Thomas Holtbernd - Verantwortliche Gelassenheit

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Die Maßnahmen zur Einschränkung der Corona-Pandemie haben die Gesellschaften vor die Fragen gestellt: In welchen Freiheitsräumen leben wir, welchen Einschränkungen oder Verpflichtungen folgen wir, wie ist es um unser Vertrauen in die Regierenden und Mitmenschen bestellt? Sind wir bereit, zugunsten des Gemeinwohls und gerade um der Schwächeren willen Zumutungen hinzunehmen?
Davon ausgehend macht Thomas Holtbernd in seiner Analyse deutlich: Wollen wir zukünftige Konflikte, Pandemien und Katastrophen mit möglichst wenig Schaden überstehen, wird es nötig sein, Krisen einzuüben und ein Freiheitsverständnis zu entwickeln, das dazu befähigt, mit Ambivalenzen, unstrukturierten Anforderungen sowie einer großen Ungewissheit umgehen zu können.
Wie Kirchen ihren Beitrag dazu leisten können, ist auch eine Anfrage an die Aufgaben bei der Wende von einer moralisch orientierten Wertegesellschaft zu einer problemlösenden Konfliktgesellschaft.

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Freiheit, egal wie wir sie verstehen, muss immer einen Wahrheitsbezug haben, da sie ansonsten nicht als Wert eingefordert werden kann. In einer Krise wird der Wert der Freiheit durch seine negative Bestimmung ins Bewusstsein zurückgeholt, indem Freiheiten beschränkt und Disziplinarmaßnahmen verordnet werden. Michel Foucault hat in „Überwachen und Strafen“ zwei Grundmodelle gegenüberstellt. „Einmal ist es der Traum von einer reinen Gemeinschaft, das andere Mal der Traum von einer disziplinierten Gesellschaft.“ 21Bei der Lepra versuchten die Gesellschaften die Erkrankten auszuschließen oder sie zu verbannen. Die Pest hingegen versuchte man zu bannen, indem der Einzelne total überwacht und diszipliniert wurde. Michel Foucault nahm an, dass sich diese beiden Modelle im 19. Jahrhundert miteinander verbunden haben. „Seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts arbeitet die Disziplinargewalt daran, die ‚Aussätzigen‘ wie ‚Pestkranke‘ zu behandeln, die sublimen Unterteilungen der Disziplin auf den amorphen Raum der Einsperrung zu projizieren, diesen Raum mit den Methoden der analytischen Machtverteilung zu durchsetzen, die Ausgeschlossenen zu individualisieren, aber auch mit Hilfe der Individualisierungsprozeduren die Auszuschließenden zu identifizieren.“ 22Die Inszenierung der Corona-Krise scheint eine Weiterentwicklung dieser Dynamik zu sein. Die Politik ist bemüht, die Zahl der Infizierten zu stoppen, und muss daher durch Tests die Infizierten erfassen und sowohl die Infizierten und diejenigen, die Kontakt mit Erkrankten oder Infizierten hatten, in Quarantäne schicken. Die, die ausgeschlossen werden sollen, müssen identifiziert werden. Gleichzeitig werden diejenigen, die sich nicht an die Ausgangsregeln halten oder gegen das Kontaktverbot verstoßen, geächtet und mit massiven Geld- und Haftstrafen zum Einhalten der Regeln gezwungen. In diktatorischen Staaten wird die Einhaltung rigoros durchgesetzt, die demokratischen Regierungen setzen hingegen auf Freiwilligkeit und lenken diese Freiwilligkeit durch eine gezielte Information oder das Nudging.

Die Medizin ist zu einem der Hauptdarsteller in dieser Inszenierung geworden. Allerdings sind es vor allem die Disziplinen der Medizin, die mit mathematischen oder statistischen Modellen operieren und scheinbar eindeutige Aussagen machen können, während für die Humanwissenschaften ansonsten festzustellen ist, „daß der unüberwindliche Eindruck von Verschwommenheit, Ungenauigkeit, Präzisionsmangel, den alle Humanwissenschaften hinterlassen, nur die Oberflächenwirkung dessen ist, was sie in ihrer Positivität zu definieren gestattet“ 23. Virologen und Epidemiologen bestimmten die Vorgehensweise der Politik. Diese Inszenierung, also die Geschichte von den Zahlen, wurde brüchig, als das Problem der wissenschaftlichen Methode offensichtlich wurde. Die Aussage über eine wissenschaftliche Erkenntnis ist immer nur eine Wahrscheinlichkeitsaussage, die abhängig von vorhandenen Daten, durchgeführten Experimenten und Untersuchungen ist. Selbst das Verwerfen der gestellten Frage und in manchen Fällen sogar die Erkenntnis, dass psychodynamische Prozesse zu falschen Ergebnissen geführt haben, gehören zum Selbstverständnis der Wissenschaften. Weil die Politik den „harten“ Medizinrichtungen folgte, wurden auch „kalte“ Maßnahmen ergriffen, was der Logik einer technologieorientierten Gesellschaft entspricht. Eine „sprechende Medizin“ oder die Berücksichtigung sozialmedizinischer, pflegerischer, psychischer oder psychosomatischer Aspekte hätten das Narrativ von den Erfolgen der Medizin aufgrund einer prosperierenden Ökonomie und fortschrittlichen Technik aus einer anderen Perspektive sehen lassen. Andererseits bedürfen die Menschen im Falle der Krankheit oder der Gefahr einer Gewissheit und eines Zuspruchs. Sie wollen Hoffnung schöpfen können aus dem, was der Arzt ihnen sagt. Wolfgang Schmidbauer spricht hier vom warmen und vom kalten Denken: „Im kalten Denken wird Wissen zur Wahrheit erhoben, denn es ist grundsätzlich besser als Nichtwissen. Im warmen Denken dagegen ist Raum für beides. Das erlebende Ich muss seinen Weg finden zwischen falschem Sein und unerträglichem Wissen.“ 24Die Fokussierung auf Virologen und Epidemiologen war am Anfang der Krise durchaus sinnvoll, um ein Realitätsprinzip den Vermutungen, wilden Meinungen und Leugnern entgegenzusetzen sowie eine klare Perspektive, nämlich das Impfen, zu geben. Dieses kalte Denken stellt sich allerdings selbst unter einen ungeheuren Druck, weil die Erwartungen idealisiert werden und bei einem Scheitern das Leben vieler Menschen auf dem Spiel steht. Dass es keinen Wandel in der gewohnten Medizininszenierung gab, zeigte sich darin, wie Pflegekräfte beklatscht wurden. Obwohl sich Pflege schon seit einigen Jahrzehnten in einem Krisenmodus befindet, der Pflegenotstand jedem bekannt sein dürfte, wird den Pflegekräften „nur“ für ihren besonderen Einsatz gedankt. Inwieweit Pflege zu einer notwendigen Weiterentwicklung des Gesundheitssystems beitragen könnte, wurde gar nicht in Erwägung gezogen.

Fakten, wie Wissenschaftler gewohnt sind, sie darzustellen und davon zu reden, haben keine Wirklichkeit. Es ist ähnlich wie bei einer Chefarztvisite, wo der Mediziner zu den anderen Medizinern spricht und der Patient, um den es geht, sich wie eine Sache fühlt und nicht versteht, was da geredet wird. Nach der Visite werden die Pflegekräfte gefragt, was die Mediziner denn gesagt haben. Eigentlich will der Patient nur wissen, wie es um ihn bestellt ist. Eine sprechende Medizin würde größere Mühe darauf verwenden, wie ein schwieriger Sachverhalt erklärt werden kann. Hierfür müsste der Wissenschaftler in die Sprache der Kunst wechseln. Etwas Konkretes und Anschauliches beruhigt den Patienten, und der Arzt würde mit in die Gefühlswelt gehen, die durch ein solches Bild provoziert wird.

Pflege könnte hier genutzt werden, um neue Narrative zu entwickeln. Da Narrative auch Mittel der Macht sind, müsste der soziale Status von Pflegekräften angehoben werden; der ist nämlich deutlich niedriger als der von Ärzten. Zweitens müssten andere Wertigkeiten eingefordert werden, was für die schwieriger ist, deren sozialer Status nicht so hoch ist. So fällt es schwer, die Ausgaben für Personal, das Zeit für die Patienten hat, erfolgreich einzufordern, während Gelder für technische Entwicklungen in der Medizin fraglos unterstützt werden. In der Medizin sind mittlerweile robotergestützte Operationen keine Seltenheit mehr. Der Einsatz solcher Maschinen wird kaum in Frage gestellt. Der Effekt solcher Operationen ist leicht begründbar. Der Roboter kann es genauso gut und oft besser als der Mensch, vor allem ist er nicht so störungsanfällig. In der Pflege hingegen gibt es für den Einsatz von Pflegerobotern große Vorbehalte, weil menschliche Zuwendung und technische Versorgung nur schwer zu vereinbaren sind. Auch wenn der Mensch in diesem Sinne nicht so perfekt sein kann wie der Roboter, hat er doch etwas, was einer „Maschine“ fehlt.

Gedanken zu einer Kriseninszenierung müssen dieses Etwas aufzudecken versuchen. Der Blick auf das, was bei der Inszenierung fehlt, was nicht gesagt wird, ist oft wichtiger als das, was gesagt wird. Zum Beispiel gehört zum Wesenskern von Pflege maßgeblich Beziehungsarbeit, und die lässt sich nicht quantifizieren; vieles ist vorläufig, provisorisch, nicht berechenbar, uneindeutig. Beziehungsarbeit ist immer auch körperliche Zuwendung. Diese Aspekte spielten bei der Corona-Inszenierung keine große Rolle. Die Körperlichkeit von Pflege und Medizin wurde durch die Inszenierung im wahrsten Sinne des Wortes durch die Schutzkleidung bedeckt.

Körperliche Nähe, ohne die Medizin und Pflege nicht denkbar sind, verweist auf eine gefährliche Ambivalenz. Aids wie früher auch schon Syphilis oder andere Geschlechtskrankheiten kennzeichnen körperliche Nähe gleichzeitig als Lust und Gefahr. Aids wurde als gerechte Strafe für die Sünde der Homosexualität von einigen Kreisen gebrandmarkt. Syphilis, Ulcus molle u. a. galten als Strafen für sexuelle Promiskuität. Beim Coronavirus wird körperlicher Abstand inszeniert, eine Armlänge, und die Bilder aus der Silvesternacht 2015 / 2016 dürften noch präsent sein. Hier wird zu geringer Abstand mit Übergriffigkeit assoziiert. Nach #meToo, den Missbrauchsskandalen und der Forderung nach einer gendergerechten Sprache verbirgt sich gerade im körperlichen Abstand das Sexuelle, weil es nicht offensichtlich ist. Das Abstandsgebot ist die inszenierte Sehnsucht nach einer freien und ungezwungenen Körperlichkeit, die nicht mit Assoziationen von falsch, übergriffig oder Machtmissbrauch verbunden ist. Das Abstandsgebot wird möglicherweise von denen unterlaufen, die keine Sensibilität für die gefährliche Ambivalenz der körperlichen Nähe entwickelt haben und daher die Abstandsregeln als Verschärfung der Debatten um Missbrauch, Gleichberechtigung und Gendergerechtigkeit empfinden. Aber auch die, die eine hohe Empfindlichkeit für sexuelle Übergriffigkeiten haben, könnten das Abstandsgebot missachten, weil sie sich sicher sind, dass sie die Grenzen der körperlichen Unversehrtheit nicht überschreiten, dabei aber die Gefahr der Infektion unterschätzen.

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