c) Ausnahme von der verpflichtenden elektronischen Kommunikation
Ausgenommen von der eVergabe sind (wie auch die in den Richtlinientexten vorgesehen) Sachverhalte, die auf spezielle Instrumente oder Vorrichtungen basieren und die nicht allgemein verfügbar sind: z.B. Dateiformate, die nicht allgemein unterstützt werden, bei denen spezielle Bürogeräte benötigt würden sowie bei Vorgängen, die die Einreichung von physischen oder maßstabsgetreuen Modellen verlangen.115
d) Umsetzung außerhalb des europäischen Anwendungsbereichs
Dieser oben genannten zweiten Ebene folgt denklogisch die dritte Ebene nach, die im Einzelnen Vorgaben an die öffentlichen Auftraggeber zur Abwicklung nationaler Verfahren unterhalb des Schwellenwerts enthält. Kurz nach Abschluss der Umsetzung der europäischen Richtlinien 2016 galt im Wesentlichen unterhalb des europäischen Schwellenwerts altes Recht weiter. Die jeweils ersten Teile der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A) bzw. der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) – die jeweils zweiten Teile hatten europäische Verfahren geregelt – sollten einstweilen weiter die vertrauten Verfahren regeln. Eine einheitliche Überarbeitung konnte der deutsche Gesetzgeber aufgrund der vielfachen Beteiligung von Verbänden, Ministerien etc. bei den Überarbeitungen nicht realisieren. Außerdem bot diese Lösung den öffentlichen Auftraggebern, die sich in neues Recht einarbeiten mussten, den Vorteil, weiterhin einen Teil ihrer Aufträge in einem bekannten Rechtsumfeld zu vergeben. Im Verlauf der Umsetzung zum neuen Vergaberecht hat der Bundesrat im Rahmen seiner Zustimmung am 18. März 2016 darauf hingewiesen, dass die Strukturen im Vergaberecht anwenderfreundlich im Sinne von einheitlich sein müssen.116 Die einheitliche Ausgestaltung erfolgt letztlich für die klassischen Auftraggeber in Gestalt der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO), die dann auch für Verfahren, die nicht unter die europaweite Ausschreibungspflicht fallen, ein anwenderfreundliches Vergaberecht erlässt. Die UVgO wiederum setzt die eVergabe als Nutzungsverpflichtung elektronischer Kommunikation durch § 7 UVgO um. Dieser zeichnet nahezu wortgleich § 9 VgV in seinen ersten drei Absätzen nach und verweist dann der Einfachheit halber mittels § 7 Abs. 4 UVgO auf die §§ 10 bis 12 VgV.
Von der Anforderung der elektronischen Kommunikation bei einem Vergabeverfahren sind im Umkehrschluss von den vorher getroffenen Feststellungen einige interne Arbeitsabläufe des Öffentlichen Auftraggebers und auch die internen Arbeitsabläufe des Bieters betroffen.117
6. Weitere elektronische Kommunikationsverfahren
Neben der Verpflichtung zur Nutzung elektronischer Kommunikation gibt es aber auch weitere Instrumente, die konkret Elemente der modernen Kommunikationsmittel voraussetzen. Dabei handelt es sich um dynamische Beschaffungssysteme (gemäß §§ 22–24 VgV), elektronische Auktionen (gemäß § 25 VgV) sowie elektronische Kataloge (gemäß § 26 VgV).
a) Dynamische Beschaffungssysteme
Die bereits in früheren Vergaberichtlinien eingeführten dynamischen Beschaffungssysteme werden in den ErwG. 63 bis 66 der RL 2014/24/EU nochmal wiederholt.
Offensichtlich ist der europäische Gesetzgeber von der bisherigen Nutzung dieses Instruments nicht begeistert gewesen, da die erste Erwähnung des dynamischen Beschaffungssystems darauf abzielt, eine Vereinfachung zur bisherigen Umsetzung anzustreben. Künftig – so die europäische Vorstellung – soll dieses Instrument einen breiten Wettbewerb in Hinblick auf marktübliche oder gebrauchsfertige Waren sowie allgemein verfügbare Bau- oder Dienstleistungen ermöglichen.118 Zur generellen Überarbeitung des dynamischen Beschaffungssystems zählen dann die Fristsetzungen im ErwG. 64 und eine Aufweichung der strikten Fristvorgaben bei einer überwältigenden Rückmeldung seitens der am Markt teilnehmenden Unternehmen. Entsprechend des ErwG. 65 der RL 2014/24/EU dürfen öffentliche Auftraggeber zudem aktualisierte Eigenerklärungen von den Unternehmen einfordern, wobei dies nur gilt, wenn das Beschaffungssystem zeitlich andauert.
Zudem wird im ErwG. 66 der RL 2014/24/EU dem öffentlichen Auftraggeber in Hinblick auf die Förderung kleinerer oder mittlerer Unternehmen vorgeschrieben, dass er objektiv definierte Kategorien von Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen verwenden muss, ebenso wie er seinen Informationspflichten bzgl. des Umfangs öffentlicher Aufträge und spezifischer geografischer Angaben nachkommen soll.
Entsprechend der Wunschvorstellung des europäischen Gesetzgebers bzgl. der oben angerissenen ErwG. findet sich in Art. 34 RL 2014/24/EU die Regelung zu dynamischen Beschaffungssystemen. Gemäß Abs. 1 sollen solche Systeme von öffentlichen Auftraggebern genutzt werden dürfen, wenn und soweit marktübliche Lieferungen oder Leistungen, die standardisiert für den öffentlichen Auftraggeber ausreichend sind, beschafft werden. Kernaussage ist, dass es sich dabei um ein vollelektronisches Verfahren handeln soll, das auf eine gewisse Dauer angelegt ist. Entsprechend Abs. 2 darf das dynamische Beschaffungssystem aber nur bei einem nichtoffenen Verfahren eingesetzt werden, wobei Abs. 3 nochmal besonders klarstellt, dass dabei die Verpflichtungen aus Art. 22 der RL 2014/24/EU zur elektronischen Kommunikation Anwendung finden sollen. Abs. 4 schreibt in diesem Zusammenhang noch organisatorische und verfahrensrechtliche Schritte fest, wobei nach Abs. 5 eine Teilnahme an einem solchen Beschaffungssystem allen interessierten Unternehmen offenstehen muss, die die entsprechenden Vorgaben des öffentlichen Auftraggebers erfüllen. Allerdings müssen Unternehmen nach Abs. 6 dann auch für alle Aufträge des Beschaffungssystems ein Angebot abgeben.
National wurden die europäischen Vorgaben aus der RL 2014/24/EU in §§ 23f. VgV wiedergegeben. So findet sich schon in § 23 Abs. 1 VgV die grundlegende Informationspflicht, wonach der öffentliche Auftraggeber die Nutzung eines solchen Systems europaweit bekanntmachen muss; nachträgliche Änderungen hierzu sind gemäß Abs. 2 gegenüber europäischen Stellen meldepflichtig. Der Umfang der Informationspflichten wird in § 23 Abs. 3 und 4 VgV fortgeführt, wonach der öffentliche Auftraggeber verpflichtet ist, Art und geschätzte Menge der mittels des dynamischen Beschaffungssystems vergebenen Aufträge, untergliedert in Kategorien, anzugeben. § 24 VgV führt dann die seitens des europäischen Gesetzgebers vorgesehenen organisatorischen Anforderungen in Hinblick auf die einzuhaltenden Fristen in das nationale Recht ein.
Erstaunlicherweise findet sich im nationalen Recht keine Wiederholung der europäischen Verweisung auf die Verpflichtung zur Nutzung der elektronischen Kommunikation. Dies setzt der nationale Gesetzgeber schlichtweg voraus.
b) Elektronische Auktionen
Elektronische Auktionen sind bereits im ErwG. 67 der exemplarisch herausgestellten RL 2014/24/EU erwähnt. Danach sind elektronische Auktionen nur dazu geeignet, Leistungen eines Unternehmens, die sich insbesondere nach Menge (oder Zahlen) umschreiben lassen, aufzufangen. Allerdings sind diese Auktionen wohl nicht geeignet, bestimmte geistige Leistungen (wobei beispielhaft Planungsdienstleistungen für Bauleistungen genannt werden) aufzufangen.
Von diesem ErwG. (quasi als Vorwort) ausgehend regelt Art. 35 RL 2014/24/EU die Auktionen. Nach Art. 35 Abs. 1 und Abs. 3 RL 2014/24/EU sind sie dadurch zu charakterisieren, dass dabei auf nach unten korrigierte Preise oder neue Komponenten abzustellen sein kann.119 Dabei nimmt Art. 35 Abs. 1 aber auch die Einschränkung auf, dass geistige Leistungen nicht zum Gegenstand elektronischer Auktionen gemacht werden sollen.
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