»He, keine Übertreibungen«, grummelte Tom Brucks hinter ihr. »Xutl und ich haben uns auch für Sie eingesetzt!«
Nick musste bei dem kleinen Wortgefecht, das nun zwischen den beiden folgte, schmunzeln und lehnte sich entspannt zurück.
*
Zur gleichen Zeit herrschte auf einem Raumschiff-Flughafen in der Nähe New Yorks reger Betrieb. Die privaten Gesellschaften setzten alle verfügbaren Schiffe ein, um möglichst viele von den Gütern des neu entdeckten Sonnensystems für sich zu gewinnen. Nahezu im Minutentakt starteten und landeten die Raketen. Ein Grollen und Brausen der zahlreich aufheulenden Triebwerke erfüllte die Luft.
Abseits der Gebäudetrakte der großen Gesellschaften lagen die Bürogebäude der kleinen Unternehmen. Sie waren in einem Halbkreis um ein kleines Landedeck angeordnet, auf dem soeben ein Helicar landete. Drei Männer warteten, bis die Maschine gelandet war und die Rotoren aufgehört hatten, sich zu drehen, bevor sie den Mann begrüßten, der mit seinen Begleitern ausstieg.
Bereits an seinem Gesichtsausdruck konnten Vince Andersons Männer sehen, dass die Pläne ihres Chefs fehlgeschlagen waren. Mit verhärteter Miene schritt der Raumschiffkapitän auf sein Büro zu. Der Schnauzer in seinem Gesicht vibrierte vor unterdrückter Wut.
»Sie hätten auf Miss Lees Vorschlag eingehen sollen, Chef«, wagte Theo ›Teddy‹ Cummings es, die Stille zu durchbrechen. »Ein Drittel des unermesslichen Schatzes …«
»Halt den Mund!«, schnauzte Anderson ihn an, und Teddy zog unwillkürlich den Kopf ein. Die Gruppe betrat die Büros von Andersons alles andere als gut laufendem Transportgewerbe. Frank Stone, der als Letzter den Raum betrat, stellte sicher, dass die Tür hinter ihnen geschlossen war und niemand das Gespräch zufällig verfolgen konnte.
Anderson herrschte seine Leute mit einer Geste an, sich um ihn zu versammeln. Sein Blick ging von einem zum anderen, bevor er ansetzte.
»Noch ist gar nichts verloren«, grollte er.
»Aber … ohne das Medaillon können wir doch gar nicht an den Schatz heran«, warf Ringo Olsen ein.
»Das ist noch nicht das Schlimmste«, fügte Butch Saunders neben ihm an. »Jane Lee hat diesen Nick überredet, sie im Sternenschiff mitzunehmen!«
Ein Raunen ging durch die Gruppe.
»Was soll dann Ihr Gerede, dass nichts verloren ist, Chef?«, warf Ringo ein. »Mit dem Sternenschiff haben sie den Schatz gehoben, ehe wir überhaupt gestartet sind!«
»Dummkopf!«, brauste Anderson auf. »Das Sternenschiff startet erst in vier Wochen. Und bis dahin wollen wir ja nicht untätig sein, oder?«
Die Männer sahen ihn fragend an.
»Wenn wir in den nächsten drei Tagen starten, können wir fast gleichzeitig mit dem Sternenschiff den zweiten Planeten erreichen«, führte der Kapitän aus.
»Hm … das stimmt«, überlegte Matt Norris, der sich bisher aus dem Gespräch herausgehalten hatte, um seinen Boss nicht gegen sich aufzubringen. »Aber was hätten wir damit gewonnen?«
»Damit allein nicht viel. Aber wir werden an Bord des Sternenschiffs einen Verbündeten haben«, erwiderte Anderson mit einem Grinsen.
»Was?!«, entfuhr es Teddy. »Sie kennen jemand der Besatzung?«
Anderson wiegte den Kopf, und sein Grinsen wurde noch breiter. »Noch nicht … aber du wirst mir die Besatzungsliste besorgen. Der Rest ist eine Frage des Geldes. Du wirst schon sehen!«
*
Nachdem Theo Cummings seine Kontakte eingesetzt hatte und zudem eine stattliche Summe Geld hatte springen lassen, lag Anderson die Besatzungsliste tatsächlich vor. Er ordnete seine Männer an, das Schiff startklar zu machen und teilte ihnen mit, dass er für eine ›kurze Reise‹ unterwegs sein würde.
Keiner seiner Untergebenen wagte es nachzufragen, was er damit genau meinte, und so machten sie sich stattdessen an die vor ihnen liegende Aufgabe. Ihre Rakete war nach der letzten Reise alles andere als in einem guten Zustand, und so würden sie die verbleibende Zeit benötigen, um sie raumtauglich zu machen.
Als Anderson nach zwei Tagen zurückkehrte, ging er vergnügt auf seine Männer zu, die ihn vor dem Büro erwarteten.
»Ist die Kiste startklar?«, fragte er mit einem Nicken zu der Rakete, die nur unweit von ihnen entfernt in den Himmel ragte.
»Ja«, bestätigte Butch Saunders, der als sein leitender Ingenieur die Triebwerke überwachte. »Donnerwetter«, fügte er an, als er sah, wie sein Boss mit ausladenden Schritten und schwungvoll auf die Einstiegsluke zulief. »Sie haben Erfolg gehabt?«, raunte er ihm zu.
Anderson warf ihm nur einen verschwörerischen Blick zu und stieg die Leiter empor. Nachdem sich alle Männer auf ihren Plätzen eingefunden hatten, ließ er den Raketenmotor hochfahren und bat über Funk um Starterlaubnis.
Die Zufriedenheit, die eben noch sein Gesicht erfüllt hatte, wich nun einer starren Grimasse, als er die Antwort hörte.
»Raumschiff A-1 von Kapitän Anderson«, meldete sich ein Mitarbeiter aus dem Tower, »Ihr Startgesuch ist abgelehnt. Der Weltraum-Sicherheitsdienst verlangt eine technische Überprüfung Ihres Schiffes.«
Anderson schlug mit der Faust aufs Instrumentenpult.
»Bei allen Teufeln! Dahinter kann nur Nick stecken!«, stieß er aus. »Der Kerl hat seine Beziehungen spielen lassen, um uns aufzuhalten. Na warte …« Seine Finger huschten über die Kontrollelemente. »Ich kann auch ohne Erlaubnis starten!«
»Aber Chef!«, wollte Frank Stone am Navigationspult einwerfen. »Dann …«
Anderson machte eine unwirsche Handbewegung. Rasend vor Wut war er bereit, alle Risiken einzugehen und sich über das Startverbot hinwegzusetzen. Allen Vorschriften zum Trotz riss er den Starthebel zu sich heran und wartete nicht einmal, bis sich alle seine Männer angeschnallt hatten. Sie schrien wild durcheinander, als sie durch den Andruck von ihren Sitzen geworfen wurden.

Das Hecktriebwerk brüllte auf, und eine Feuerlohe leckte über den Bodenbelag. Dunkle Rauchschwaden hüllten die umstehenden Maschinen ein. Bodenpersonal und Piloten rannten über den Platz und versuchten sich in Sicherheit zu bringen.
Zuerst nur langsam, dann immer schneller schoss die Rakete in die Höhe. Fassungslos sahen ihr die Lotsen im Tower hinterher.
Vince Anderson starrte mit versteinerter Miene auf den Hauptbildschirm und ließ sich durch nichts in seinem Tun beirren. Als er aus dem Augenwinkel das Licht für den Sprechfunk sah, schaltete er ihn wie beiläufig ein.
»Achtung, Achtung! Kapitän Anderson! Landen Sie sofort! Sie haben bei dem unerlaubten Start zwei Raumschiffe beschädigt!«, schnarrte eine Stimme aus dem Lautsprecher. »Landen Sie sofort! Sonst schicke ich Ihnen die Raumpatrouille auf den Hals!«
Mit unbewegtem Gesicht schaltete Anderson das Funkgerät ab und stellte den R-3-Antrieb ein, als das Schiff die oberste Schicht der Atmosphäre passierte. Trotz seines verwegenen Vorhabens wusste er genau, was er seiner Maschine abverlangen konnte. Auch wenn er wertvolle Zeit gewonnen hätte, wäre es zu riskant gewesen, den Antrieb bereits innerhalb der Atmosphäre hinzuzuschalten.
Hinter sich hörte er ein Stöhnen aus mehreren Kehlen.
»Was … was ist geschehen?«, fragte Ringo Olsen und fasste sich an den Kopf.
»Wir sind im Raum«, erklärte Anderson trocken. »Setz dich ans Radargerät, damit wir rechtzeitig merken, wenn uns die Raumpatrouille an den Kragen will«, ordnete er an, ohne sich weiter für den Zustand seiner Männer zu interessieren.
Diese folgten den weiteren Anweisungen zuerst nur widerwillig, doch der kalte Blick ihres Chefs machte ihnen deutlich, dass er Widerspruch nicht zuließ.
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