BERTRAM DICKERHOF
Der spirituelle Weg
Eine christlich-interreligiöse
Lebensschule
BERTRAM DICKERHOF
Der
spirituelle
Weg |
Eine christlich- interreligiöse Lebensschule |
echter
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1. Auflage 2016
© 2016 Echter Verlag GmbH, Würzburg
www.echter.de
Umschlag: wunderlichundweigand.de
(Foto: Michael Thaler/ shutterstock.com)
Satz: Hain-Team ( www.hain-team.de)
ISBN
978-3-429-03928-8 (Print)
978-3-429-04849-5 (PDF)
978-3-429-06268-2 (ePub)
eBook-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
www.brocom.de
Inhalt
Vorwort
Die zweite Bekehrung
1. Am Ganges
2. Hören in der Bibel
Der Schritt auf dem spirituellen Weg
1. Von außen nach innen – das erste Moment des Schrittes auf dem spirituellen Weg
1.1 Das Leben weist über das Außen hinaus
Gebundene Freiheit
Beziehung
Erfüllung jenseits des Äußeren
Das Innere: verschlossen und vermieden
1.2 Idiopolis
Verdrängung
Unbewusste Konstruktion der Welt
Platos Höhlengleichnis
Idiopolitischer Alltag
Widerstand gegen die Befreiung
Die Dekonstruktion der Idiopolis
Sünde
1.3 Die Wende nach Innen
Die Bedeutung der äußeren Wirklichkeit für die Erkenntnis des Inneren
Annehmen, was ist
Das Beispiel meiner ersten Bekehrung
2. In die Tiefe – zweites Moment des Schritts auf dem spirituellen Weg
2.1 Verweilen in der Wahrnehmung der inneren Wirklichkeit hier und jetzt
Verweilen im Wahrnehmen
Schwierigkeiten
2.2 Verweilen in der Wahrnehmung des Inneren und die spirituellen Wege der Religionen
2.3 Wegbegleitung
Begleitung im Angesicht der Idiopolis
Geistliche und therapeutische Begleitung
2.4 Spirituelle Gemeinschaft
Integration der Person und Integration der Gemeinschaft
Konflikt und Versöhnung
3. In der Tiefe
3.1 Durchbruchserfahrungen
Die erste Bekehrung
An Fundamenten meiner Idiopolis
Eine Meditationserfahrung
3.2 Annahme des Todes und Verwandlung des Selbst
Annahme des im Leben begegnenden Todes
Annehmen des Todes impliziert Glauben und Hoffen
Verwandlung der Persönlichkeit
In der Tiefe stirbt das Ego
Geburt einer neuen Identität
3.3 Der Durchbruch als spirituelle Erfahrung
Unbedingte Bejahung
Ernüchterung – Über-Erfüllung – Liebe
Der Durchbruch ist Offenbarung und Verhüllung Gottes
3.4 Wandlung des Gottesbildes
4. Von innen nach außen – drittes Moment des Schrittes auf dem spirituellen Weg
4.1 Der geistliche Kampf
Der Kampf um die tägliche spirituelle Übung
Der Kampf um geistliche Nüchternheit
Der Kampf um Vertrauen und Demut
Askese
4.2 Neues Verhalten
4.3 Handeln
Drei Zeiten
Der Wille Gottes
Der spirituelle Schritt und das Evangelium
1. Nachfolge Christi
1.1 „Hassen“ der Familie
1.2 Armut
1.3 Selbstverleugnung und tägliches Kreuz
2. Die Bedeutung Jesu
2.1 Freilassende Liebe als geschichtliches Ereignis
2.2 Jesus weist den spirituellen Schritt
2.3 Christus als Gestalt des wahren Selbst
3. Der spirituelle Schritt und die Heilige Messe
3.1 Beginn der Messe, Wortgottesdienst, Gabenbereitung
3.2 Wandlung, Mahl und Sendung
Der Weg
1. Der spirituelle Weg in den Religionen
2. Der hinabsteigende Weg
2.1 Beziehung lernen
2.2 Die ent-täuschende Nicht-Annahme von Enttäuschungen
Wie es mit Enttäuschungen in der Praxis geht
Der entschwindende Gott
2.3 Die Frucht eines hörenden Lebens reift heran
Ashram Jesu
1. Der Name
2. Die Hinreise
3. Haus und Kursrahmen
4. Der Kurs beginnt
5. Schriftbetrachtung und Eucharistiefeier
6. Karma Yoga
7. Die Rückreise
Anmerkungen
Literaturverzeichnis
Vorwort
Der spirituelle Weg, von dem dieses Buch handelt, ist ein Lebens-Weg. Er ist nicht auf eine Phase oder einen Bezirk des Lebens begrenzt, sondern ist von der Art, dass er das Leben allmählich in seiner Gänze durchdringt. Er ist eine Weise, sein Leben zu leben, ja durchzuerleben. Wer sich auf diesen Weg einlässt, der stellt sich Leben und Tod und überprüft seine Vorstellungen an der Wirklichkeit, der er sich öffnet. Der Inhalt dieses Buches ist weder Spekulation noch Ideologie. Er ist Niederschlag eines nun über vierzig Jahre währenden „Selbstversuchs“ eines Christen, dessen Erfahrungen immer wieder einfließen werden. Die grundlegenden Prinzipien des Weges begegnen in unterschiedlicher Akzentuierung bei den spirituellen Suchern der Weltreligionen gleichfalls. So werden insbesondere der Buddhismus, der hinduistische Vedanta und der Sufismus zu anregenden Gesprächspartnern und Helfern für den abendländischen Pilger. Christen, die sich vor allem als Glieder ihrer Gemeinde oder Kirche fühlen, werden sich erinnern, dass die frühe Kirche sich als „der neue Weg“ (Apg 9,2) verstand, der das Ende aller Religionen und Kulte bedeutete, die es damals im Mittelmeerraum in großer Zahl gab.
Meinen Weg in Gang gebracht haben Erfahrungen von Mangel und Sehnsucht nach Erfüllung. Der Mangel, den ich erlitt, war kein äußerer. Ich wuchs behütet auf, konnte ein Mathematikstudium abschließen, trat in den Jesuitenorden ein, in dem ich auf vielerlei Weise Förderung und sinnvolle Arbeitsmöglichkeiten erhielt. Was mir fehlte, war etwas Inneres: Sinn und Lebendigkeit; die Fähigkeit, Liebe geben und empfangen und Enttäuschungen meistern zu können. Arbeit und Ablenkung, Erfolg und Anerkennung können das Innere eine Zeit lang zudecken. Heilen können sie es nicht. Der Schlüssel zur Erfüllung kann nicht allein außen liegen; er ist im eigenen Herzen verwahrt.
Ich wurde gläubiger Christ und lernte beten. Mein Gebet entwickelte sich, es wurde einfacher und stiller. Eines Tages entschwand mir das Gegenüber, an das ich bis dahin meine Gebete gerichtet hatte. Ich erkannte, dass alles von Gott erfüllt war, dass „alles aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist“. Mein Gebet wurde in der Folge zu einem achtsamen, gelassenen und liebevollen Hören nach innen. Die inneren Bewegungen, die dabei wahrgenommen werden, also Gedanken, Körperempfindungen, Gefühle, Wünsche, geistige Haltungen usw., sind die Resonanz der eigenen Person auf die Ereignisse des Lebens. Somit ist das Innere, wie es jetzt und hier erlebt werden kann, Echo der eigenen Biographie auf aktuelle äußere Ereignisse. Insofern eröffnet das Leben selbst einen Zugang zum Inneren und zu seiner teils unbewältigten Geschichte. Ohne sich ihren konflikthaften Wahrheiten zu stellen, ist ein Weiterkommen auf dem spirituellen Pfad unmöglich. Dazu braucht es allerdings eine Begleitung.
Im Alltag besteht der Schritt auf dem spirituellen Weg zunächst im Innehalten und Hören. Ohne innezuhalten und nach innen zu hören, bleibt das eigene Leben oberflächlich und ausgeliefert an die in der Luft liegenden Mächte. Was geschieht, kann dann nur als dumpfes Schicksal verstanden werden, das einmal günstig ausfällt, ein anderes Mal unbarmherzig zuschlägt. Hört die Person aber und verweilt sie dabei, wird sie dadurch in ihre Tiefe geführt. Aus Illusionen und selbstgemachten Vorstellungen erwacht sie zur Wirklichkeit. Dabei kommt sie bei sich selbst an, dort, wo sie ganz sie selbst und von tiefer Freude und Liebe erfüllt ist. In diesem Zustrom neuen Lebens erahnt sie ihren wahren Grund, einen Grund, der grundlos ist, und gewinnt Klarheit darüber, was zu tun ihr nun aufgegeben ist.
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