PAULIN UNK
Der Sehnsucht Raum geben
Die Kunst
der franziskanischen Wegbegleitung
Franziskanische Akzente
Für ein gottverbundenes und engagiertes Leben
Herausgegeben von Mirjam Schambeck sf und
Helmut Schlegel ofm
Band 14
Die Suche der Menschen nach Sinn und Glück ernst nehmen und Impulse geben für ein geistliches, schöpfungsfreundliches und sozial engagiertes Leben – das ist das Anliegen der Reihe „Franziskanische Akzente“.
In ihr zeigen Autorinnen und Autoren, wie Leben heute gelingen kann. Auf der Basis des Evangeliums und mit Blick auf die Fragen der Gegenwart legen sie Wert auf die typisch franziskanischen Akzente:
Achtung der Menschenwürde,
Bewahrung der Schöpfung,
Reform der Kirche und
gerechte Strukturen in der Gesellschaft.
In lebensnaher und zeitgerechter Sprache geben sie auf Fragen von heute ehrliche Antworten und sprechen darin Gläubige wie Andersdenkende, Skeptiker wie Fragende an.
PAULIN LINK
Der Sehnsucht
Raum geben
DIE KUNST
DER FRANZISKANISCHEN WEGBEGLEITUNG
echter
Herzlicher Dank geht an Adrian Schmider
für die sorgfältige Zuarbeit bei den Korrekturen sowie
an die Franziskanerinnen der Barmherzigkeit in Luxemburg
und die Gemeinschaft der Franziskaner in Hofheim am Taunus.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹ http://dnb.d-nb.de› abrufbar.
1. Auflage 2017
© 2017 Echter Verlag GmbH, Würzburg
www.echter.de
Umschlag: www.wunderlichundweigand.de(Foto: shutterstock)
Satz: Hain-Team ( www.hain-team.de)
eBook-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim
www.brocom.de
ISBN
978-3-429-04406-0
978-3-429-04945-4 (PDF)
978-3-429-06365-8 (ePub)
Inhalt
Vorwort
1. Begleitung kennt viele Formen
Gemeinschaft als Begleitung
Begleitung im Gebet
Begleitung durch Zeichen
Begleitende Orte
2. Wegbegleitung in der Bibel
Gott begleitet Mose und dieser wird Begleiter für ein ganzes Volk
Die Begleitung des Tobias
Die Geschichte Ruts
Jesus als Wegbegleiter
Jesus zeigt sich als Wegbegleiter in seiner Sprache und in seinem Tun
Jesus setzt mit Zeichen und Symbolen seine Begleitungfort (vgl. Joh 13,1–20)
Begleitung in Zusage und Gebet (Joh 17)
Jesus lässt sich begleiten
Begleitung als Auftrag
Erfahrungen nach der Auferstehung
Begleitung durch Briefe an Einzelne und Gemeinden
Gemeinschaft als Begleitung
3. Franziskanisch begleiten
Die Regel als Grundlage der Wegbegleitung im franziskanischen Sinn
Regel für die Einsiedelei
Franziskanische Quellen als Fundgrube, Inspiration, Ermutigung
Briefe, die stärken, weiterhelfen, korrigieren
Brief an einen Minister
Brief an Bruder Leo
Brief an Bruder Antonius
Begleitung durch Predigt
Das Umfeld begleitet unser Leben und lässt es wachsen und reifen
Die Kreuzesikone von San Damiano als Begleitung
Das Gebet des vor Gott Armen als Basis für die Begleitung von Menschen
Segen als Zusage für den weiteren Weg
Kriterien der Begleitung aus den Ermahnungen
Vertrauen
Spiritualität, nicht Methode
Geistlich leben – die eigenen Quellen
Scheitern
Wider die Harmonie
Grenzen und Gefahren
Loslassen können
Erbarmen
Begleitung bei Klara
Begleitung in Briefen
4. Für die Praxis
Seelsorgekonzept der St. Elisabeth-Stiftung 6
Kleines franziskanisches Begleitungs-ABC
Fragen zur persönlichen Reflexion
Begleitung als geistlicher Prozess
5. Eine Begleitungskultur wagen, Ausblick ermöglichen
Wegbegleitung als Kunst
Begleitung als Reise
Zum guten Schluss
Anmerkungen
Zum Weiterlesen
Abkürzungsverzeichnis
Vorwort
„Such dir einen Begleiter und mache dich auf die Reise“ (Tob 5,3), sagte der alte Tobit zu seinem Sohn Tobias. Mit diesem Zitat aus dem Alten Testament bekam ich eine Anfrage um Begleitung. Und ich las weiter: „Es sind keine ‚großen Brocken‘, die mich blockieren oder herausfordern. Es ist der ‚ganz normale Wahnsinn‘ des Alltags:
– Wie viele (m. E. richtig gute) Ideen warten (z. T. schon seit Jahren) auf Realisierung – weil das Tagesgeschäft vorgeht?
– Mache ich die richtigen Dinge? Die Dinge richtig zu machen, liegt mir als ‚Perfektionist‘ eher …
– Wie kann ich (noch mehr) Wirkung in Bereichen entfalten, wo der liebe Gott mir besondere Gaben geschenkt hat?
– Was will ich in den (voraussichtlich) noch etwa 11–15 Berufsjahren grundsätzlich erreichen?
– Was muss ich dafür vielleicht bleiben lassen?
Dazu brauche ich eine Begleitung, die mich nicht nur coacht oder mir Supervision gibt, sondern meinen Weg mit mir auch mit dem ‚Wehen des Heiligen Geistes‘ abgleichen kann und mag. Jemanden, der oder die mich auch herausfordern kann – und mag. Sich auch nicht scheut, mich evtl. auf unangenehme Dinge hinzuweisen. Idealerweise eine reflektierte Person, die mich kennt und dennoch keine Befangenheit bei so einer Begleitung empfindet.“
Wegbegleitung als Sehnsucht, jemanden zu haben, der im wahrsten Sinn des Wortes mitgeht, an meiner Seite – oder auch zwischendurch – in regelmäßigen Abständen meinen Weg kreuzt und als Spiegel mitreflektiert oder anfragt, ermutigt und korrigiert. Dabei denken wir meistens an die Begleitung einzelner Personen durch die Begleiterin oder den Begleiter.
Zu bedenken ist, dass unsere Menschwerdung und Reifung mitbestimmt wird durch das Umfeld, durch Situationen und Gegebenheiten. Ganz ohne besondere Erwähnung werden wir von Anfang unseres Lebens an begleitet in der Familie, in der wir aufwachsen. Eltern, Geschwister spielen eine nicht unbedeutende Rolle. Die Schulzeit mit den Gleichaltrigen und den Erzieherinnen und Erziehern, mit den Lehrerinnen und Lehrern begleiten und prägen.
Dankbar denke ich zurück an meine eigenen Wegbegleiter-Menschen, die mich prägten, förderten, mir halfen, Schritte zu setzen, Entscheidungen zu fällen, dem Leben zu trauen. Eine Persönlichkeit greife ich heraus, weil ich immer wieder erkenne, was ich da so ganz einfach, selbstverständlich erleben durfte und dabei für mein Leben Wesentliches lernte: Ich wuchs in einem kleinen Dorf auf. In der Volksschule waren wir in zwei Gruppen (Klassenzimmer) aufgeteilt: die Unterklasse, Schuljahre 1 bis 4, und die Oberklasse, Schuljahre 5 bis 8. Unser Schulleiter beherrschte die Kunst der Wegbegleitung auf verschiedenen Ebenen. Einige Beispiele mögen dies belegen: 40 Kinder in der Oberklasse. Jeden Morgen hatten die Schüler und Schülerinnen einer Klasse zu Beginn des Unterrichts den Tag zu eröffnen. Dies geschah in einem Ritual. Gemeinsamer Auftritt vor den anderen Schülern: ein Lied, ein Gedicht, dann Ansage des Tages mit Erinnern an geschichtliche, politische und kirchliche Ereignisse, Geburts- oder Todestage von Persönlichkeiten wie Dichtern, Künstlern. Danach gab’s den Wetterbericht. Dazu mussten die Beobachtungen und Messungen (Temperatur, Wind, Niederschläge …) vom Nachmittag und Morgen eingeholt werden. Auch Beobachtungen der Natur : Ankunft der Schwalben, erste Schlüsselblume, wurden so wahrgenommen und eingetragen.
Wegbegleitung im Sinne von Aufmerksamkeit wecken, Erinnerungen verlebendigen, Auftritt vor anderen üben, die Gruppenzusammengehörigkeit spüren und Verantwortung übernehmen für einen Teilauftrag. Jeder war gefragt.
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