm nicht, Brick Curtis auf dem Boden zu haben. Er traktierte ihn nun auch noch mit Fußtritten. Was zu viel war, war zu viel. Bount konnte dabei nicht tatenlos zusehen.
Er griff ein. Er stieß die Männer, die vor ihm standen, hart auseinander. „Das reicht!“, rief er schneidend in den Kreis. „Ich bin der Letzte, der ihm eine Tracht Prügel nicht gönnt“, sagte er. „Aber einmal muss es genug sein!“
Der Hüne wandte sich Bount Reiniger zu. Es flackerte gefährlich in seinen Augen. „Willst du die Prügel beziehen, die ich dieser Laus noch zugedacht habe, he?“
„Du kannst es ja mal versuchen, mich zu schlagen“, erwiderte Bount ernst. Er war auf der Hut. Er hatte gesehen, wie gut der Vierschrötige war. Bounts Vorteil war, dass er den Mann im vorhergehenden Kampf studieren konnte. Er kannte seine Schwächen und seine Stärken. Vor allem vor seiner Linken musste man sich höllisch in Acht nehmen.
„Dann will ich dir gleich mal dein Großmaul stopfen!“, knurrte der Vierschrötige und stürzte sich auf Bount Reiniger.
Bount verfügte nicht über die Kraft des Hünen, dafür aber besaß er die größere Schnelligkeit. Es war verblüffend, wie oft er den Hünen ins Leere schlagen ließ. Der Mann war selbst überrascht darüber. Es machte ihn zornig, denn Bount Reiniger degradierte ihn vor allen Umstehenden zum Hanswurst.
Wie eine Dampframme stürmte er auf Bount Reiniger ein.
Bount wartete, bis sich der Vierschrötige verausgabt hatte. Dann kam er wieder.
Ein schwerer rechter Haken hob ihn aus und warf ihn auf die Bretter.
Das reichte. Der Bursche hatte genug. Er stand zwar wieder auf, aber er stellte sich nicht mehr zum Kampf, sondern stieß ein paar Leute auseinander und trollte sich.
Diesmal jubelten die Anwesenden Bount zu. Fremde Gesichter grinsten ihn an. Er wurde gelobt. Man klopfte ihm auf die Schultern. Er war der Champion. Aber er war nicht daran interessiert, gefeiert zu werden.
Es war ihm nur ein Herzensbedürfnis gewesen, dafür zu sorgen, dass die Regeln eingehalten wurden. Wenn ein Gegner auf dem Boden liegt, dann hat der andere von ihm abzulassen.
Bount suchte Brick Curtis. Er fand ihn im Waschraum. Curtis hielt gerade seinen Kopf unter das kalte Wasser. Als er den Kopf wenig später hob und Bount im Spiegel hinter sich stehen sah, verzog sich sein Gesicht zu einem verächtlichen Ausdruck.
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