„Bruce Sheridan“, ergänzte Bount. „Mein Vater hat Mister Sheridan als Truck-Driver eingestellt“, erklärte das Mädchen.
„So“, brummte Brooks. „Hat er das?“ Er betrachtete Bount gründlich. „Und Sie können mit so ’nem Riesenbaby umgehen, Sheridan?“
„Möchten Sie, dass ich für Sie eine Runde drehe?“, fragte Bount.
„Wir sind hier nicht im Zirkus. Wo haben Sie gearbeitet, bevor Sie hierherkamen?“
„Bei BINGO TRANS.“
„Hat man Sie da hinausgeschmissen?“
„Nein. Aber nur deshalb nicht, weil ich denen zuvorgekommen bin.“
„Warum das?“
„Ich vertrug mich mit dem Juniorchef nicht.“
„Na, hoffentlich vertragen Sie sich mit mir.“
„Ich denke, mit Ihnen werde ich klarkommen, Mister Brooks“, sagte Bount.
„Bei uns wird hart gearbeitet.“
„Davor fürchte ich mich nicht.“
„Und Angsthasen sind bei uns fehl am Platze!“
Bount lächelte. „Keine Sorge, Mister Brooks, ich bin kein Feigling.“
Tennessee Brooks nickte. „Warten Sie hier einen Augenblick. Ich muss einen Truck abfertigen. Bin gleich wieder bei Ihnen.“
Brooks ging, und Celestine lächelte Bount an. „Lassen Sie sich von seiner bärbeißigen Art nicht abschrecken, Bruce. Er hat eine furchtbar harte Schale, aber einen weichen Kern. Er spielt bloß den wilden Mann, um sich bei den Männern besser durchsetzen zu können.“
„Das werde ich mir merken“, sagte Bount.
„Ich muss zurück zu meinem Vater“, sagte Celestine. „Wenn Sie irgendwie nicht klarkommen, können Sie sich jederzeit an Dad oder mich wenden. Wir versuchen eine große Familie zu sein, in der jeder für jeden da ist.“
„Auch daran werde ich denken“, sagte Bount.
Celestine verließ ihn. Ihr Gang war ein Erlebnis. Sie wiegte sich leicht in den Hüften, und es wirkte kein bisschen übertrieben. Geschmeidig wie eine Katze. Eine Augenweide.
Als sie im Bürogebäude verschwand, legte sich eine schwere Hand auf Bount Reinigers Schulter. „He, du!“
Bount Reiniger drehte sich langsam um. Er stand einem gutaussehenden Burschen gegenüber. Schwarzhaarig, glutäugig, sonnengebräunt und muskulös. Ein Schönling in Jeans und Jackett.
„Meinst du mich?“
„Ist außer uns noch jemand da?“
„Ich sehe niemand.“
„Na also. Wie heißt du?“
„Bruce Sheridan. Und du?“
„Brick Curtis. Ein Name, den du dir merken solltest.“
„Aha. Und weswegen?“
Darauf ging Curtis nicht ein. Stattdessen sagte er: „Ich habe etwas gegen Kerle, die sich gleich am ersten Tag an die Tochter des Chefs heranschmeißen.“
„Habe ich das getan?“
„Und wie! Denkst du, ich bin blind? Ich habe genau gesehen, wie du sie in den Arm genommen hast.“
Bount lächelte. „Eifersüchtig?“
Brick Curtis’ Augen wurden schmal. „Hör mal, du lässt die Finger von der Kleinen. Auf die habe ich ältere Rechte.“
„Ach so ist das. Du würdest dich gern ins gemachte Nest setzen.“ Curtis schlug ansatzlos zu. Bount reagierte trotzdem schnell genug. Er nahm den Kopf zurück, Curtis’ Faust wischte an seiner Kinnspitze vorbei, und er konterte hart.
Brick Curtis japste nach Luft. Eine sinnlose Wut übermannte ihn. Er stürzte sich auf Bount und hieb mit seinen Fäusten auf ihn ein. Mehrmals traf er ganz gut. Die meisten Schläge aber blieben in Bount Reinigers Deckung hängen.
Da Curtis nicht von selbst aufhörte, musste Bount Reiniger ihn bremsen. Er brachte den Mann mit einem gekonnten Judowurf zu Fall.
Curtis knallte auf den Beton. Bount hätte den Burschen jetzt spielend mit einem Karatetritt ausschalten können, aber darauf verzichtete er. Er wollte nicht zu weit gehen.
Curtis hatte seine Lektion erhalten. Das reichte vorläufig.
Tennessee Brooks kehrte zurück. Von Weitem hatte er den Kampf verfolgt. Er erreichte die beiden, als Brick Curtis sich ächzend erhob. „Sie haben sich nicht schlecht verteidigt, Sheridan“, sagte der Fuhrparkleiter anerkennend. „Ich bin zwar an und für sich gegen Reibereien in der Crew, aber diese war wohl doch nötig, damit Ihr Kollege weiß, wie er mit Ihnen dran ist.“
„Ich denke“, erwiderte Bount mit finsterer Miene, „dass ich damit zweierlei bewiesen habe: dass ich kein Angsthase bin und dass man mich mit Vorsicht genießen muss.“
„Sie werden sich wunderbar in unsere Mannschaft einfügen, davon bin ich überzeugt“, sagte Brooks.
Curtis stand grimmig neben ihnen. Blut rann aus seiner Nase. Brooks reichte ihm sein Taschentuch. „Hier, wisch das Blut ab und gib Sheridan die Hand. Du kannst von Glück sagen, dass er dir die Zähne nicht eingeschlagen hat. Verdient hättest du’s nämlich.“
Curtis ließ sich mit dem Abwischen Zeit.
„Wird’s bald? Gib ihm die Hand!“, herrschte Brooks ihn an. „Ich mag in der Mannschaft keine Zwistigkeiten.“
Curtis reichte Bount Reiniger widerwillig die Hand und trollte sich dann. Bount wusste, dass dieser Bursche nicht so bald zu seinen Freunden zählen würde.
Zwei Tage war Bount Reiniger dann auf der Achse. Brooks zeigte sich zufrieden. Es kam zu keinen weiteren Überfällen. Die Banditen ließen auch die Trucks der anderen Frachtgesellschaften in Ruhe.
Am dritten Tag dachte Bount, es wäre so weit. Er hatte Pelze geladen und war damit nach Burlington unterwegs. Ein Wagen folgte ihm seit geraumer Zeit. Ein Impala, unauffällig grau. Mit einem total verschmutzten Kennzeichen. Besetzt mit drei Männern, deren Gesichter durch die spiegelnde Windschutzscheibe nicht zu erkennen waren.
Bount wartete geduldig ab. Er spielte den Ahnungslosen, hatte aber in dem Schulterholster seine Automatic stecken, mit der er die Gangster gehörig überraschen wollte.
Middlesex lag hinter ihm. Der Impala überholte in einer übersichtlichen Kurve und zog davon. Enttäuscht blickte Bount Reiniger dem Wagen nach. Was war das nun gewesen? Falscher Alarm?
Er blieb auf der Hut, denn er rechnete damit, dem Impala und seinen drei Insassen schon bald wieder zu begegnen, aber die Begegnung blieb aus. Bount erreichte Burlington ohne Zwischenfall.
Er lieferte die Pelze am Bestimmungsort ab, nahm die Quittung entgegen und kehrte nach New York City zurück. Den Impala und die drei Männer sah er nicht wieder.
Er lächelte, als er daran dachte. Sie hatten ihn, ohne es zu wissen, in Alarmbereitschaft versetzt. Irgendwelche Leute, die nichts Böses im Schilde führten.
„Noch ein paar Tage im Truck, und du wirst vor deinem eigenen Schatten erschrecken“, murmelte Bount und brachte den Laster zu Errol Cabots Frachtunternehmen zurück.
Freizeit wurde bei den Truck-Drivern nicht allzu groß geschrieben. Aber wenn ein Fahrer mal frei hatte, dann suchte er garantiert Jack Lunas Truck-Driver-Kaschemme auf.
Diese war auch Bount Reinigers Ziel, nachdem er seinen schweren Brummer abgeliefert hatte. Das Lokal war zum Bersten voll. Raues Männergelächter schallte Bount entgegen.
Dicke blaue Rauchschlieren zogen sich durch das Lokal. Ventilation gab es keine. Klimaanlage schon gar nicht. Man brauchte eine gute Konstitution, um sich in dieser Umgebung wohlzufühlen.
Die Truck-Driver - teilweise verwegene Gesellen - standen oder saßen in Gruppen beisammen. Es wurde vorwiegend Bier getrunken. Hinter der Theke stand ein Mann, der in einen alten Seeräuberfilm aus Hollywood gepasst hätte.
Das war Jack Luna, der Besitzer der Kaschemme. Er trug einen Drei-Tage-Bart, hatte eine große Geiernase und einen Bauch, der Buddha hätte vor Neid erblassen lassen.
Bount sah sich nach einer Sitzmöglichkeit um. Jemand winkte ihm und wies auf einen freien Stuhl. Bount Reiniger ging darauf zu, obwohl er den Mann nicht kannte. Es gab nur wenige Mädchen im Lokal, und um die herum hingen die Männer wie die Trauben an der Rebe.
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