Wechsel in die Bundesliga
Ab der Saison 1987/88 kümmerte sich Versicherungsvertreter Heinz Gruler aus Tuttlingen um die Interessen des Torjägers. Gruler war ein Spielerberater der ersten Stunde, zu seinen Klienten gehörten unter anderem Bayern-Torhüter Jean-Marie Pfaff, 1980-Europameister Karlheinz Förster und der spätere Weltmeister Guido Buchwald vom VfB Stuttgart. Gruler sondierte Anfragen aus Sanés Heimat von den Erstligisten Girondins Bordeaux, FC Toulouse und AS Monaco. Interesse bekundeten auch Eintracht Frankfurt, der VfL Bochum und FC Schalke 04. »Dass ich aus Freiburg weggehe, ist inzwischen sicher«, verkündete Sané in der Winterpause 1987/88. »Drei Jahre sind genug.« Das Rennen machte schließlich der 1. FC Nürnberg. Bereits im Februar unterschrieb er einen ab der Saison 1988/89 gültigen Zweijahresvertrag beim fränkischen Traditionsverein, der sich am Saisonende als Bundesliga-Fünfter erstmals seit 20 Jahren wieder für einen Europapokal-Wettbewerb qualifizieren konnte. Freiburg kassierte eine Ablöse von 650.000 D-Mark. Mit 21 Treffern verabschiedete sich der inzwischen 27-Jährige als Zweitliga-Torschützenkönig.
Für seinen neuen Arbeitgeber traf Sané gleich im ersten Pflichtspiel doppelt: Beim 4:1-Sieg im DFB-Pokal beim Oberligisten SSV 1846 Ulm steuerte er das 2:0 und 4:0 bei. In der Bundesliga gelang ihm sein erstes Tor am dritten Spieltag, damit konnte er jedoch die 2:3-Niederlage bei Bayer 05 Uerdingen nicht verhindern. Zwei Wochen später erzielte er beim 3:1-Heimsieg gegen den VfL Bochum einen Treffer selbst und bereitete einen weiteren durch seinen Sturmpartner Dieter Eckstein vor. Nach dem Spiel konstatierte er: »Langsam aber sicher schaffe ich die Umstellung vor der Zweiten in die Erste Liga.« Im Frankenstadion avancierte der Neuzugang rasch zum Publikumsliebling, Club-Präsident Gerd Schmelzer freute sich: »Mit Samy Sané und Dieter Eckstein haben wir den schnellsten Sturm der Bundesliga!«
Die Tore ließen auch Michel Platini, den Teamchef der französischen Nationalmannschaft, aufhorchen. »Er ist sogar nach Nürnberg gekommen. Ich war mit ihm essen, und er hat versucht, mich zu überreden, für Frankreich zu spielen«, erinnerte sich Sané im 11 Freunde -Interview. Zu einem Einsatz in der Equipe tricolore kam es allerdings nicht. Auf Drängen seines Vaters (»Es war ihm sehr wichtig, dass ich für unser Heimatland spiele«) entschied er sich für die Nationalmannschaft Senegals. »Dabei war ich seit über 20 Jahren nicht dort gewesen.« Seine erste Reise zu einem Länderspiel ist ihm unvergessen geblieben: »Ich lebte schon lange in Deutschland und kannte ganz andere Maßstäbe. Ich kam damals im Mannschaftshotel an und dachte, ich sei auf einem Flohmarkt gelandet. Da gingen neben den Spielern hunderte von wildfremden Menschen ein und aus. Plötzlich saßen Verwandte, die ich noch nie zuvor gesehen hatte, bis tief in die Nacht bei mir auf dem Zimmer – vor einem wichtigen Spiel.« Dreimal nahm Souleyman Sané in den folgenden Jahren für sein Geburtsland am Afrika-Cup teil, die Angaben über seine absolvierten Länderspiele schwanken zwischen 32 ( Kicker ) und 55 ( Transfermarkt.de ). Auch wenn es niemals zur Qualifikation für eine Weltmeisterschaft reichte, hat er die Entscheidung für den Senegal »nicht bereut«.
»Die Hallen sind für mich zu klein. Wenn ich richtig loslaufe, bin ich ja schon aus der Halle draußen.«
Souleyman Sané über den in den 1980er Jahren populären Hallenfußball
Seine wohl beste Leistung während seiner zwei Jahre im Club-Dress bot Souleyman Sané bei seinem Debüt auf europäischer Bühne, der Erstrundenpartie im UEFA-Pokal 1988 gegen AS Rom. Beim überraschenden 2:1-Auswärtssieg im Stadio Flaminio – das Olympiastadion wurde damals für die WM 1990 umgebaut – war er an beiden Treffern beteiligt. Unmittelbar vor der Pause köpfte er zur Führung ein, in der 57. Minute bereitete er mit der Hacke den Siegtreffer von Dieter Eckstein vor. Die FCN-Vereinszeitschrift Der Club schrieb damals: »Zum Schrecken der römischen Verteidigungs-Experten mauserte sich die schwarze Perle Souleymane Sané. Wie er beim Club-Führungstor den Ball in die Maschen köpfte, stimmte die fußballverrückten Tifosi teilweise ehrfurchtsvoll, ließ sie aber auch ihre eigenen Top-Stars verdammen.« In Reihen der Römer stand damals unter anderem Rudi Völler. Die italienische Tageszeitung Il Messagero bemühte ein abgedroschenes Wortspiel: »Es war beschämend, wie der 600.000-Mark-Stürmer Sané fast alleine eine 80-Millionen-Mark-Mannschaft lächerlich spielte und den mitgereisten deutschen Fans Sahne für die Seele servierte.« Im Rückspiel in Nürnberg revanchierten sich die Italiener und warfen den Club aus dem Wettbewerb – der Brasilianer Renato erzielte den entscheidenden Treffer zum 3:1 in der dritten Minute der Nachspielzeit.
Nach zwei Jahren trennten sich die Wege von Sané und dem Club. Sechs Tore erzielte er in seiner ersten Saison, ebenfalls sechs waren es in der zweiten. Trainer Hermann Gerland und seinen Teamkollegen trieb er jedoch mit seiner mangelhaften Chancenverwertung so manches Mal die Sorgenfalten auf die Stirn. Im Frühjahr 1990 plante der neue Club-Sportdirektor Arie Haan nicht mehr mit dem Senegalesen.
Nach einem kurzen Flirt mit Fenerbahce Istanbul – die Vorstände Aziz Yilmaz und Yusuf Duru weilten zu Verhandlungen in Nürnberg – wechselte Sané gemeinsam mit Verteidiger Stefan Kuhn für eine Ablöse von 950.000 D-Mark zur SG Wattenscheid. Beim Bundesliga-Aufsteiger sollte er den nach Köln abgewanderten Torjäger Maurice Banach ersetzen – und er ließ diesen rasch in Vergessenheit geraten. Die vier Jahre im Lohrheidestadion wurden zur erfolgreichsten Zeit seiner Karriere.
»Ich habe den Namen meines Vaters öfter auf Youtube eingegeben, mir seine Tore angeschaut. Ich bin stolz auf meinen Vater und seine Karriere. Er ist ein Vorbild für mich, auch als Fußballer.«
Leroy Sané über seinen Vater Souleyman
Sané genoss das Vertrauen von Trainer Hannes Bongartz, mit seinen Sturmkollegen Uwe Tschiskale, Ali Ibrahim und später Marek Lesniak sorgte er dafür, dass sich die »graue Maus« in der Bundesliga etablierte. Im westlichen Bochumer Stadtteil lernte er auch seine spätere Frau Regina Weber kennen, eine ehemals äußerst erfolgreiche Sportgymnastin, die in den 1980er Jahren mehrmals Deutsche Meisterin wurde und 1984 in Los Angeles die bis heute einzige olympische Medaille (Bronze) in dieser Sportart für Deutschland holte. In Wattenscheid wurde er auch nach seiner aktiven Karriere sesshaft. »Hier ist meine Familie, hier zahle ich meine Steuern, hier fühle ich mich wohl«, gab er in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung zu Protokoll. Zu den Höhepunkte in seinen vier Bundesliga-Jahren im SG-Dress zählten sein Dreierpack 1990 zum 3:1-Sieg beim Karlsruher SC, der 3:2-Erfolg 1991 gegen Bayern München vor 35.000 Zuschauern im Bochumer Ruhrstadion, bei dem er in der 89. Spielminute den Siegtreffer durch Thorsten Fink vorbereitete. Und sein Doppelpack zum 2:0-Sieg 1992 im Bochumer Stadtduell gegen den VfL. In 117 Bundesliga-Spielen für die SG gelangen ihm 39 Tore – so viele wie keinem anderen in der Wattenscheider Bundesliga-Historie. Später wurde er von den Fans zum Jahrhundertspieler des Vereins gewählt.
Nach dem Bundesliga-Abstieg 1994 suchte Sané eine neue sportliche Herausforderung. »In Wattenscheid wollte ich nicht bleiben, weil ich keine Lust habe, in der Zweiten Liga zu spielen. Das kann ich noch, wenn ich 40 bin«, sagte er. Ein Wechsel zu Schalke 04, wo Trainer Jörg Berger seinen ehemaligen Schützling aus gemeinsamen Freiburger Tagen gerne gesehen hätte, scheiterte am Geld. »Wattenscheid forderte eine Million Ablöse für mich, ein bisschen viel für einen 33-Jährigen«, so Sané. Stattdessen verschlug es ihn nach Österreich. In Innsbruck hatte gerade Finanzmakler Klaus Mair das Präsidentenamt beim FC Wacker angetreten. Mit Stars wie Österreichs Fußball-Idol Hans Krankl als neuem Trainer, den ehemaligen Bayern-München-Profis Manfred Schwabl (vom 1. FC Nürnberg) und Harald Cerny (vom FC Admira/Wacker Mödling), Nationalspieler Peter Stöger (vom FK Austria Wien) und eben Sané wollte er den Traditionsverein, der ab sofort unter der Bezeichnung FC Tirol firmierte, zurück zu alten Erfolgen führen. »Doch das Tiroler Dream-Team glänzte nur wenige Wochen. Dann wurde das Finanzgenie Mair als Betrüger entlarvt und in Untersuchungshaft gesteckt«, berichtete der Kicker . Im Etat klaffte auf einmal ein Millionenloch, Spielmacher Schwabl suchte sofort das Weite und wechselte zum TSV 1860 München. Die Verwaltungen der Stadt Innsbruck und des Bundeslandes Tirol sprangen als Retter ein, das Krankl-Team schloss die Saison 1994/95 als Fünfter ab, Souleyman Sané holte sich mit 20 Treffern die Torjägerkanone. In Innsbruck wurde sein erster Sohn Kim geboren.
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