Während sie noch mit der wachsenden Verwirrung im seichten Wasser mit zu wenig Platz zum Manövrieren beschäftigt waren, schossen plötzlich neue Geschwader ägyptischer Kriegsschiffe von beiden Enden in die Bucht. Zusammen mit den Resten der Flottille aus Sais fielen sie die unbeweglichen feindlichen Ungetüme von allen Seiten an. Brandsätze wurden an Bord der Schiffe geworfen, bis ihre riesigen Segel in Flammen aufgingen. Große schwarze Rauchschwaden stiegen von der sich ausbreitenden Feuersbrunst auf den Schiffen in den Himmel. Weitere ägyptische Schiffe, mit regulären Truppen beladen, drängten in die überfüllte Bucht. Taue mit Enterhaken wurden über die Seitendecks geworfen, und ganze Meuten von Enterern folgten, die inmitten der Brände auf den halbzerstörten Schiffen zum Nahkampf ansetzten.
Währenddessen erhielten die Krieger der Seevölker, die immer noch in Sais wüteten, Nachricht von den Kämpfen. Daraufhin entsandten sie eine große Zahl von Streitwagen, die mit voller Geschwindigkeit zur Rettung eilen sollten. Dunkle Rauchwolken, die von dem brennenden Pech aufstiegen, wiesen ihnen schon von weither den Weg. In ihren Karren und Streitwagen trugen sie Faltflöße, die ausreichen würden, um bewaffnete Männer über die kurze Wasserstrecke in die Kampfzone zu tragen. Ihre Ankunft an dem Ufer, das den Kämpfen am nächsten war, wurde von den bedrängten Soldaten an Bord der atlantischen Schiffe mit lautem Jubel begrüßt. Während sie noch hastig ihre Flöße zusammensetzten, erschienen jedoch plötzlich mehrere Kompanien von Bogenschützen und Schleuderern, die von Ramses persönlich angeführt wurden, auf den Hügeln hinter und neben ihnen. Sie ließen einen Hagel von Pfeilen und Steinen auf die überraschten Invasoren niederregnen, die zu Hunderten unter dem unerbittlichen Trommelfeuer fielen (siehe Abb. 2.3). Vielleicht hundert Mann, meist Wagenlenker, suchten ihr Heil in der Flucht. Kaum mehr überlebten auf dem Schlachtfeld und kapitulierten schließlich.
Als alle Hoffnung auf Rettung vom Land her verloren war, gaben auch die meisten der Atlanter an Bord der belagerten Schiffe auf. Einigen wenigen gelang es mit dem Mut der Verzweiflung, aus der Bucht des Todes auszubrechen, doch ihre Erleichterung war nur von kurzer Dauer. Zu ihrem Entsetzen versperrten hunderte weiterer ägyptischer Kriegsschiffe voller Feuertöpfe und Bogenschützen den Nil in ganzer Breite. Einige der Schlachtkreuzer verfingen sich in einem Gewirr von Tauen, die zwischen den Booten gespannt waren, und wurden in die Gefangenschaft gezogen, aber die Strömung war mit denen, die standhielten und so schnell wie möglich zum Mittelmeer weiterfuhren. Als die halbverbrannten Schiffe endlich die Freiheit des offenen Meeres erreichten, um sich der Reserveflotte am nördlichen Ufer des Deltas anzuschließen, war fast die Hälfte der Invasionsflotte verloren gegangen.

Abb. 2.3. Atlantische Invasoren fallen durch ägyptische Bogenschützen, die das Nildelta verteidigen. Kampfszene an den Wänden der Tempelanlage von Medinet Habu.
Der Hauptteil der Truppen der Seevölker – etwa vierzigtausend Mann – war jedoch immer noch bestrebt, die Kontrolle über Sais zu übernehmen. Die Ägypter behaupteten jetzt den Nil zu beiden Seiten des südlichen Deltas. Ohne ihre unterstützenden Schiffe waren die Eindringlinge auf zwei von drei Seiten eingeschlossen. Ramses landete praktisch seine gesamten Streitkräfte, etwa fünfzigtausend Krieger, oberhalb der Stadt, marschierte in Eilmärschen von einem Arm des Flusses zum anderen und schloss den Feind im unteren Delta ein. Sobald die Falle zugeschnappt war, befahl er den Vormarsch.
Plötzlich erfuhr der Pharao, dass weitere dreißigtausend Libyer vom westlichen Delta aus herbeieilten, um ihren in die Enge getriebenen Verbündeten zu Hilfe zu kommen. Er war jetzt in Gefahr, von beiden Seiten von Feinden eingekesselt zu werden. Um seine südliche Offensive gegen die Seevölker nicht abbrechen zu müssen, ging er das Risiko ein, alle seine Streitwagen abzuziehen. Er formierte sie zu einer einzigen Kompanie und schickte sie ohne Infanterieunterstützung los, um die Libyer aufzuhalten. Die Wagenlenker protestierten, weil sie zahlenmäßig mindestens eins zu fünf unterlegen waren, aber Ramses weihte sie in seine Pläne ein und konnte ihnen damit zeigen, dass die Operation nicht so selbstmörderisch war, wie es schien. Er gab ihnen seine Befehle und schloss sich dann wieder dem Vormarsch gegen die Atlanter an.
Der zähe Widerstand der Seevölker wurde nicht nur von ihrer prekären Lage angefacht, sondern auch durch ihr Wissen, dass die Libyer im Anmarsch waren, um sie zu befreien. Wenn die umzingelte Truppe nur lange genug durchhielte, bis diese kämen, würden die Ägypter zwischen den zwei Hälften der Invasionsmacht zerrieben werden. Ramses trieb seine Offensive stetig voran, und der Feind gab jedes Stück Boden nur widerwillig auf. Allerdings waren die Verluste auf beiden Seiten hoch, und der ägyptische Fortschritt verlangsamte sich, da die Streitwagen des Pharaos fehlten. Die Last des Kampfes ruhte ausschließlich auf der Infanterie. Die Feinde im Westen – die Libyer – müssten jeden Moment auftauchen, und die Ägypter wären dann von beiden Seiten mit Angreifern konfrontiert.
Die Strategie des Pharaos war jedoch vorausschauender und wurde auch genauestens ausgeführt. Seine Wagenlenker vermieden nämlich die Konfrontation mit dem anmarschierenden libyschen Gegner und schwärmten stattdessen den ganzen Weg um ihn herum nach hinten aus. Die Ausführung dieses Manövers dauerte so lange, dass die angreifenden Libyer die Streitmacht von Ramses beinahe schon erreicht hatten, als seine Streitwagen endlich ihren koordinierten Überraschungsangriff aus drei Richtungen starteten – von Norden, Nordosten und Nordwesten. Die Abruptheit dieses dreifachen Angriffs versetzte die Libyer in Panik, so dass sie buchstäblich in die Speere der Nachhut des Pharaos hineinstolperten und kapitulierten, bevor viel Blut vergossen worden war und die hoffnungsvollen Atlanter Zeit gehabt hatten zu reagieren.
Die Seevölker widersetzten sich zwar weiterhin den Ägyptern, waren nun jedoch hoffnungslos unterlegen. Ihre Invasion brach zusammen, doch der Krieg war damit noch nicht vorbei. Die Atlanter in den besetzten Gebieten des nördlichen Deltas wurden evakuiert und an Bord ihrer Schiffe gebracht; sie hatten wenig Zeit, entmutigt zu sein, da sofort weitere Operationen von Syrien aus beginnen sollten. Der Plan war, bei ihren alten Verbündeten, den Philistern, die sich dort nach dem früheren Krieg gegen Merenptah niedergelassen hatten, Truppen an Land zu setzen. Diese erneuerte Konföderation sollte dann von Osten aus nach Ägypten marschieren und ihre Feinde überraschen, die zweifellos von den vielen Kämpfen erschöpft waren.

Abb. 2.4. Diese Reproduktion restaurierter Tempelkunst in Medinet Habu zeigt gefangene Marinesoldaten der Seevölker, die den Siegeskelch von Ramses III. halten. Die Abbildung gibt Aufschluss über Kleidung und Aussehen der Atlanter. (Grafik von Virginia Hardyman)
Die geschwächte, aber immer noch große Armada näherte sich der syrischen Küste in der Nähe der Stadt Amor, aber es waren keine Verbündeten da, um sie zu begrüßen. Die Philister hatten kein Interesse an dem Eroberungsversuch und waren überdies durch die Anwesenheit einer riesigen Armee eingeschüchtert, die vom Pharao persönlich kommandiert wurde. Ägyptische Marineeinheiten hatten die ausgerückten atlantischen Schiffe beobachtet und Ramses von deren Fahrt in Richtung Syrien berichtet. Da er die Absicht des Feindes erriet, begab sich Ramses mit seiner Armee schnellstens zur syrischen Küste nahe Amor. Dort wurden Infanterie und Bogenschützen, von Streitwagentruppen unterstützt, in Stellung gebracht. Bevor die Atlanter beginnen konnten, ihre Truppen zu landen, trafen zwei Flotten ägyptischer Kriegsschiffe von Norden und Süden aus ein, griffen gleichzeitig die hinteren Flanken der Seevölker an und drängten so die Schlachtkreuzer effektiv gegen das Ufer und an den Strand.
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