b) Anhang IV zur RL 2014/24/EU
Im Übrigen wird die elektronische Kommunikation auch durch inhaltliche Spezifikationen, getroffen durch den Anhang IV zur RL 2014/24/EU,79 näher ausgestaltet. Dazu ist es erforderlich, dass die elektronischen Mittel u.a. gewährleisten, dass
• Tag und Uhrzeit des Eingangs elektronischer Dokumente genau bestimmt werden können;
• es als sicher gelten kann, dass kein Zugang zu den ermittelten elektronischen Dokumenten vor den festgesetzten Terminen erlangt werden kann;
• der Zeitpunkt der Öffnung der eingegangenen Daten ausschließlich durch dazu ermächtigte Personen geändert oder festgelegt werden kann;
• der (teilweise oder vollständige) Zugang zu Daten systemseitig gleichfalls nur ermächtigten Personen zu gewähren ist;
• nur ermächtigte Personen der Zugang zu den eingegangen elektronischen Unterlagen möglich sein darf;
• es als sicher gelten muss, dass Verstöße gegen diese Vorgaben sich eindeutig aufdecken lassen. Dies entspricht im Wesentlichen einer revisionssicheren Dokumentation.
3. Vorgaben aus Art. 35 und Art. 36 RL 2014/24/EU
a) Elektronische Auktionen – Art. 35 RL 2014/24/EU
Die Regelungen zu Art. 35 der RL 2014/24/24 bauen auf den Vorgaben des Art. 42 RL 2004/18/EG, der erstmals die elektronische Auktion zum Inhalt hatte, auf. Statt einer Ermächtigung für die Mitgliedstaaten die elektronische Auktion einzuführen, ist diese durch die Neuregelung zu einem generell europaweit vorgeschriebenen Verfahren für öffentliche Auftraggeber worden. Ziel der elektronischen Auktion damals und in der Neufassung ist es, eine Auktion durchzuführen, auf deren Basis nach unten korrigierbare Preise oder aber neue Werte (die auf neuen Komponenten beruhten) für öffentliche Auftraggeber verfügbar gemacht werden.80 Allerdings hat auch bei elektronischen Auktionen der europäische Gesetzgeber entsprechend Art. 35 Abs. 1 RL 2014/24/EU bestimmte öffentliche Dienstleistungs- oder Bauaufträge aus der Anwendung dieses Instruments ausgeschlossen. Elektronische Auktionen können gemäß Art. 35 Abs. 2 RL 2014/24/EU jedoch auch als Bestandteil regulärer Verfahren wie dem offenen Verfahren eingesetzt werden.
b) Elektronischer Katalog – Art. 36 RL 2014/24/EU
Art. 36 RL 2014/24/EU eröffnet öffentlichen Auftraggebern aufgrund der Verpflichtung zur elektronischen Kommunikation die Möglichkeit, sich Angebote in Form eines elektronischen Katalogs übermitteln zu lassen. Eine verbindliche Vorgabe zur Nutzung des elektronischen Katalogs wird seitens des europäischen Gesetzgebers jedoch den Mitgliedstaaten überlassen.
Vorgabe auch an elektronische Kataloge ist jedoch, dass diese den Vorgaben des Art. 22 RL 2014/24/EU, also den allgemeinen Pflichten an elektronische Kommunikation, entsprechen müssen.
Beide aufgezeigten Instrumente – die elektronische Auktion sowie der elektronische Katalog – sind aber nur Teilelemente der elektronischen Kommunikation, die als zusätzliche Unterstützung in einem Vergabeverfahren eingesetzt werden können.
4. Vorgaben aus den RL 2014/23/EU bzw. RL 2014/25/EU
Die Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel ist in unterschiedlich weitem Umfang vorgeschrieben. In den beiden anderen Richtlinien (RL 2014/24/EU und RL 2014/24/EU) ist die eVergabe gleichfalls Inhalt, wobei die Ausgestaltung im Detail von der RL 2014/24/EU abweicht.
a) Konzessionsrichtlinie – RL 2014/23/EU
Die Konzessionsrichtlinie sieht für Konzessionsvergaben eine vollkommen abweichende Vorgabe bzgl. der durchgängigen Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel vor. Für die Konzessionsvergabe entsprechend der RL 2014/23/EU müssen lediglich die Bekanntmachung elektronisch veröffentlicht und zusätzlich die Vergabeunterlagen elektronisch bereitgestellt werden.81 Bei dieser Richtlinie bleiben die Anforderungen somit hinter den der beiden anderen Richtlinien zurück. Einen Grund für diese Differenzierung nennt der europäische Gesetzgeber nicht.
Damit bleibt diese Richtlinie – die allerdings auch erstmals den Themenbereich Konzessionsvergabe regelte – hinter den in der RL 2014/24/EU geltenden Anforderungen zurück.
Dagegen hat sich der nationale Gesetzgeber entschieden, eine generelle eVergabe im Rahmen der nationalen Umsetzung in Gestalt der Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV) einzufügen.82 Hier kommt es zu einer Abweichung zur RL 2014/23/EU. Entgegen der in der Richtlinie zurückhaltend gestalteten Verpflichtung zur Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel wurde in der nationalen Verordnung die Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel als Ausfluss der eVergabe im selben Umfang vergleichbar mit der RL 2014/24/EU über die öffentliche Auftragsvergabe sowie der RL 2014/25/EU für Sektorenauftraggeber und deren Vorgaben bei der Vergabe von Aufträgen im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung vorgesehen.83 Hintergrund dieser Überlegung war die Vorstellung des Gesetzgebers, dass mit einheitlichen Vorgaben eine effiziente Abwicklung aller Vergabeverfahren in Betracht kommt.84 D.h. die nationale Umsetzung war vom zusätzlichen Gedanken einer einheitlichen, effizienten Ausrichtung geleitet.85
Dieses Vorgehen steht aber in Übereinstimmung mit den europäischen Richtlinien, da ein Mitgliedstaat auch die zwingende Einführung der elektronischen Kommunikation vorsehen konnte.86
b) Sektorenrichtlinie – RL 2014/25/EU
Sektorenauftraggeber (d.h. öffentliche Auftraggeber im Bereich der Daseins-Vorsorge – Strom, Wasser, Energie) im Sinne der RL 2014/25/EU sowie öffentliche Auftraggeber im Sinne der RL 2014/24/EU unterliegen einer vollumfänglichen Verpflichtung zur eVergabe.
In der Sektorenrichtlinie sind im selben Maßstab wie in der RL 2014/24/EU Vorschriften zur eVergabe enthalten, wobei aufgrund der Binnenstruktur der RL eine andere Nummerierung genutzt wird. So findet sich die Verpflichtung zur elektronischen Kommunikation in Art. 40, die elektronische Auktion in Art. 53 sowie abschließend die elektronischen Kataloge in Art. 54 der Richtlinie.87
5. Nationale Umsetzung der EU-Richtlinien aus 2014
Die nationale deutsche Umsetzung der 2014 erlassenen Richtlinien fand mehrstufig statt. Schon vor diesen Richtlinien wurde die Umsetzung europäischen Rechts in das Vergaberecht durch Kodifizierung in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vorgenommen. Dabei war das GWB auch Ausgangspunkt der untergesetzlich geltenden Vergabeverordnungen.
Der 4. Teil des GWB mit den vergaberechtlichen Vorgaben und Bestimmungen steht weiterhin national an erster Stelle,88 während die auf Basis des § 113 GWB erlassenen Vergabeverordnungen die darunterliegende zweite Ebene bilden.89
Relativ früh findet sich in § 97 GWB schon der Verweis auf die nunmehr eingeführte elektronische Kommunikation, da § 97 Abs. 5 GWB bestimmt, dass für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel zu verwenden haben.90 Dabei hat das GWB mit § 113 GWB eine Ermächtigungsgrundlage, wonach Einzelheiten hinsichtlich des Sendens, Empfangens sowie Weiterleitens oder Speicherns von Daten im Rahmen einer Rechtsverordnung geregelt werden können.91 Eine Legaldefinition der eVergabe erfolgt nicht. Allerdings ist ein Rückgriff auf die Definition des Richtlinientextes möglich. Dazu postuliert die Gesetzesbegründung, dass der Umfang der elektronischen Kommunikation die Bekanntmachung und die Vergabeunterlagen (d.h. im Einzelfall die Erstellung und Bekanntmachung) sowie die elektronische Angebotsabgabe und die Vorbereitung des Zuschlags umfasst.92 Dabei beinhaltet zudem § 97 Abs. 5 GWB, dass die elektronischen Kommunikationsmittel allgemein verfügbar, nichtdiskriminierend und mit den allgemein verbreiteten Erzeugnissen der Informations- bzw. Kommunikationstechnologie und Unternehmen kompatibel sein müssen.93
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